Plastikvermeidung
Wachsendes Bewusstsein
Warum haben Sie und Bio-Lutions-Gründer Eduardo Gordillo Indien als Standort für die erste Fabrik gewählt?
In Indien waren die Bedingungen perfekt. Im Jahr 2015 verbot die Regierung des Bundesstaates Karnataka die Verwendung aller Kunststoffe einer bestimmten Dicke. Das Verbot schließt die meisten Einwegartikel ein. Wir hatten die Idee, Einwegmaterialien für Verpackungen und andere Zwecke auf der Basis natürlicher, biologisch abbaubarer Rohstoffe herzustellen. Also beschlossen wir, mit unserem Business in Karnataka einzusteigen und eröffneten die Fabrik in Bangalore. Das erschien uns als richtige Entscheidung, weil unser Geschäft zum einen von ökologischer und sozialer Relevanz ist. Zum anderen ist Indien ein riesiger Markt. Wir haben viele Feste, Hochzeiten oder andere Veranstaltungen, bei denen die Menschen Einwegprodukte verwenden, die sie später entsorgen müssen.
Wie haben Sie den Unternehmer Eduardo Gordillo aus Deutschland kennengelernt?
Wir haben einen ähnlichen Hintergrund, sind beide Industriedesigner. Ich habe viel Verpackungs- und Displaydesign gemacht und diese Produkte in einer Fabrik in China herstellen lassen. Eduardo hat mit derselben Fabrik zusammengearbeitet. Dort haben wir uns vor etwa zehn Jahren kennengelernt. Wir stellten fest, dass wir vieles gemeinsam haben und in die gleiche Richtung denken. Als er die Idee zu Bio-Lutions hatte, fragte er mich, ob ich daran interessiert wäre, die Fabrik in Indien aufzubauen. Das Timing war wegen des Plastikverbots perfekt. Die Umsetzung des Projekts war jedoch eine große Herausforderung, denn im Vergleich zu dem, was wir bisher gemacht haben, ist die Größe unseres jetzigen Betriebs enorm. Letztendlich war es eine gute Entscheidung und wir sind erfolgreich. Ich bin natürlich sehr froh, dass wir es geschafft haben.
Was war die größte Herausforderung?
Die Finanzierung war zunächst das größte Problem. Wir hatten nicht die Unterstützung eines großen Konzerns im Rücken. Am Anfang setzten wir allein unser privates Geld ein. Als wir uns jedoch entschieden, eine große Anlage zu bauen, war klar, dass wir zusätzliches Kapital benötigen. Zum Glück hat uns die KfW-Tochter DEG ein Darlehen in Höhe von einer halben Million Euro gewährt, damit wir in Bangalore starten konnten. Inzwischen haben wir weitere Investoren wie etwa Delivery Hero SE. Auch die DEG gehört weiter zu den Hauptinvestoren. Es geht uns jetzt gut, aber wenn das Geschäft wächst, müssen wir weiter investieren.
Sie produzieren Einwegartikel und Verpackungen, die komplett aus Pflanzenresten hergestellt werden (siehe Kasten). Können Sie mit den Einwegartikeln aus Kunststoff konkurrieren, die trotz des Verbots noch auf dem Markt sind?
Das Plastikverbot ist in Karnataka noch nicht vollständig umgesetzt. Aber es wird verpflichtend werden. Die großen Einzelhandelsgeschäfte und Restaurants verwenden kein Plastikgeschirr mehr, aber die vielen kleinen Bistros, Coffee-Shops und Straßenstände tun es immer noch. Trotzdem sind unsere Produkte wettbewerbsfähig. Produkte aus reinem Plastik sind nicht billiger als unsere. Aber wir haben ein Problem mit recyceltem Plastik, das billig und von schlechter Qualität ist. Es kostet die Hälfte unserer Artikel und wird noch oft verwendet. Es ist einfach so, dass man nicht alles innerhalb kurzer Zeit ändern kann. Es dauert Jahre und Jahrzehnte, um den Markt und die Einstellung der Menschen zu ändern. Die vollständige Umsetzung des Kunststoffverbots wird uns sicherlich helfen.
