Pressefreiheit

Verhüllte Drohungen und offene Belästigung

Indiens Hindu-Chauvinisten behaupten, den Frieden zu lieben. Diese Botschaft ist oft doppelbödig. Leute mit autoritären Neigungen verweisen darauf, alles bleibe friedlich, wenn denn ihre Wünsche erfüllt würden. Medienschaffende, die ihnen widersprechen, werden belästigt und angegriffen.
Hindu-Fanatiker auf dem Dach der Babri-Moschee im Dezember 1992. picture-alliance/dpa Hindu-Fanatiker auf dem Dach der Babri-Moschee im Dezember 1992.

Manchmal klingen Hindu-Chauvinisten sanft, und manche haben keine formale Bindung an die Regierungspartei BJP. Beides gilt für Sri Sri Ravi Shankar, einen einflussreichen Guru mit Millionen Anhängern. Er sagt, er wolle den Ayodhya-Konflikt – das vermutlich schwierigste Problem zwischen den Religionsgemeinschaften in Indien – lösen. Es hat schon mehrfach zu schweren Krawallen mit tausenden von Toten in Indien, Pakistan und Bangladesch geführt.

Einem erstmals im 19. Jahrhundert dokumentierten Mythos zufolge wurde der Hindu-Gott Rama in Ayodhya geboren. Im 16. Jahrhundert entstand dort unter Mogulenherrschaft eine große Moschee – vermutlich an einer Stelle, wo zuvor ein Hindutempel stand, was historisch aber nicht eindeutig belegt ist. Nach einer langen, landesweiten Kampagne zerstörte Ende 1992 eine Masse fanatischer Hindus die Moschee, woraufhin blutige Unruhen ganz Südasien erschütterten. Auch die Krawalle in Bombay 1993, das Pogrom in Gujarat 2002 und diverse andere, weniger bekannte Gewaltausbrüche hatten mit Ayodhya zu tun.

Indiens Supreme Court hat den Bau eines Ram-Tempels blockiert. Das Verfahren schwebt aber noch.

Der Guru schlägt nun eine außergerichtliche Einigung vor. Die Muslime sollen das Land, auf dem die Babri-Moschee stand, den Hindus überlassen, damit der Tempel gebaut werden kann. Im Gegenzug dürften sie eine neue Moschee anderswo in der Stadt bauen. So werde Frieden geschaffen, sagt der Religionsführer. Falls die Richter aber gegen den Tempel entschieden, werde Indien wie Syrien werden.

Anhänger des Religionsführers sagten umgehend, die Syrien-Metapher sei keine Drohung, sondern eine Warnung gewesen. Objektiv richtig ist jedenfalls, dass der Kompromiss, den der Guru vorschlägt, den Wünschen der Hindu-Extremisten entspricht, und er über schreckliche Gewalt spekuliert hat, die andernfalls drohe. Seine Haltung ähnelt der der BJP, die im Wahlkampf einen neuen Tempel versprach.

Der Guru und seine Organisation Art of Living gehören formal nicht zum Netzwerk der mit der BJP verbundenen Organisationen, aber sie stehen der Regierung nahe. Ein Anhänger sitzt für die BJP im Parlament. Premierminister Narendra Modi und mehrere Kabinettsmitglieder nahmen an einem internationalen Kulturfest teil, das Art of Living 2016 in Delhi veranstaltete.

Im März gab mir Sri Sri Ravi Shankar ein Interview. Es lief nicht gut. Meine Fragen über die Propagierung der Hindu-Dominanz in einem Land mit säkularer Verfassung irritierten ihn so sehr, dass er das Gespräch plötzlich abbrach und Anhänger von ihm die Kamera ausschalteten. Zuvor war jemand in das Bildfeld getreten und hatte mich aufgefordert, „positive“ Fragen zu stellen. Alles wurde aufgezeichnet, und die Website TheWire hat das Video ungeschnitten ins Netz gestellt. Es verbreitete sich virusartig auf sozialen Medien und wurde von Millionen gesehen.

Wie zu erwarten war, wurde daraufhin eine Troll-Armee auf mich und TheWire gejagt. Es ist mir menschlich unmöglich, die genaue Zahl der Menschen zu nennen, die mir hasserfüllte Botschaften schickten. Drei Tage lang landeten hunderte von Tweets von mehreren Dutzend Leuten auf meiner Timeline.

Manche waren erbost, dass ich die Heiligkeit ihres geistigen Führers durch ernsthafte Diskussion in Frage gestellt hatte. Ich hatte schon Erfahrungen mit Trolls, aber überraschend war diesmal, dass prominente, rechtslastige Ideo­logen mit vielen Twitter-Followern ihre Macht nutzen, um mich anzugreifen. Sie wollten mich diskreditieren und zum Schweigen bringen.

Die BJP ließ verlauten, unser Video sei manipuliert. Ravi Shankars Medien-Team präsentierte ein eigenes Video und bestritt die Authentizität unserer Aufzeichnung. So verwirren sie die Öffentlichkeit.

Seine Ungeduld im Interview zeigte, dass der Guru eben doch kein ehrlicher Vermittler ist. Das widersprach seinem sorgfältig gepflegten Image, und Hindu-Chauvinisten fanden das unerträglich.


Link
Arfa Khanum Sherwanis Interview mit Sri Sri Ravi Shankar (auf Hindi):
https://thewire.in/video/watch-interview-sri-sri-ravi-shankar-faith-constitution-ayodhya