Klimawandel
Der Bedrohung begegnen
[ Von Gerald Nelson ]
Wichtige Details der langfristigen Entwicklung sind zwar noch unbekannt, gewiss aber ist, dass der Klimawandel langfristig ernsthaft die Ernährungssicherheit bedroht. Während die Politik bei den Verhandlungen zur UN-Klimarahmenkonvention darüber diskutiert, muss es oberstes Ziel sein, den Bauern bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Die Krise bei den Lebensmittelpreisen im vergangenen Jahr hat im richtigen Moment daran erinnert, dass Nahrungsmittelsicherheit nicht selbstverständlich ist.
Zugleich muss die Politik erkennen, dass verbesserte Methoden im Ackerbau und in der Viehzucht zur Treibhausgasreduktion beitragen können. Rund 29 Prozent der Treibhausgase kommen derzeit direkt aus der Landwirtschaft, aber auch indirekt durch veränderte Landnutzung.
Die gute Nachricht ist, dass einer der effektivsten Wege zur Verminderung von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft die Produktivitätssteigerung ist. Leider braucht es Zeit, bis die notwendigen Instrumente dafür entwickelt sind. Die Bauern benötigen dürre- und stressresistente Anbaupflanzen. Verbessertes Saatgut muss entwickelt und zugänglich gemacht werden. Auch neue Technologien und Infrastrukturen werden gebraucht. Verstärkte landwirtschaftliche Beratung ist zentral, um verbesserte Anbaumethoden bekannt zu machen, so dass sie genutzt werden. Diese Voraussetzungen müssen jetzt geschaffen werden, um auf den Treibhauseffekt zu reagieren.
Forschungs- und Wissenslücken
Man kann nur dann effektiv auf den Klimawandel reagieren, wenn klar ist, wie und wo er sich auf die Landwirtschaft auswirkt. Derzeit herrscht große Unsicherheit darüber, wo sich Folgen zeigen werden und wie gravierend sie sind. Landwirtschaft ist extrem standortspezifisch. Temperaturanstieg und extremere Wetterphänomene wird es weltweit geben. Die Landwirte aber wollen konkret wissen, wie ihr Standort, ihr Land und ihre Existenz betroffen sein werden. Und die nationalen Politiker interessiert, was der Klimawandel für die verschiedenen Regionen ihres Landes bedeutet.
Es existieren zwar Zahlen, doch sind es noch zu wenige und sie sind zu unsicher, um Bauern oder Politikern als verlässliche Entscheidungsgrundlage zu dienen. Weltraumbilder, kombiniert mit Beobachtungen vor Ort, könnten relativ günstig Informationen zur Landnutzung bereitstellen. Außerdem bedarf es mehr Informationen über lokale Veränderungen von Temperatur, Wetter und Migrationsmustern, über neue Schädlinge und Krankheiten sowie darüber, wie sich diese Veränderungen auf spezifische Pflanzen- und Tierarten auswirken.
Glücklicherweise gibt es bereits vielversprechende Ansätze. Der African Soil Information Service etwa hat begonnen, zentrale Bodeneigenschaften in Subsahara-Afrika digital aufzuzeichnen und zu überwachen, und zwar schnell und preisgünstig per Spektroskopie. Ähnliche Technologien sollten entwickelt und bereitgestellt werden, um das Sammeln verschiedener relevanter Daten in Entwicklungsländern zu unterstützen. Ehe diese Wissenslücken nicht geschlossen sind, können Entscheidungsträger die Folgen des Klimawandels nicht abschätzen und auch nicht für die Zukunft planen.
Datensammlung ist ein wichtiger erster Schritt, aber auch eine offene Informationspolitik und ein offener Informationsaustausch sind entscheidend. Die Bauern kennen bestens die Bedingungen vor Ort, während Forscher und Wissenschaftler globale Zahlen haben und über fortschrittliche Technologie verfügen. Beide Gruppen müssen zusammenarbeiten und ihr Wissen teilen. Es wird bereits viel Forschung betrieben, die dazu beitragen kann, dass die Landwirtschaft mit dem Klimawandel besser zurechtkommt, auch wenn das alles noch viel besser koordiniert werden muss.
Allerdings gibt es immer noch Lücken bei der Erfassung der heutigen Klima- und Agrarökosysteme. Eine Lösung wäre es, landwirtschaftliche Forschungs- und Testfelder zu entwickeln – darunter bereits existierende, von nationalen und internationalen Organisationen betriebene sowie neue –, die alle derzeitigen agrarklimatischen Zonen der Erde abdecken. So könnte man existierendes Protoplasma unter unterschiedlichsten Bedingungen testen und das Potential neuer Managementsysteme für das Klima von morgen untersuchen.
Auch neue Systeme zur Sammlung von Daten und Wissen sind zu entwickeln. Eine Pflanzenart oder eine Anbaumethode, die heute an einem Ort gut funktioniert, kann woanders und nach 20 Jahren Klimawandel für Bauern bedenklich sein. Die internationale Gemeinschaft sollte Datenbanken über landwirtschaftliche Klimawandelinformationen entwickeln, um Gendatenbanken damit zu ergänzen; Wissen und Technologien sollten offen ausgetauscht werden.
Forschung und Wissenstransfer werden vielen Bauern den Umgang mit dem Klimawandel zweifellos erleichtern (siehe Kasten). Es reicht jedoch nicht, den Bauern bei der Anpassung an das Phänomen zu helfen. Da Landwirtschaft ein derart großer Verursacher von Treibhausgasen ist, muss die Politik auch Strategien zur Emissionsvermeidung verfolgen.
