Multilateraler Gipfel

„Sehr solides Fundament“

Ende vergangenen Jahres fand das vierte High Level Forum on Aid Effectiveness im südkoreanischen Busan statt. Ähnliche multilaterale Gipfel gab es 2003 in Rom, 2005 in Paris und 2008 in Accra. Schon früh erklärten sie „Managing for Results“ zu einem Leitprinzip (siehe Kasten von Vera Dicke). In der Abschlusserklärung von Busan ist nun vom „Focus on Results“ die Rede. Hans Dembowski sprach über die Bedeutung dieser Neuformulierung mit Antonio Tujan Jr. von BetterAid, dem interna­tionalen Dachverband zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Interview mit Antonio Tujan Jr.

Bisher schien „Managing for Results“ ein politisch korrekter Slogan zu sein, aber nicht viel Substanz zu haben. Stimmt das?
Ja, bis zu einem gewissen Grad. Seit dem High Level Forum in Paris wurde zwar tatsächlich einiges getan, um die Entwicklungshilfe-Modalitäten zu verändern, aber das reichte nicht aus, um die Lebensbedingungen der Armen deutlich zu verbessern.

Was ist schiefgelaufen?
Aus verschiedenen Gründen taten sich viele Regierungen damit schwer, was „ergebnisorientiertes Management“ sein sollte.
– Die statistischen Kapazitäten vieler Entwicklungsländer sind recht begrenzt, so dass es ihnen schwerfiel, umfangreiche Daten zu liefern.
– Zudem war das Verständnis des Begriffs zunächst recht oberflächlich, und später empfanden Regierungen dann einige Output-Indikatoren als Last.
Andererseits wurden „Communities of Practice“ gebildet, um sich untereinander auszutauschen, technische Hürden zu überwinden und Kapazitäten aufzubauen. Es wurde wirklich einiges getan.

Mit Erfolg?
Meiner Ansicht nach hat sich an der Praxis der Politik­implementierung und der Art, wie Ergebnisse angestrebt werden, kaum etwas verändert. Es gab einfach zu viele große Herausforderungen.
– Zunächst ist da die Frage, über wessen Ergebnisse eigentlich gesprochen wird. Die Geber interessierten sich jeweils für bestimmte Indikatoren, die davon abhingen, auf welche Resultate sie Wert legten. Die Geberprioritäten decken sich aber nicht unbedingt mit denen der Regierungen von Entwicklungsländern, und diese können sich wiederum durchaus von denen der Menschen in diesen Ländern unterscheiden.
– Die zweite Frage ist, auf welche Art Ergebnisse wir abzielen. Vielfach wurde der Fokus auf das Output gelegt, etwa die Zahl der Klassenzimmer oder der Krankenhausbetten. Diese Art von Output ist natürlich wichtig, reicht aber nicht, um zu beurteilen, ob sich das Leben der Armen verbessert. Daher waren viele zivilgesellschaftliche Organisationen und Parlamentsabgeordnete damit unzufrieden.
– Das dritte Problem war, dass sich in vielen Ländern unterschiedliche Ministerien und Behörden nicht auf einheitliche Indikatoren stützen. Wenn verschiedene Stellen unterschiedliche Statistiken verwenden, wird es sehr schwierig, ein klares Bild davon zu bekommen, was vor sich geht und wie sich die Dinge verbessern lassen.

Im Abschlusspapier des Gipfels – der „Busan Partnership for Effective Development Cooperation“ – ist vom „Fokus auf Ergebnisse“
die Rede. Inwiefern unterscheidet sich das von dem früheren Prinzip des Managing for ­Results?

Das alte Konzept wurde trotz aller guten Intentionen sehr bürokratisch gehandhabt. Diskussionen kreisten ständig darum, was Behörden wann tun sollten. Die Aufmerksamkeit richtete sich auf technische Verwaltungsfragen, und darüber verloren staatliche Stellen ihre eigentlichen Ziele aus den Augen. Sie überprüften nicht, welche Dienstleistungen sie bereitstellten und was sie damit bewirkten. Der neue Leitsatz soll die Wirkungsbewertung an erste Stelle rücken. Und das ist auch im Sinne vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen wie Geber. Wir wollen keine Technokratie; unser Interesse ist zu verstehen, wie bessere Ergebnisse erzielt werden können.

