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Wahlen

Schwer berechenbar

Die Unruhen nach den Präsidentenwahlen in Kenia erklärten viele Medien mit ethnischen Unterschieden. Laut ­einer Studie gibt es aber keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Ethnizität und Wählerverhalten in Afrika.

Hilfsorganisationen wie Oxfam oder die Welthungerhilfe betonten, Ursache für die Auseinandersetzungen in Kenia seien nicht ethnische Differenzen, sondern die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich in dem ostafrikanischen Land. Doch generell blieb der Eindruck hängen, der amtierende Kikuyu-Präsident Kibaki habe den Kandidaten der Luo, Odinga, um den Wahlsieg betrogen. Und das obwohl Odinga bei der letzten Wahl vor fünf Jahren in einer Koalition mit Kibaki angetreten war und so „die Stimmen der Luo ins Kibaki-Lager gerettet“ hatte, wie es in einem Artikel der Wochenzeitung Das Parlament hieß.

Aber hat die ethnische Zugehörigkeit überhaupt das Wählerverhalten bei dieser und bei der letzten Präsidentenwahl in Kenia bestimmt? Das dürfte schwierig zu ermitteln sein, folgt man den Ergebnissen einer neuen Studie des Afrikawissenschaftlers Gero Erdmann vom German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Erdmann kommt zu dem Ergebnis, dass es einerseits naheliegt, in Afrika von der ethnischen Identität auf das Wählerverhalten zu schließen. Andererseits werde dieser Zusammenhang zwar oft behauptet, er sei bisher allerdings keineswegs belegt.
Naheliegend sei der Schluss deshalb, weil – zumindest in westlichen Gesellschaften – Wählerverhalten bislang überzeugend mit gesellschaftlichen Bruchlinien erklärt werden konnte – etwa zwischen Kapital und Arbeit, Stadt und Land oder kirchlichem und säkularem Umfeld. Viele Parteien in den alten Industrieländern sind in den vergangenen 150 Jahren aus diesen Milieus hervorgegangen und haben aus ihnen ihre Wähler rekrutiert. Erst seit einigen Jahren verlieren diese alten Bindungen an Wirkung.

In Afrika haben die genannten Brüche nie die Bedeutung erlangt, die sie im Wes­ten hatten, erläutert Erdmann. Dagegen spielt die ethnische Zugehörigkeit eine – mal mehr, mal weniger – große Rolle für die Identität. Daraus machen auch Afrikaner keinen Hehl, schreibt Erdmann. Es sei deshalb plausibel, die Bruchlinien-These auf die afrikanischen Ethnien anzuwenden. Allerdings ist es laut Erdmann bislang nicht gelungen, eindeutig ethnisch bestimmtes Wählerverhalten nachzuweisen.

Das sei eigentlich auch nicht erstaunlich. Denn zum einen sei die ethnische Zugehörigkeit nicht immer klar bestimmbar: In der Regel gebe es Überschneidungen zwischen Gruppen, Abspaltungen oder Untergruppen. Zum anderen sei ihr Einfluss auf Identität und Verhalten keine unveränderliche Größe. Beispiel Kenia: Während der Luo Odinga 2002 noch an der Seite Kibakis gekämpft hatte, betonte er vor den jüngsten Wahlen den ethnischen Unterschied zur Partei des Präsidenten. Erdmann selbst legt deshalb am Ende seiner Studie die ethnische Brille wieder ab und empfiehlt, die Forschung solle sich auf die allgemeinere Frage konzentrieren: „Was treibt den afrikanischen Wähler an?“ (Siehe auch Kommentar auf S. 86.) (ell)

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