Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Geschlechtergerechtigkeit

Frauen brauchen Chancen auf Bildung und Arbeit

Um echte Gleichberechtigung zu erreichen, müssen wir Frauen stark machen. Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt müssen endlich aufhören. Entscheidend dafür ist, Frauen den Zugang zu Bildung und Arbeit zu ermöglichen.
Arbeitsplätze sind wichtig: Frauen in der Keramikherstellung in Dhaka, Bangladesch. picture alliance / ZUMAPRESS.com / Mustasinur Rahman Alvi Arbeitsplätze sind wichtig: Frauen in der Keramikherstellung in Dhaka, Bangladesch.

Die heutige Schieflage zwischen den Geschlechtern ist über Jahrtausende gewachsen. Sozio-kulturelle Traditionen und wirtschaftliche Prozesse spielten dabei eine wichtige Rolle. Die Folgen dieser Entwicklung rückgängig zu machen, ist alles andere als einfach – aber machbar.

Weltweit sind Frauen auf verschiedenste Arten benachteiligt: Sie haben weniger Chancen auf Bildung und Arbeit und besitzen weniger materielles und immaterielles Vermögen. Selbst wenn Frauen genauso kompetent sind und die gleiche Arbeit machen wie Männer, werden sie oft schlechter bezahlt. Dieses Lohngefälle besteht weiterhin überall auf der Welt. Außerdem leisten Frauen überall einen unverhältnismäßig hohen Teil der Hausarbeit und der unbezahlten Pflege und Fürsorge.

Zwei weitere wichtige Phänomene, die ebenfalls weltweit auftreten, sind:

  • Frauengesundheit erfährt zu wenig Beachtung und
  • Frauen sind in besonderem Maße Gewalt ausgesetzt.

Wirklich vollumfängliche Gleichstellung gibt es nirgendwo. Im internationalen Vergleich liegen die Regionen mit den größten Ungleichheiten im globalen Süden. Um das zu ändern:

  • brauchen Frauen besseren Zugang zu materiellen und immateriellen Ressourcen,
  • müssen sie mehr Mitspracherecht bekommen, sowohl in privaten wie in öffentlichen Angelegenheiten, und
  • muss das Wohl von Frauen und Mädchen den gleichen Stellenwert erhalten wie das von Männern und Jungen.

Formale Bildung spielt dabei eine entscheidende Rolle, auch wenn sie nicht alle Probleme löst. Lese-, Schreib- und Rechenkompetenzen sind extrem wichtig (siehe hierzu meinen Beitrag auf www.dandc.eu). Ohne sie kann sich niemand selbstständig informieren oder richtig mit Geld umgehen.

Eine solide Schulbildung stärkt zudem die kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten: Frauen lernen, welche Rechte sie haben und wie sie Zugang zu staatlichen Institutionen bekommen, etwa zu Gerichten. Auch komplexere Finanzdienstleistungen sind vor allem gebildeten Menschen zugänglich.

Besserer Zugang zu Bildung

Mädchen und Frauen verdienen deshalb endlich einen besseren Zugang zu Primär-, Sekundär- und Tertiärbildung. Sie liegen hier immer noch hinter ihren männlichen Altersgenossen zurück. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen lag die Einschulungsquote in weiterführende Schulen 2010 für Mädchen bei nur 34 Prozent – gegenüber 41 Prozent bei Jungen (siehe Esther Duflo, 2012). In Südasien und Subsahara-Afrika hat sich das Bildungsgefälle zwischen 1960 und 2010 vergrößert. In beiden Regionen gingen Jungen 2010 im Median mehr als drei Jahre länger zur Schule als Mädchen (siehe Evans et al., 2020).

Laut der dänischen Wirtschaftswissenschaftlerin Ester Boserup, einer Pionierin auf den Gebieten Gender und Entwicklungsarbeit, ist formale Bildung der Schlüssel zu besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie schrieb 1970, dass Mädchen hier zwangsläufig im Nachteil seien, solange sie unter einem doppelten Handicap leiden müssten: einer familiären Erziehung, die ihnen ein geringes Selbstwertgefühl vermittelt, und schlechteren Ausbildungsmöglichkeiten im Vergleich zu Jungen.

Um Geld zu verdienen, müssen Frauen in der Regel erwerbstätig sein. Verdienen sie genug, können sie sparen und ein eigenes Vermögen aufbauen. Historisch gesehen geschieht dies vor allem in Gesellschaften, in denen sich auch der Status der Frau verbessert hat. Überall dort, wo viele Frauen durch Erwerbsarbeit finanziell unabhängiger wurden, gingen auch die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten insgesamt zurück.

Beispielsweise haben ostasiatische Länder wie Taiwan und Südkorea hier größere Fortschritte gemacht als südasiatische Länder wie Indien und Pakistan. Der Rückgang der Ungleichheit in diesen Regionen liegt laut der Gender-Historikerin Alice Evans (2021) daran, dass mehr Frauen erwerbstätig sind.