Vor Busan schrieben Sie in E+Z/D+C (2011/9 S. 340 f.), die zentrale Frage sei, Ownership als demokratische Ownership neu zu definieren. Wer kann garantieren, dass die Regierungen so handeln, wie es den Bedürfnissen der Menschen entspricht?
Mir gefällt, dass die Busan Partnership „inklusive Entwicklung“ betont. Dieser Begriff bedeutet, dass immer alle relevanten Akteure einbezogen werden sollen – ob auf Projektebene, Programmebene oder nationalstaatlicher Ebene. Wenn tatsächlich alle relevanten Akteure mitwirken, dann zeigt sich, dass nichtstaatliche Akteure und Parlamente für die Ergebnissicherung wichtig sind. Abgeordnete stehen ebenso mit der Bevölkerung in Verbindung wie das Graswurzelorganisationen tun. Wenn sie einbezogen werden, hilft das Behörden, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren. Übrigens hört man dieselben Argumente aus dem Privatsektor. Privatwirtschaftliche Unternehmen interessieren sich auch dafür, was Regierungshandeln bewirkt.

Stimmen die Forderungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Privatwirtschaft bezüglich der Rolle der Regierungen in Entwicklungsländern überein?
Ja und nein. Beide wollen, dass der Staat seine Arbeit tut. Selbstverständlich müssen seine Beamten die Leistungen erbringen, die ihrem Auftrag entsprechen. Aber in ihren Zielen unterscheiden sich Zivil­gesellschaft und Privatsektor. Zivilgesellschaftliche Organisationen wollen vor allem die Lebensbedingungen der Armen verbessern, während es Unternehmen um Geschäftschancen und ein besseres Investitionsklima geht.

Erwarten Sie, dass die Busan-Partnerschaft sich für die Armen positiv auswirkt?
Ich halte sie für vielversprechend. Die Leitidee ist, dass die Entwicklungsländer ihre eigenen Ergebnisvorgaben in Zusammenarbeit mit verschiedenen Entwicklungspartnern einschließlich der Geber definieren. Dieser Ansatz ist sinnvoll, sofern die Entwicklungsländer wirklich die Verantwortung für den Prozess tragen und zivilgesellschaftliche Standpunkte berücksichtigt werden. Entwicklungsergebnisse sollten zudem als Rechte der Menschen verstanden werden. Die Armen müssen einen Rechtsanspruch auf bestimmte Dienstleistungen erhalten und mit der Macht versehen werden, diese auch einzuklagen.

Jede auf Rechtsanspruch basierende Entwicklungsagenda wird von besserer Amts- und Regierungsführung abhängen. Die Armen brauchen zum Beispiel Zugang zur Justiz, was nicht selbstverständlich ist.
Das stimmt, und die Kommunalverwaltungen sind wahrscheinlich noch wichtiger. Kommunale Ämter sind nahe an der Basis. Sie wissen, was Sache ist, und nichtstaatliche Graswurzelorganisationen können mit ihnen sinnvoll interagieren. Auf nationaler Ebene aktive regierungsunabhängige Verbände können sich dagegen nicht um alle Themen kümmern. Deshalb ist die lokale Ebene sehr wichtig.

Was halten Sie von „Aid on Delivery“, einem Verfahren, bei dem die Geber die Regierungen von Empfängerländern pro geimpftem Kind oder pro professionell betreuter Geburt bezahlen?
Ich habe gemischte Gefühle, was das angeht, denn dieses Vorgehen achtet nicht auf die Verfahrensweise und trägt nicht dazu bei, neue Kapazitäten zu ent­wickeln. Es sieht nach Conditional Cash Transfer aus, aber ich fürchte, es kann mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften.

Hat es etwas zu bedeuten, dass der Titel der Busan-Partnerschaft auf effektive Entwicklungszusammenarbeit und nicht auf wirksame Entwicklungshilfe verweist? Der Begriff „Entwicklungszusammenarbeit“ ist relativ schwammig. Folgt daraus, dass die Geber sich nicht mehr an frühere Hilfszusagen gebunden fühlen müssen?
Nein, die Busan Partnership entlässt ganz sicher niemanden aus der Verantwortung. Das Abschlussdokument bekräftigt vielmehr alle früheren Verpflichtungen eindeutig. Außerdem haben die Millenniums­entwicklungsziele von 2000 und der Monterrey-Gipfel zur Entwicklungs­finanzierung 2002 die Basis für die Aid-Effectiveness-Debatte gebildet. Das ist ein sehr solides Fundament.

Es wird also auch in der Zukunft weitere hochrangige Foren zu diesem Thema geben, obwohl unter den Gebern so etwas wie eine Gipfel-Müdigkeit zu beobachten ist?
Ich erwarte ein weiteres hochrangiges Forum vor 2015, der Deadline für die Millenniumsentwicklungsziele. Was die Geber leid sind – und das gilt auch für die Zivilgesellschaft –, ist, eine große internationale Debattenmaschinerie zu betreiben. Ganz sicher muss sich der Fokus stärker auf die Erfahrung der Entwicklungsländer richten.