Ansteckende Krankheiten
„Wir brauchen langen Atem“
In Westafrika tobt eine Ebola-Epidemie. Was sagt uns das über den Zustand des Gesundheitswesens in Liberia, Sierra Leone und Guinea?
Zunächst bedeutet es, dass trotz des medizinischen Fortschritts Infektionskrankheiten immer noch für viele Menschen eine tödliche Gefahr darstellen. Das Gesundheitswesen der betroffenen Länder ist aus eigener Kraft nicht in der Lage, die Ausbreitung rechtzeitig zu erkennen und zu stoppen. Um das zu können, sollte es mehrere Funktionen erfüllen: Krankheiten müssen korrekt diagnostiziert und Einzelfälle zuverlässig an eine Zentrale gemeldet werden. Auf dieser Basis müssten dann wirksame Maßnahmen ergriffen werden. Je nach Krankheit geht es dabei um Behandlung oder auch Impfung. Im Fall von Ebola geht es sogar um die Isolierung der Patienten. In den drei Ländern passiert all das aber nicht im ausreichenden Maße, und das hat mehrere Gründe. Dazu gehören chronischer Personalmangel, der desolate Zustand der Gesundheitsinfrastruktur und der Infrastruktur überhaupt; aber auch der Mangel an medizinischer Ausstattung und Medikamenten, der begrenzte Zugang der Menschen zu Ärzten und Krankenhäusern und das geringe Vertrauen der Bevölkerung in öffentliche Institutionen.
Dabei spielt die Bürgerkriegsvergangenheit vermutlich auch eine Rolle?
Ja, wir wissen, dass es sehr lange dauert, bis sich eine Gesellschaft wieder stabilisiert. Das wirkt sich auch auf das Gesundheitswesen aus, das ein Sektor ist, auf den viele Faktoren Einfluss haben. Unsichere Wasserversorgung bedeutet beispielsweise ein höheres Krankheitsrisiko oder schlechte Straßen erschweren Krankentransporte. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), in dessen Auftrag wir arbeiten, legt einen starken Fokus auf die Stärkung von Gesundheitssystemen. Dafür ist aber viel Ausdauer und Zeit nötig. Schwächen können nämlich an ganz unterschiedlichen Stellen auftreten. Deshalb ist es bereits bei der Konzeption eines Vorhabens wichtig, sämtliche Rahmenbedingungen mit großer Sorgfalt zu betrachten.
Auf welche Weise trägt die KfW im Auftrag der deutschen Bundesregierung zur Stärkung von Gesundheitssystemen bei?
Wir haben verschiedene Ansätze und Instrumente, um unsere Partner aus dem öffentlichen und privaten Gesundheitswesen in Entwicklungsländern zu unterstützen. Zum einen finanzieren wir den Ausbau von Gesundheitsinfrastruktur, etwa durch den Bau von Krankenhäusern und die Modernisierung von medizinischer Ausstattung. Wir fördern aber auch die Entwicklung von Versicherungssystemen und ihren Vorstufen, damit die Finanzierung von Gesundheitsdienstleistungen Familien nicht in Armut abrutschen lässt beziehungsweise die Kosten keine Barriere für die Nutzung der Gesundheitsdienstleistungen darstellen.
Zudem unterstützen wir die Partnerländer bei der Gesundheitsaufklärung ihrer Bevölkerung. Im Rahmen von Social-Marketing-Vorhaben geht es beispielsweise um Schutzmöglichkeiten vor der Infektion mit HIV/Aids oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Hierbei werden Markenkondome und Verhütungsmittel beworben und landesweit über private Händler zu subventionierten Preisen verkauft. Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung tragen wir zur Finanzierung der Entwicklung neuer Medikamente, Impfstoffe und Diagnostika bei. Hierfür werden sogenannte Produktentwicklungspartnerschaften gefördert.
Kann die Arzneimittelentwicklung nicht einfach der Pharmaindustrie überlassen werden?
