Menschenrechte

„Unterlassene Hilfeleistung“

Homosexualität ist in Afrika für viele religiöse Gemeinschaften ein rotes Tuch. Christliche Geistliche seien Teil des Problems, sagten evangelische Kirchenvertreter auf einer Tagung in Berlin. Sie sollten daher auch zur Lösung beitragen.
David Kato, der vor zwei Jahren in Uganda ermordete Aktivist. picture-alliance/dpa David Kato, der vor zwei Jahren in Uganda ermordete Aktivist.

Dorothy Aken’Ova vom International Center for Reproductive Health and Sexual Rights in Nigeria ist sich sicher: „Berichte aus der vorkolonialen Zeit zeigen, dass es schon damals Homosexualität in Afrika gab.“ Die meisten Volksgruppen hätten dies akzeptiert. Beweise dafür seien die in vielen afrikanischen Sprachen vorhandenen Worte für schwul, lesbisch oder homosexuell, die nicht – wie zum Beispiel das Computerwort „browsing“ – aus einer westlichen Sprache übernommen worden seien. Aken’Ova widerspricht damit afrikanischen Politikern und religiösen Führern, die Homosexualität als „unafrikanisch“ bezeichnen.

Eine Tagung des Auswärtigen Amtes und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung führte Ende November Kirchenvertreter aus Deutschland mit afrikanischen LGBT-Aktivisten zusammen. Das Kürzel steht für „lesbian, gay, bisexual and transgender“ (lesbisch, schwul, bi- und transsexuell). Einer der Teilnehmer war Reverend Michael Kimindu aus Kenia, Gründer der inklusiven Kirche „Other Sheep Africa“. Er selbst wurde für seinen Mut, explizit Homosexuelle in seine Kirche einzuladen, mit dem Ausschluss aus der Anglikanischen Kirche bestraft (siehe auch Interview mit Reverend Jide Macaulay aus Nigeria in E+Z/D+C 2011/2, S. 84).
 
Kimindu ist der Ansicht, dass es „in Kirchen, Moscheen und Synagogen Menschen gibt, die nicht von ihren religiösen Führern erreicht werden. Wegen ihres sozialen Status’, der Art, wie sie geboren wurden, oder wegen menschlicher Fehler.“ Er zählt dazu nicht nur Homo- und Transsexuelle, sondern auch Alleinerziehende, Geschiedene, Alkoholiker und andere Drogenabhängige. „Die Kirche hat sie vergessen“, erklärt Kimindu.

Während sich Kirchen von Homosexuellen und ihren Unterstützern abwenden, sind andererseits auch Lesben und Schwule immer weniger gewillt, sich in Sonntagsgottesdiensten Predigten über ihre angebliche Sündhaftigkeit anzuhören. Die Abneigung ist so groß, dass Kasha Nabagesera, eine LGBT-Aktivistin aus Uganda, in Berlin sagte: „Wenn ich gewusst hätte, worum es hier geht, wäre ich gar nicht erst gekommen.“

In ihrem Land haben evangelikale Fundamentalisten aus den USA eine herausragende Rolle bei der Aufhetzung gegen Homosexuelle gespielt. Das Ergebnis war eine Gesetzesinitiative, die Todesstrafe für Homosexuelle einzuführen. Es gab Medienkampagnen, die öffentlich zur Ermordung von Schwulen und Lesben aufriefen. Im Januar 2011 wurde der bekannte Schwulenrechtler David Kato überfallen und zu Tode geprügelt. Kurz zuvor hatte er einen Prozess gegen eine Zeitung gewonnen, deren Hetze besonders aggressiv war.

„Die christlichen Kirchen sind ein Teil des Problems, sie sollten daher auch einen Teil zur Lösung beitragen“, mahnte Tim Kuschnerus, evangelischer Geschäftsführer der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), auf der Berliner Tagung an. Erst europäische Missionare hätten die Homophobie nach Afrika getragen, zitiert er die Studie „Boy-Wives and Female Husbands“ von Will Roscoe und Stephen O. Murray über Homosexualität in Afrika.

Peter Jörgensen von der Vereinigung Evangelischer Freikirchen unterstützt ihn in dieser Einschätzung. Die Freikirchen hätten sich zu diesem Thema bislang nicht klar positioniert, dabei gebe es in Bezug auf Gewalt gegen Homosexuelle auch den „Straftatbestand unterlassener Hilfeleistung“.

Ernsthaft schockiert über die Verfolgung Homosexueller in Afrika zeigten sich, wie Teilnehmer später berichteten, Vertreter der Katholischen Kirche bei einem nichtöffentlichen Treffen mit den LGBT-Aktivisten in Berlin. Einige, die dabei waren, bezeichnen das Treffen als „nahezu historisch“. Kasha Nabagesera, die Menschenrechtsaktivistin aus Uganda, hat ihre Einstellung zur Zusammenarbeit mit Kirchen nach dieser Begegnung vorsichtig revidiert: „Ich habe hier Menschen getroffen, die seit 20 Jahren in Uganda aktiv sind. Die können etwas verändern. Pfarrern kann man nicht den Mund verbieten.“