Schwulenrechte
Sexuelle Freiheit
Er findet immer am letzten Sonntag im November statt. Jung und Alt treffen sich dann bei angenehmem Wetter in der indischen Hauptstadt, tauchen sie in die Farben des Regenbogens und demonstrieren für Liebe ohne Diskriminierung. Die Teilnehmer bewegen sich laufend und tanzend auf Jantar Mantar zu, die Sternwarte, die ein beliebter Anlaufpunkt für Demonstrationszüge ist. Dabei werben sie für die Rechte von Homosexuellen, Bisexuellen, Transsexuellen und Transgender-Menschen (LGBT) und ermuntern alle auf ihrem Weg, sich dem „Marsch für die Liebe“ anzuschließen.
Vandana, eine Frau mittleren Alters, sagt: „Ich bin selbst hetero, aber ich laufe mit, weil ich die Menschen unterstützen will, die aufgrund der restriktiven Gesetze in Indien keine sexuelle Freiheit genießen.“ Anukriti Gupta, eine Studentin der Universität Ashoka, will ebenfalls Solidarität demonstrieren. „Ich habe einen schwulen Kommilitonen“, erzählt sie. „Wenn seine Eltern von seiner sexuellen Orientierung erführen, würden sie ihn verleugnen. Aber warum nur? Ich bin hier, um ihn und alle anderen Menschen zu unterstützen, die nichts weiter fordern als die Freiheit, ihre Sexualität zu leben. Artikel 377 muss abgeschafft werden.“
Der umstrittene Artikel 377 des indischen Strafgesetzbuches stellt sexuelle Handlungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechts unter Strafe. 2009 erklärte ihn ein Gericht in Delhi für verfassungswidrig, aber das Oberste Gericht machte den Beschluss 2013 rückgängig. Die Richter waren der Ansicht, eine Änderung oder Abschaffung des Artikels müsse vom Parlament beschlossen werden. Sogar der amtierende Finanz- und Verteidigungsminister Arun Jaitley bezeichnete diese Ansicht als „konservativ“. Er sagte kürzlich, man könne Millionen Menschen, die gleichgeschlechtlichen Sex praktizieren, nicht ausgrenzen.
Beim Queer Pride March geht es aber noch um mehr. Die Veranstalter erklärten im Vorfeld, der Kampf der LGBT-Community stehe im Zusammenhang mit der gewaltsamen Unterdrückung anderer Rechte – etwa in Bezug auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kaste oder Religion, auf Behinderung oder die freie Meinungsäußerung.
Diese Ansicht vertritt auch Akansha. Die Studentin demonstriert „für alle Freiheiten, die bedroht sind: die Freiheit, zu essen, was ich möchte, anzuziehen, was mir gefällt, mich frei zu bewegen, wann und wo ich will“. Serena, eine in Indien lebende Spanierin, die Regenbogen und Herzen auf die Gesichter der Teilnehmer malt, wünscht sich, dass es jede Woche einen Pride March gibt. „Dann wäre jedenfalls mehr Liebe im Umlauf!“
Roli Majahan ist freie Journalistin und Fotografin. Sie lebt in Neu Delhi.
roli.mahajan@gmail.com