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Kommentar

Mordmotiv: Lesbenhass

Es ist nicht neu, dass in Südafrika gegenüber Lesben und Schwulen Gewalt angewandt wird, bis hin zu Vergewaltigung und sogar Mord. Neu ist, dass die Justiz diese Verbrechen als das ahndet, was sie sind: Hassverbrechen mit dem Motiv Homophobie.

Von Friederike Wyrwich

Im südafrikanischen Kapstadt wurden am 1. Februar 2012 vier Männer für den Mord an einer 19-jährigen lesbischen Frau zu jeweils 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Während in ähnlichen Fällen die Täter auch früher schon hohe Haftstrafen erhielten, erkannte das Gericht dieses Mal das Tatmotiv „Homophobie“ an. In der Urteilsbegründung sagte die Richterin, dass Gewalt gegen Minderheiten in Süd­afrika nicht akzeptiert werde und das Urteil als Signal zu verstehen sei.

Der Mord spielte sich in einem ähnlichen Kontext ab wie die so genannten „corrective rapes“. Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sind „korrigierende Vergewaltigungen“ erzwungener Sex mit Männern, die ihre lesbischen Opfer in heterosexuelle Frauen „umwandeln“ wollen, also quasi durch Vergewaltigung zur Heterosexualität „bekehren“ wollen.

Diese Vergewaltigungen sind für lesbische Frauen in Südafrika traurige Normalität, wie es die Gründerin eines Kapstädter Frauenfußballvereins, in dem viele Lesben spielen, ausdrückt. Etwa ein Drittel aller Frauen dieses Sportvereines wurde bereits vergewaltigt – ein Beispiel für das immense Problem und die hohen Dunkelziffern.

Offizielle Zahlen gibt es jedoch nicht. Schon seit langem wird in einzelnen Internetforen diskutiert, ansonsten herrschte über dieses Thema Stille in den südafrikanischen Medien, in der südafrikanischen Politik und auch in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Ein gängiges Argument lautet, dass schwarze Frauen in Südafrika ohnehin oft Opfer von sexueller Gewalt würden. Dass darunter nun speziell auch Lesben fallen würden, sei dann wohl nichts Besonderes.

Der jüngste Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch macht deutlich, dass bei sexuellen Übergriffen „Lesben und Transmänner am häufigsten von Unbekannten, neuen Bekannten und manchmal von Freunden überfallen“ würden. Lesben, so scheint in dem Bericht durch, sind in den Armenvierteln, den Townships, praktisch Freiwild, und die Polizei tut wenig dagegen. Frauen berichten von der Ineffizienz der Polizei bei der Verfolgung dieser Straftaten und der erneuten Traumatisierung durch die vernehmenden Polizisten, die, so heißt es bei Human Rights Watch, oftmals weniger am Tathergang als an der Frage in­teressiert seien, wie Lesben eigentlich Sex hätten.

Aber auch schwarze Lesben mit geringen Ressourcen wissen die neuen Medien zu nutzen – und hier zeigt sich, dass die Weltöffentlichkeit die alltägliche Gewalt gegen Lesben in den südafrikanischen Townships eben nicht normal findet. Ein Online-Aufruf im Jahr 2010 der Kapstädter Initiative „Luleki Sizwe“, die sich um vergewaltigte lesbische Frauen aus den Townships kümmert, genügte, um innerhalb kürzester Zeit Protestzuschriften von mehr als 170 000 Internetnutzern zu bekommen. Sie forderten vom südafrikanischen Justizministerium die Anerkennung der so genannten „korrigierenden Vergewaltigungen“ als Hassverbrechen. Diese Online-Petition bewirkte, dass sich nun auch südafrikanische Medien und eine Arbeitsgruppe der Regierung des Problems stärker annahmen.

Dass „korrigierende Vergewaltigungen“ und damit in Verbindung stehende Morde nun aber tatsächlich erstmals von einem Gericht als Hassverbrechen eingestuft wurden, ist vor allem denjenigen Aktivistinnen und Aktivisten zu verdanken, die seit dem Mord an der 19-jährigen Zoliswa Nkony­ana am 4. Februar 2006 im Kapstädter Township Khayelitsha die angemessene Verurteilung der Täter einforderten.

Es liegt ein Widerspruch darin, dass die südafrikanische Verfassung in Bezug auf die Gleichberechtigung aller sexuellen Orientierungen vorbildlich ist, aber ein Großteil der Gesellschaft diesen Wert nicht mitträgt, seien es die Kirchen, die Polizei, Schulen oder Ministerien. Das Urteil des Khayelitsha Magistrate’s Court macht deutlich, dass Gewalt gegen sexuelle Minderheiten nicht länger geduldet wird und die Täter nicht mehr automatisch auf eine Kultur der Straflosigkeit bauen können. Eine Errungenschaft, die allen von sexueller Gewalt betroffenen Frauen zugute­kommen könnte.