Positive Dynamik

Auch in Bangladesch hat eine solche Aufwärtsdynamik eingesetzt: Frauen beweisen sich mehr und mehr in der formellen Erwerbsarbeit und lenken dadurch die Aufmerksamkeit auf bessere Bildung von Mädchen. Zugleich erhöht diese bessere Bildung wiederum die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Die Folge: Während Bangladesch lange Zeit als „hoffnungsloser Fall“ galt, rangiert das Land heute im Gender Gap Index des Weltwirtschaftsforums vor Indien, Pakistan und Sri Lanka. Auch bei den Millenniums-Entwicklungszielen war Bangladesch regional führend. Die Alphabetisierungsrate ist relativ hoch und die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate niedrig.

Bildung und Erwerbsarbeit helfen Frauen, auch in der Familie und im öffentlichen Leben selbstbewusster aufzutreten. Insbesondere die Anzahl der Kinder in einer Familie hängt wesentlich mit dem Bildungsstand von Frauen zusammen, deshalb ist fundierte Sexualaufklärung besonders wichtig (siehe hierzu Aditi Roy Ghatak auf www.dandc.eu). Verhütungsmittel werden umso häufiger genutzt, je besser Frauen über Fortpflanzungsgesundheit Bescheid wissen und je emanzipierter sie gegenüber ihren Männern sind.

Studien zeigen, dass das Mitspracherecht von Frauen im Familienleben mit steigendem Einkommen und Bildungsgrad zunimmt. Gleichzeitig nimmt die häusliche Gewalt ab. Gebildete Frauen leiden seltener unter Misshandlungen, und wer selbstbewusst ist, kann auch unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche und Belästigungen bestimmter zurückweisen. Weltweit genießen Vergewaltiger immer noch weitgehend Straffreiheit, und Analphabetismus und finanzielle Abhängigkeit erschweren es Frauen, die Täter vor Gericht zu bringen.

Bildungseinrichtungen spielen oft eine wichtige Rolle dabei, Geschlechterfragen ins Bewusstsein zu holen. In patriarchalen Gesellschaften neigen Frauen dazu, ihre Lebensumstände als unabänderlich zu akzeptieren (siehe Mahwish Gul auf www.dandc.eu). Wo Mädchen über Generationen hinweg von formaler Bildung ausgeschlossen wurden, fällt es ihnen schwerer, sich gegen Ausgrenzung zu wehren.

Gerade außerhalb des Elternhauses können sich Mädchen und junge Frauen auf neue Weise frei fühlen. Besonders wichtig sind Schulen und Universitäten (siehe hierzu Ipsita Sapra auf www.dandc.eu). Dort lernen Schülerinnen oft, anerzogene Einstellungen und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Wenn sie mit Gleichaltrigen über Erfahrungen mit Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung sprechen, wird vielen klar, dass die Unterdrückung von Frauen ein strukturelles Problem ist. Entsprechend engagieren sich gebildete Frauen eher in zivilgesellschaftlichen Organisationen, sozialen Bewegungen und politischen Parteien.

Gesundheit ist wichtig

Man kann außerdem gar nicht genug betonen, wie sehr Bildung die Gesundheit von Frauen beeinflusst. Wenn sie sich in Ernährungsfragen gut auskennen, kommt das der ganzen Familie zugute. Auch ein besserer Zugang zu Verhütungsmitteln sowie Schwangerschaftsvor- und -nachsorge ist wichtig. Und wo weniger häusliche Gewalt herrscht, verbessert sich sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit der Frauen. Davon profitieren oft auch ihre Kinder.

Formale Bildung und Beschäftigung sind jedoch kein Allheilmittel. Auch in Bildungseinrichtungen und am Arbeitsplatz gibt es Diskriminierung und Missbrauch, oft sogar in beträchtlichem Ausmaß. Frauen sind hier nach wie vor Gewalt ausgesetzt. Auch die Aufgaben im Haushalt sind weiterhin ungleich verteilt. Um Gleichberechtigung zu erreichen, braucht es deshalb staatliche Maßnahmen. Zugleich bleibt es Aufgabe der Politik, auch die Bildungs- und Beschäftigungschancen weiter zu verbessern. Letztlich sollte sie alles daran setzen, die erwähnten positiven Dynamiken in Gang zu setzen – für echten Fortschritt.


Links und Literatur

Boserup, E., 1970: Woman’s role in economic development. (Nachdruck in: Boserup, E., Tan, S. F., & Toulmin, C.: 2013. London, Routledge).

Duflo, E., 2012: Women empowerment and economic development. Journal of Economic Literature, 50(4), 1051-79.
https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/jel.50.4.1051 (Paywall)

Evans, A., 2021: How did East Asia overtake South Asia?
https://www.draliceevans.com/post/how-did-east-asia-overtake-south-asia

Evans, D., Akmal, M., and Jakiela, P., 2020: Gender gaps in education. Center for Global Development, Working Papers 523.
https://www.cgdev.org/publication/gender-gaps-education-long-view


Sundus Saleemi ist Wissenschaftlerin am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn. Sie promovierte dort kürzlich mit einer Dissertation über die Alphabetisierung von Frauen in Pakistan.
sundus.saleemi@gmail.com