Entwicklung und
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Urbanisierung

Straße zum Wohlstand

In vielen Entwicklungsländern kümmern sich politische Entscheidungsträger kaum um kleine und mittlere Städte. Dabei wachsen diese oft rasant – nur die bestehende Infrastruktur hält nicht mit. Das muss sich dringend ändern, wie etwa das Beispiel der Stadt Tamale im Norden Ghanas zeigt.
Während der Regenzeit werden die Straßen in Tamale zu Schlamm. Screenshot: google earth Während der Regenzeit werden die Straßen in Tamale zu Schlamm.

Tamale ist eine Stadt mit 360 000 Einwohnern. Betrachtet man die Straßen in und um die Stadt, würde niemand auf die Idee kommen, dass es eine der am schnellsten wachsenden Städte Westafrikas ist. Die Straßen sind marode und nicht instand gehalten, wegen der tiefen Schlaglöcher haben alle Arten von Fahrzeugen ständig Pannen. In der Regenzeit ist alles voller Schlamm. Nachts zu reisen ist doppelt gefährlich, da kaum ein Straßenlicht funktioniert.

Dabei entwickelt sich Tamale gerade zu einem regionalen Wirtschaftszentrum, das die Bauern der umliegenden Gemeinden mit den Märkten im Süden des Landes verbindet und den Handel mit Togo im Osten und dem Binnenstaat Burkina Faso im Norden ermöglicht. Tamale liegt auch strategisch günstig: als Drehscheibe für den Handel mit Ghana und anderen Mitgliedstaaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States – ECOWAS), darunter Niger, Nigeria, Mali und Elfenbeinküste.

Tamale ist der Bevölkerungszahl nach Ghanas drittgrößte Stadt, nach Accra und Kumasi. Wegen ihrer wichtigen Lage im Norden des Landes und den daraus resultierenden Handelsmöglichkeiten bietet die Stadt ein Beispiel dafür, wie gute Infrastruktur das Wirtschaftswachstum einer Region fördern kann.

Die Weltbank erkannte die wirtschaftliche Bedeutung der Stadt und gewährte ihr 2017 ein Darlehen von 150 Millionen Dollar. Damit sollen die Hauptstraße zwischen Tamale und Tatale an der Ostgrenze zu Togo sowie Zubringerstraßen von etwa 200 Kilometer Länge ausgebaut werden. Diese verbinden die umliegenden landwirtschaftlichen Gebiete mit den städtischen Märkten.

Zudem hat Ghana einen Vertrag mit der chinesischen Sinohydro Corporation über den Bau eines Verkehrsknotenpunkts geschlossen, der den Stadtverkehr entlasten soll. Das Tamale-Interchange-Projekt, das den Bau von zehn Kilometer langen Verbindungsstraßen zu diesem neuen Verkehrsknotenpunkt umfasst, könnte bis Ende 2021 abgeschlossen sein.

Solche Projekte – und überhaupt die Auseinandersetzung mit der Verkehrsinfrastruktur – sind dringend nötig. Bisher mindern die schlechten Verkehrsverbindungen Tamales Potenzial als Wirtschaftszentrum. Eine bessere Anbindung würde Bauern den Markt zugänglich machen und jegliche Geschäftstätigkeit erleichtern. Verstopfte Straßen, auf denen weder Recht noch Gesetz herrschen, verlangsamen hingegen das Wirtschaftswachstum.

Warnende Stimmen kommen aus dem Tourismus. Der niederländische Tourist Anakin erlebte kürzlich auf einer Reise nach Tamale weit Schlimmeres als Schlaglöcher. „Bewaffnete Räuber haben unser Auto angegriffen und uns Geld und Telefone weggenommen“, erzählt er. „Genau dort, wo die Straße schlecht war und der Fahrer langsam fahren musste.“ Wegen der schlechten Straßenverhältnisse und der somit ansteigenden Kriminalität meiden viele Touristen historische Stätten wie den Sklavenmarkt von Salaga in der Nähe von Tamale.

