Kommentar
Die Politik der Schwulenfeindlichkeit
hat dazu beigetragen.
[ Von Marc Epprecht ]
Es gibt ein deutliches Muster, was Homosexualität in Afrika betrifft. In Malawi wurden zwei Männer wegen „extremer Unanständigkeit und widernatürlichen Verhaltens“ zu 14 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt – die beiden hatten beabsichtigt, zu heiraten. Auf enormen Druck von westlichen Gebern hin, von denen die malawische Regierung abhängig ist, wurden sie Ende Mai begnadigt.
In Uganda griff der Präsident ein, nachdem das Parlament wegen „schwerer Homosexualität” auf Todesstrafe plädiert hatte. Die Verfassung sei zu einer Angelegenheit der Außenpolitik geworden, sagte er. Damit spielte er auf den internationalen Druck an, unter dem die ugandische Kultur stehe.
Das Muster ist: Vermeintlich aufgeklärte Westler erteilen vermeintlich wilden Afrikanern eine Lektion. Dieses Muster ist schädlich – vor allem, weil etwas dran ist.
In vielen afrikanischen Ländern haben westliche Geber zur Förderung des Gesundheitswesens und des Umgangs mit HIV/Aids Studien über Männer, die Sex mit Männern haben, finanziert. Zudem haben Geberagenturen die Gründung von Verbänden, die sich für die Rechte Homosexueller einsetzen, unterstützt.
Die niederländische Organisation HIVOS etwa ist Mitbegründer der Interessengruppe Behind the Mask in Sambia. Über deren Website www.mask.org.za konnte ein panafrikanisches Netzwerk von Aktivisten, Künstlern und Forschern aufgebaut werden.
Manche politischen und religiösen afrikanischen Führer reagieren auf dieses „coming out“ – und die offensichtliche Verbindung zum Westen – mit schwulenfeindlicher Rhetorik und fordern zu Gegenwehr auf. Sie beschuldigen den Westen, ihnen seine Werte aufzwängen zu wollen.
Oft wird allerdings übersehen, dass sich afrikanische Aktivisten und Künstler schon seit langem mit diesem Thema beschäftigen, mit ziemlicher Verve – und unabhängig vom Westen. Oft sind sie sehr kritisch gegenüber den westlichen Modellen von Schwulenrechten und „queer-identities“. Sie weigern sich, dem vom Westen vorgegebenen Weg zur Schwulenbefreiung zu folgen. Stattdessen bemühen sie sich darum, Modelle zu finden und zu kreieren, die zu afrikanischen Gesellschaften passen. Durch ihre Kritik an der westlichen Überheblichkeit aber befeuern sie wiederum den antiwestlichen Nationalismus mitsamt seinen schwulenfeindlichen Vorurteilen.
Diejenigen, die in irgendeiner Weise involviert sind, neigen dazu, eines zu übersehen: Der Westen hat die homophoben Tendenzen in Afrika angefacht. Die europäischen Kolonialmächte erließen Anti-Sodomie-Gesetze, die oft auch nach der Unabhängigkeit weiter galten. Westliche Missionare und Anthropologen stellten „traditionelle Kulturen“ Afrikas zudem fast ausschließlich als männlich dar. Mehr noch: Heutige westliche Missionare rufen geradezu zu Intoleranz auf. Dank George W. Bushs Pepfar-Programm konnten glaubensbasierte Organisationen wie die Fellowship-Foundation und die Southern-Baptist-Convention in Afrika Fuß fassen und so ihre konservativen Strategien gegen HIV/Aids unters Volk bringen. Sie konnten einige bekannte Konvertiten für sich gewinnen – so auch die Frau des ugandischen Präsidenten, Janet Museveni, und David Bahati, den Befürworter der antihomosexuellen Verfassung Ugandas.
Warum fühlen sich heute so viele Afrikaner von evangelikalen Kirchen und fundamentalistischen muslimischen Bewegungen angezogen? Einige Gründe sind: Arbeitslosigkeit, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, das Kollabieren des Gesundheits- und Bildungswesens und der Zerfall der Gesellschaft. Die Betonung des persönlichen Wohlergehens hat den Boden bereitet für homophobe und andere spalterische Politiken, die Gemeinschaften gegen „Außenseiter“ mobilisieren. Das Attackieren von Schwulen ist eine Art, die Wut gegen den Westen abzulassen.
Politische Homophobie ist eine reale Gefahr im heutigen Afrika. Sie treibt schwule Männer in den Untergrund und nimmt ihnen das Recht auf Selbstbestimmung. Sie schürt auch Probleme im Zusammenhang mit HIV/Aids. Homosexuellenfeindliche Reden afrikanischer Führer müssen aufhören. Auch für die Selbstgefälligkeit westlicher Beobachter ist kein Platz.
Im Gegenteil: Wer aus dem Westen kommt und Afrika helfen will, muss sensibel mit der historischen sowie der aktuellen Rolle des Westens bei der Erzeugung des Problems umgehen. Das könnte auch bewirken, dass sie afrikanischen Aktivisten, die gerade die Führung im Kampf für sexuelle Rechte und sexuelle Gesundheit in Afrika übernehmen, genauer zuhören.