Klimaschutzpotential der Landwirtschaft
Zu den potentiellen Praktiken der Reduktion gehört etwa die Entwässerung gefluteter Reisfelder einmal pro Saison, um die Methanemissionen zu senken. Tierzüchter könnten weniger, aber besser ernährte Tiere – und möglicherweise andere Arten und Rassen – halten. Landwirtschaftliche Stickstoffoxide können durch sorgfältigen Gebrauch von Nitrogen-Dünger sowie durch die Entwicklung alternativer Düngerzusätze und Nutzung natürlicher Dünger, wie Mist und Erntereste, verringert werden. Nitrifizierende Anbaupflanzen wie Hülsenfrüchte können ebenso den Stickstoffabfluss und -ausstoß verringern.
Neben der Reduktion ihrer eigenen Emissionen kann die Landwirtschaft den atmosphärischen Kohlenstoff, der in anderen Wirtschaftssektoren freigesetzt wird, binden, und zwar über und unter der Erde. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat herausgefunden, dass 90 Prozent des weltweiten technischen Klimaschutzpotentials bei der Treibhausgasbindung in Entwicklungsländern liegen. Das Bodenspeicherungspotential in der Landwirtschaft liegt bei immerhin drei Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr, was mehr als ein Viertel aller fossilen Treibstoffemissionen weltweit aufwiegen würde.
Der Kohlenstoffanteil im Boden kann durch nachhaltige Landwirtschaft und integriertes Nährstoffmanagement erhöht werden. Ähnlich wirken der Ersatz von einjährigen durch mehrjährige Pflanzen, die Bevorzugung von Pflanzen mit tiefen Wurzeln und die Bewirtschaftung von Weideland durch Rotationssysteme oder kontrolliertes Feuer. Alle diese Praktiken erhöhen die Fruchtbarkeit und Produktivität des Bodens. Die Wiederherstellung heruntergewirtschafteter Böden – die das größte Potential für eine größere Kohlenstoffspeicherung besitzen – erhöht gleichzeitig deren Produktivität. Weitere Vorteile sind eine größere Input-Effizienz sowie die Reduzierung von Bodenerosion, Ablagerung und Umweltverschmutzung.
Auch forstwirtschaftliche Methoden können zur Bodenspeicherung beitragen. Abholzung ist eine bewährte, gute Methode, aber auch in den Rotationsanbau kann Agrarforstwirtschaft effektiv einbezogen werden.
Es ist sehr wichtig, das gesamte Folgenpaket eines geplanten Klimaschutzprojekts zu bedenken. Einige Strategien senken bestimmte Treibhausgasemissionen, tragen aber auf andere Weise zur globalen Erwärmung bei. Etwa könnte eine Strategie, die Waldrodungen vermeidet, die Emissionen aus der Landwirtschaft erhöhen. Verändert man die Zusammensetzung der Nutztierherden, kann das zwar die Methanproduktion verringern, aber die CO2-Emission durch mehr Futterproduktion erhöhen. Ein integrierter Ansatz zu den Netto-Auswirkungen von Methan-, Nitrogen- und Kohlenstoff-Emissionen ist notwendig, um zu beurteilen, wie sinnvoll eine bestimmte Option ist.
Klimaschutzstrategien
Trotz der potentiellen Vorteile stehen Maßnahmen zur Erhöhung der Speicherkapazität in der Landwirtschaft nicht ganz oben auf der Agenda. Das liegt daran, dass die Entscheidungsträger nicht genug darüber wissen und zudem die Umsetzungskosten als zu hoch gelten. Es muss weiter nach Möglichkeiten gesucht werden, die Kosten zu senken: sowohl für die Speicherung selbst als auch für deren Kontrolle und Verifizierung.
Der verbesserte Zugang zum Emissionshandel ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass Klimaschutzmaßnahmen, die ein verändertes Verhalten der Kleinbauern erfordern, angenommen werden. Man hat bereits gute Erfahrungen mit finanziellen Anreizen für Landerhaltung und Wassermanagement in den Industrieländern gemacht. Politiker in Entwicklungsländern könnten ähnliche Anreize für Boden-Sequestrierung sowie Anbau und Tierhaltung schaffen, die den Methanausstoß verringern.
Solche Anreize hätten zugleich den Vorteil, das Einkommen der Bauern zu diversifizieren und sie durch mehr Ressourcen und Einbindung in breitere Netzwerke zu stärken. Um den Zugang zum CO2-Handel zu öffnen, müsste die Politik einfache Mechanismen entwickeln, die die Aktivitäten der Kleinbauern in messbare Einheiten fassen. So könnten auch Verwaltungskosten gesenkt und Monitoring, Verifizierung und Verteilung der Prämien verbessert werden.
Wichtig ist die Erkenntnis, dass Anpassung und Ausstoßverminderung sich fast immer gegenseitig bestärken. Klimaschutztechnologien können die Widerstandsfähigkeit der Bauern gegenüber dem Klimawandel stärken. Durch effektive Planung und Umsetzung sind enorme Synergien bei Anpassung, Treibhausgasreduktion, landwirtschaftlicher Produktivität und Armutsbekämpfung möglich.
Glücklicherweise ist Landwirtschaft in den UN-Klimaschutzverhandlungen kein blinder Fleck mehr. Nachdem sie anfangs vernachlässigt wurde, steht sie heute auf der Agenda. Unabhängig vom Ausgang der laufenden Gespräche sollten die Verhandlungspartner jetzt beschließen, Gelder für Anpassung und Treibhausgasreduktion durch die Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Angesichts der Anlaufszeiten für Forschung und Programmentwicklung gibt es keinen besseren Zeitpunkt, damit zu beginnen, als jetzt.