Verbrechen, die man in der Stadt bisher nicht kannte, nehmen zu – einige davon sind auf die schlechten Straßenverhältnisse zurückzuführen. „Früher gab es hier keine Entführungen und Autodiebstähle, jetzt gibt es das alles bei uns,“ sagt der in Tamale lebende Dauda Ali.

Tückisch sind die Straßen Tamales jedoch auch ohne Kriminalität. Stau und ein aggressiver Fahrstil machen den Verkehr chaotisch. Fußgänger überqueren achtlos die Straßen, streunende Tiere blockieren die Fahrbahnen.

Klar ist: Kleine, strategisch günstig gelegene Städte wie Tamale können nur dann eine Schlüsselrolle für die regionale Wirtschaft spielen, wenn die Infrastruktur mit dem Wachstum Schritt hält. Das gilt für schnell wachsende Kleinstädte in ganz Afrika, Südasien, Südostasien und Lateinamerika gleichermaßen.


Alltäglicher Ärger

Behutsam steuert Abdul Ganiyu Mahama sein motorisiertes Dreirad und versucht erfolglos, Schlaglöchern auf der Straße zwischen dem bei Tamale gelegenen Kpalsi und dem Stadtzentrum auszuweichen. Das Dreirad, mit dem er sein Liefergeschäft betreibt, geht regelmäßig kaputt. „Pro Woche bin ich etwa viermal bei der Reparatur. Man muss immer vorsichtig fahren. Das behindert das Geschäft. An manche Orte fahre ich sogar nicht, weil die Straßen zu unsicher sind“, sagt er.

Das Problem betrifft viele. „Es ist mühsam, landwirtschaftliche Produkte aus abgelegenen Gebieten über marode Straßen auf den Markt zu bringen“, sagt die Getreidehändlerin Mariama Abubakari. „Besonders problematisch ist es in der Regenzeit, weil dann kaum ein Lastwagen fahren kann“, ergänzt sie. „Die meisten Fahrer meiden solche Straßen. Wer sie doch befährt, verlangt wegen der hohen Pannengefahr viel Geld dafür. Am Ende geht das meiste deiner Einnahmen für den Transport drauf.“

Das ghanaische Ministerium für Autobahnen erkennt den Handlungsbedarf – 61 Prozent der Straßen sind seiner Einschätzung nach schlecht. Das Land benötigt für die Reparaturen bis zu zehn Milliarden ghanaische Cedis, etwa 1,6 Milliarden Euro.

Es ist unvorteilhaft, dass drei Behörden für Ghanas Straßen zuständig sind: das Department of Urban Roads für die Stadtstraßen, eine andere Behörde für die Zubringerstraßen und die Ghana Highways Authority für die innerstädtischen Hauptverkehrsadern.

In vielen Entwicklungsländern haben kommunale und städtische Behörden bei der lokalen Infrastruktur kaum ein Mitspracherecht. Das ist ein destruktives koloniales Erbe: Unter ausländischer Herrschaft wurden alle wichtigen Entscheidungen in der Hauptstadt getroffen.

Ungünstig ist auch, dass es in der Region Tamale keinen modernen internationalen Flughafen gibt, auf dem große Gütermengen abgefertigt werden könnten. Und dass in der Region viele Bauten ohne Genehmigung errichtet wurden, macht die Flächennutzung schwer planbar.

Kern des Problems ist: Viele Straßen in und bei Tamale wurden vor Jahrzehnten entsprechend den damaligen Bedürfnissen der Bevölkerung gebaut. Während Bevölkerung und Verkehr wuchsen, blieb das Straßennetz, wie es war.

Auch der Personen- und Gütertransport auf verstopften Straßen ist Teil des Problems. Zudem begünstigen chaotische Bedingungen und unzureichende polizeiliche Überwachung Kriminalität. „Sicher ist es hier nicht“, bestätigt Mohammed Kande Ruth, der im Zentrum von Tamale Kleidung verkauft.


Maxwell Suuk arbeitet als Journalist in Ghana.
Twitter: @MaxwellSuuk