Nachhaltige Bioenergie
Es kommt auf das Wie an
[ Von Karin Boschert und Nina V. Michaelis ]
In seinem Gutachten „Welt im Wandel: Zukunftsfähige Bioenergie und nachhaltige Landnutzung“ weist der WBGU auf die Tendenz hin, auf Biokraftstoffe für den Verkehr zu fokussieren. Dabei müsse aber der Blickwinkel dringend erweitert werden: Auf die richtige Herstellung und Nutzung komme es an, gerade bei Großproduktionen bestünden Risiken. Sinnvoll wäre nach Ansicht der Experten eine Zwei-Säulen-Strategie zur Nutzung von Bioenergie in Entwicklungsländern: Zum einen für die ländliche Energieversorgung, zum anderen zur Modernisierung der Energiesektoren und für den Export.
Auf dem Land
Bioenergie kann entscheidend zur Energieversorgung und damit zur Armutsbekämpfung beitragen. Rund 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu bezahlbarer und sicherer Energie. 90 Prozent der heutigen Bioenergie wird aus traditioneller Nutzung gewonnen: Zum Kochen oder Heizen werden in Entwicklungsländern weiterhin vor allem Holz, Dung oder Ernteabfälle verwendet. 1,5 Millionen Menschen im Jahr sterben an den Gesundheitsfolgen der Rauchentwicklung, die dabei entsteht – mehr als an Malaria. Frauen und Mädchen verbringen zudem viel Zeit mit der Beschaffung von Brennmaterial, die ihnen für Bildung und Erwerbstätigkeit dann fehlt. Wälder werden abgeholzt und Steppen zerstört. Das trägt zur Verschlechterung des Anbaubodens und damit zum Klimawandel bei.
Schon kleine Veränderungen bieten beträchtliche Entwicklungschancen für große Bevölkerungsgruppen. Dazu zählen bessere Holz- und Holzkohleherde, Kleinbiogasanlagen sowie lokal produziertes Pflanzenöl für Stromgeneratoren, mit denen mechanische Energie für Mühlen, Wasserpumpen oder den Transport erzeugt werden kann. Effizientere Biomasseherde kommen mit mindestens einem Viertel weniger Holz aus, wodurch die Versorgungssicherheit steigt und Gesundheitsrisiken sinken. Die Eignung von Technologien ist aber immer vor Ort zu prüfen.
Bessere Nutzung von Bioenergie spielt im Kampf gegen die Armut eine wichtige Rolle, wie schon beim Gipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg festgestellt wurde. Fortschritte beim Einsatz effizienter Kochstellen sind viel versprechend: Derzeit werden weltweit 220 Millionen sparsame Herde genutzt. Etliche öffentliche Programme und auch der freie Markt haben dazu beigetragen.
Dennoch geht es zu langsam voran. Leider dominieren konventionelle „moderne“ Systeme nach wie vor die Vorstellungen zur Erzeugung und Nutzung von Energie. Große Infrastrukturprogramme sind für Geberorganisationen, Regierungen in Entwicklungsländern und private Investoren attraktiver als kleine, dezentrale Anwendungen in dünn besiedelten Regionen. Regierungen haben die Möglichkeit, Biomasse zu nutzen, oft unterschätzt und daher nicht in diese Technologien investiert. Auch sind viele ländliche Haushalte nicht ausreichend informiert und daher skeptisch gegenüber neuen Technologien und Folgekosten. Da es auch scheinbar noch genügend Feuerholz gibt, besteht bislang wenig Druck, etwas zu ändern.
Die Entwicklungszusammenarbeit kann aber neue Prioritäten setzen. Ein internationales Ziel sollte es sein, bis zum Jahr 2030 aus gesundheitsschädlichen Formen der Bioenergienutzung auszusteigen. Das könnte über Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, vor allem auch über Mikrokredite und öffentlich-private Partnerschaften finanziert werden.
Export und Modernisierung
Der WBGU zeigt in seinem Gutachten, welches Potential der nachhaltige Anbau von Energiepflanzen in tropischen und subtropischen Breiten hat – einer Modellrechnung nach könnte der Energiepflanzenanbau sechs bis 25 Prozent der heutigen Energienachfrage decken. Von diesem globalen Potenzial entfallen 22–24 Prozent auf Mittel- und Südamerika, 12–15 Prozent auf Afrika südlich der Sahara, 12–13 Prozent auf China und angrenzende Länder, 7–8 Prozent auf die GUS-Staaten sowie 3–6 Prozent auf Südasien. Flächen für Nahrungssicherheit und Naturschutz sollen nicht für den Energiepflanzenanbau verwendet werden und wurden deshalb in die Berechnung nicht einbezogen.