Nein, denn wir haben es hier mit Marktversagen zu tun. Ein Beispiel unter vielen anderen ist die Leishmaniose, die vor allem in Afrika und Asien vorkommt – mit schrecklichen Hautentstellungen und Organversagen. Es gibt bisher kein adäquates Behandlungsmittel und keinen Impfstoff. Die Durchschnittseinkommen in den Weltgegenden, wo Leishmaniose auftritt, sind so gering, dass es zwar Bedarf, aber keine kaufkräftige Nachfrage gibt. Wir unterstützen deshalb eine Produktentwicklungspartnerschaft zur Medikamentenentwicklung. Diese wiederum steht in Kontakt mit Wissenschaftlern, Pharmaunternehmen, Behörden und so weiter. Nur wenn alle relevanten Seiten involviert sind, ist es möglich, mit Erfolg Arzneimittel zu entwickeln und dann auch zu finanzierbaren Preisen in Gesundheitssysteme einzuführen, um die Patienten zu versorgen.
Verzetteln Sie sich möglicherweise mit ihren diversen Ansätzen?
Nein, im Gegenteil, wir verfolgen bewusst diverse Ansätze, um der Komplexität dieses vielschichtigen Sektors gerecht zu werden. Dabei achten wir darauf, dass sich die Ansätze ergänzen und möglichst miteinander verzahnt sind. Das ermöglicht uns beispielsweise auch, die Zusammenarbeit vieler verschiedener Akteure, von internationalen Organisationen über nationale Regierungen und lokale Behörden bis hin zu den Endnutzern, zu fördern. Zum Beispiel kooperiert die KfW im Auftrag des BMZ mit der internationalen Impfallianz Gavi und der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft. Bei dieser Zusammenarbeit werden die Impfprogramme in Ostafrika gestärkt und globale Strategien internationaler Organisationen durch Unterstützung der KfW auf regionaler Ebene umgesetzt. Gavi wurde als internationale Partnerschaft mit staatlicher und privatwirtschaftlicher Beteiligung im Jahr 2000 gegründet. Der Erfolg ist beachtlich: Mittlerweile wurden 440 Millionen Kinder geimpft und rund sechs Millionen Leben gerettet. Wir kennen die Akteure und die Herausforderungen. Das macht uns zu einem wertvollen Partner.
Ist Impfschutz das Mittel der Wahl, um Infektionskrankheiten zu bekämpfen?
So pauschal lässt sich das nicht sagen. Impfschutz zählt zu den wirkungsvollsten und kostengünstigsten Maßnahmen zur Gesundheitsverbesserung überhaupt. Die Welt ist heute pockenfrei und hoffentlich auch bald poliofrei. Durch Immunisierung wurde von 2000 bis 2007 die Zahl der Toten durch Masern um fast 80 Prozent gesenkt. Es gibt aber nicht gegen alle Krankheiten auch geeignete Impfstoffe. HIV/Aids und Malaria müssen wir zum Beispiel auf andere Weise eindämmen. Aufklärung und Verhaltensänderungen sind wichtig. Für Tuberkulose gibt es zwar eine Impfung, diese ist aber nicht ausreichend wirksam – auch hier sind Fortschritte dringend nötig.
Die Eindämmung der drei eben genannten Menschheitsplagen ist eines der Millenniumsentwicklungsziele der UN. Gibt es Erfolge?
Ja, unbedingt. In Afrika sterben heute rund 54 Prozent weniger Kinder als früher an Malaria. Es gibt signifikant weniger Neuansteckungen mit HIV/Aids. Eine weitere gute Nachricht ist, dass heute mehr Aids-Patienten in Entwicklungsländern mit retroviralen Medikamenten behandelt werden, als noch 2000 möglich schien. Wir dürfen uns aber nicht auf solchen Erfolgen ausruhen. Weltweit sterben jährlich etwa 3,5 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten – und zwar vor allem in armen Weltregionen. Kinder sind in besonderem Maße gefährdet. Um Abhilfe zu schaffen, müssen die Gesundheitswesen in sämtlichen Dimensionen gestärkt werden – und das erfordert langen Atem. //
Andrea Holzäpfel ist Public-Health-Expertin bei der KfW Entwicklungsbank.