Verändert sich die Einstellung zu Plastik in Indien?
Es ist nicht leicht, die Menschen zu überzeugen, denn viele kämpfen noch immer ums Überleben und darum, jeden Tag eine Mahlzeit auf dem Tisch stehen zu haben. Aber die Welt verändert sich und die Menschen erkennen, dass es zu viel Plastik in der Umwelt gibt. Langsam wird vielen klar, dass saubere Luft, gesundes Wasser und gesunde Böden überlebenswichtig sind. Sie verstehen, dass es ziemlich teuer sein kann, wegen schlechter Nahrung oder schlechtem Wasser krank zu werden, besonders wenn sie dann ins Krankenhaus müssen. Eine Herausforderung für uns ist außerdem, dass unsere Produkte nicht für den Langzeitgebrauch gemacht sind. Sie nutzen einen unserer Teller für etwa 20 Minuten, und danach ist er Abfall. Trotzdem ist unser Ansatz nachhaltig und ich bin sicher, dass sich unser Erfolg auch als nachhaltig erweisen wird.
Wer sind Ihre Kunden?
Wir haben ein paar Distributoren, die unsere Produkte an Großhändler verkaufen. Diese vertreiben sie dann wiederum an Supermärkte und Restaurants. Wir haben sogar begonnen, nach Europa zu exportieren, zum Beispiel nach Deutschland. Wir haben drei Kunden in Deutschland, darunter eine große Supermarktkette.
Als Rohstoffe verwenden Sie Zuckerrohr- und Bananenstauden und ähnliche organische Abfälle. Woher bekommen Sie diese?
Wir arbeiten mit einer Nichtregierungsorganisation (NGO) in unserer Region zusammen und diese arbeitet mit den Bauern. Die NGO heißt Vikasana und hat ihren Sitz etwa 50 Kilometer von unserer Fabrik entfernt. Sie konzentriert sich auf biologische Landwirtschaft, Wasserbewirtschaftung, Erhalt der biologischen Vielfalt, Kindererziehung und die Stärkung von Frauen. Wir beziehen alle Rohstoffe von ihren Farmen. In Zusammenarbeit mit Vikasana haben wir ein Sammelzentrum eingerichtet, wohin die Bauern ihre Pflanzenreste liefern können. Wir holen diese zum Teil aber auch direkt bei den Bauern ab.
Wie viele Arbeitsplätze haben Sie in Indien geschaffen?
Wir haben etwa 100 Arbeitsplätze in unserer Fabrik in Bangalore geschaffen, darunter 20 Festangestellte und rund 80 Vertragsarbeiter. Außerdem arbeiten 15 Leute in unserem Sammelzentrum. Unser Ziel ist die Chancengleichheit von Männern und Frauen. Wir wollen Arbeitsplätze und wirtschaftliche Werthaltigkeit in der Region schaffen, weil wir uns als Teil der lokalen Gemeinschaft verstehen. Wir stellen die Leute direkt vor Ort ein, da unsere Fabrikarbeiter keine besonderen Qualifikationen benötigen. Wir schulen sie stattdessen selbst für ihre jeweilige Tätigkeit.
Haben Sie Expansionspläne für Ihr Geschäft?
Ja, wir sind gerade dabei, unsere Fabrik in Bangalore zu erweitern. Wir werden weitere Maschinen zum Einsatz bringen und die Produktion erhöhen. Und wir wollen auch in anderen Regionen Indiens tätig werden. Es gibt Verhandlungen über die Errichtung von zwei neuen Werken und wir denken, dass dies innerhalb von sechs bis zwölf Monaten geschehen wird. Das ist eine Herausforderung, denn wir haben es mit völlig neuen Fabriken, neuen Landwirten und anderen Rohstoffen zu tun. Wir bauen außerdem eine neue Produktionsstätte in Schwedt in Brandenburg. Das Werk soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen. Außerdem gibt es konkrete Planungen für eine neue Fabrik in Thailand, da gibt es aber noch keinen Eröffnungstermin.
Kurian Mathew ist Geschäftsführer von Bio-Lutions India.
Kontakt: Celine Barth, Communications and PR:
cb@bio-lutions.com