Für die Nutzung dieser Potenziale bedarf es eines Rahmens, der es Betroffenen ermöglicht, die Nachhaltigkeitsbedingungen einzuhalten. Ansonsten droht eine negative Klimabilanz, der weitere Verlust an biologischer Vielfalt sowie die Verdrängung kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Es bleibt die Aufgabe nationaler Politik, diese Risiken zu vermeiden und Bioenergieproduktion nachhaltig zu gestalten.
Um nicht mit der bestehenden Landnutzung in Konflikt zu geraten, sollte vor allem die Energieerzeugung aus biologischen Abfall- und Reststoffen gefördert werden. In vielen Entwicklungsländern fallen beispielsweise in der Fischerei, in Sägewerken, Tee- und Kaffeeplantagen beträchtliche Mengen nutzbarer Abfall- und Reststoffe an.
Der gezielte Anbau von Energiepflanzen in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion ist aber insbesondere in Entwicklungsländern riskant und sollte daher ausschließlich auf marginalem Land, also auf landwirtschaftlich schlecht genutztem sowie minderwertigen und degradierten Böden, gefördert werden. Die sozialverträgliche Erschließung der Flächen ist wichtig. Auch die Wahl der Anbausysteme ist entscheidend: Mehrjährige Kulturen wie Jatropha, Ölpalme, Zuckerrohr und Kurzumtriebsplantagen sind besser als Anbaukulturen wie Raps, Getreide oder Mais; ebenso sind Mischkulturen den Monokulturen vorzuziehen. Geeignete Anbausysteme können zusätzlich die Bodenqualität verbessern und somit die Ausweitung von Wüsten abschwächen.
Auch wo Bioenergie eingesetzt wird – etwa in der Strom- und Wärmeversorgung oder im Verkehrssektor –, spielt eine zentrale Rolle. Um das Klima zu schützen, sollten gerade fossile Energieträger mit hohem CO2-Ausstoß durch Bioenergie ersetzt werden. Daher ist es wichtiger, Bioenergie zur Stromerzeugung zu nutzen, statt Biokraftstoffe für den Transport herzustellen.
Verbrennung von Biomasse in Kraftwerken ist dort besonders günstig, wo viel Kohle in der Stromerzeugung genutzt wird – etwa in Indien und China. Das hat den weiteren Vorteil, dass die Abwärme über Kraft-Wärme-Kopplungen genutzt werden kann. Auch der Einsatz von Flüssigkraftstoffen – wie Pflanzenöl und Bioethanol – in Blockheizkraftwerken (BHKW) ist für den Klimaschutz besser als deren Einsatz im Verkehr. In Ländern wie Uganda, in denen Strom größtenteils durch Wasserkraft erzeugt wird, ist der Einsatz von Biomasse als Flüssigkraftstoff sinnvoll. Fossile Kraftstoffe können dadurch ersetzt werden.
Eine noch größere Klimaschutzwirkung hätte es allerdings, wenn Biomasse zur Stromerzeugung exportiert würde. Um neue Technologien zu fördern und einen effektiven Technologietransfer zu ermöglichen, sollten ökologisch und sozial nachhaltige Anbau- und Umwandlungsweisen der Bioenergie gefördert werden. Internationale Klimaschutzinstrumente könnten bei geringen Kosten und hoher Klimaschutzwirkung zur Finanzierung eingesetzt werden.
Um Bioenergie zum Umbau nationaler Energiesektoren zu nutzen und Energiepflanzen großflächig anzubauen, brauchen die entsprechenden Entwicklungs- und Schwellenländer Strategien, um die Voraussetzungen für eine nachhaltige Produktion zu überprüfen. Die Akteure der EZ sollten die Partnerländer dabei unterstützen und darauf hinwirken, dass Mindeststandards für die Förderung eingehalten und Regulierungskapazitäten zur Planung der Landnutzung, Zertifizierung und Ernährungssicherung gestärkt werden.
Eine nachhaltige Produktion und Nutzung von Bioenergie wird letztlich jedoch auch durch internationale Rahmenbedingungen begünstigt. Der Abbau von Handelsschranken ermöglicht es den Ländern des Südens, im internationalen Vergleich günstig produzierte Bioenergie zu exportieren.
Durch Handelspartnerschaften zwischen Anbieter- und Nachfrageländern kann freier Zugang zum Markt gewährt werden – sofern eine nachhaltige Produktion zugesichert wird. Um insbesondere tropische Urwälder vor einer Umwandlung in Anbauflächen zu schützen, sollten internationale Ausgleichszahlungen organisiert werden, die das ausfallende Einkommen in der Land- und Forstwirtschaft kompensieren. Ein Ausbau der Bioenergie sollte mit einer Stärkung der Landwirtschaft einhergehen, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Bioenergie pauschal abzulehnen, wäre falsch: Sie kann viel zur Energieversorgung in ländlichen Gebieten beitragen und bietet darüber hinaus Modernisierungschancen für Energiesysteme sowie für ländliche und wirtschaftliche Entwicklung – sofern der Rahmen dafür richtig gesetzt wird.