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Schulen

Freiheit durch Lesen

Die Schule ist der beste Ort, um gegen die Ungleichheit der Geschlechter zu kämpfen. Sambia bietet ein gutes Beispiel.
2016: Mitglieder der Partei Patriotic Front feiern den internationalen Frauentag. picture-alliance / Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB 2016: Mitglieder der Partei Patriotic Front feiern den internationalen Frauentag.

Trotz des rasanten Wirtschaftswachstums in den vergangenen Jahren ist Sambia nach wie vor ein sehr ungleiches Land. Sambias Gini-Index liegt derzeit bei 57,1. Das bedeutet, dass die soziale Ungleichheit sehr groß ist. Frauen und Mädchen sind besonders betroffen.

Sambias Wirtschaft kann besonders wegen der Ungleichheiten der Geschlechtern nicht inklusiv wachsen. Insgesamt leben 17 Millionen Menschen in dem zentralafrikanischen Staat. Wenn sich die Lage nicht verbessert, wird die Vision der Regierung, dass Sambia bis 2030 ein Land mittleren Einkommens wird, keine Wirklichkeit.

Das UN-Entwicklungsprogramm (UN Development Programme – UNDP) hat einen Index für geschlechtsspezifische Ungleichheit (Gender Inequality Index – GII) entwickelt. Er setzt sich aus drei Faktoren zusammen: reproduktive Gesundheit, Stärkung von Frauen sowie ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt. 2017 lag Sambia mit einem GII-Index von 0,517 auf Rang 125.

Weitere Statistiken bestätigen das. Frauen sind häufiger Analphabetinnen als Männer. Nur etwa ein Viertel der Frauen besuchen eine weiterführende Schule, im Gegensatz zu 44 Prozent der Männer. Laut UN-Daten waren 95 Prozent der Männer im Jahr 2015 erwerbstätig, aber nur 78 Prozent der Frauen. Obwohl Frauen mehr als die Hälfte der Bevölkerung Sambias ausmachen, sitzen weniger als zwölf Prozent von ihnen im Parlament.

Einer Arbeitsmarktstudie zufolge wurde fast zwei Drittel der landwirtschaftlichen Arbeit im Jahr 2012 von Frauen verrichtet. Allerdings können sie wichtige Entscheidungen wie Düngergabe und so weiter nicht treffen, da das Land nicht ihnen, sondern den Männern gehört. Ebenso ist der Anteil der Frauen im Niedriglohnsektor besonders hoch.

Etwa 60 Prozent der Menschen in Sambia sind arm. Armut bringt Frauen dazu, Entscheidungen zu treffen, die ihre Situation noch verschlechtern. Weil Mütter oft weniger gebildet sind als Väter, haben sie zu Hause weniger Mitspracherecht. Eltern investieren traditionsgemäß eher in die Schulbildung ihrer Söhne. Nicht wenige Mädchen entscheiden sich dann, in der Prostitution zu arbeiten, und riskieren, schwanger zu werden oder sich mit HIV/Aids anzustecken. Das zwingt sie wiederum dazu, die Schule abzubrechen.

Den Frauen fehlt häufig die Zeit, um Erwerbsarbeit nachzugehen. Sie arbeiten 12 bis 13 Stunden im Haushalt, und das sieben Tage die Woche. Das ist wertvolle Zeit, in der sie Geld verdienen könnten. Männer haben dagegen nach sechs bis sieben Stunden Feierabend. Hausarbeit ist also ein großer wirtschaftlicher Faktor, der aber nicht in den volkswirtschaftlichen Zahlen auftaucht.

Schließlich spielen auch kulturelle Normen eine Rolle. Verheiratete Mädchen brechen meistens die Schule ab und arbeiten dann im Haushalt. Diese Tradition verstärkt das Bevölkerungswachstum, weil Frauen bereits als Teenager ihre ersten Kinder bekommen. Die Ehemänner sind oft um einiges älter, betrachten die Frauen nicht als ebenbürtig und erwarten von ihnen Gehorsamkeit. Gebildete Frauen wissen in der Regel mehr über Geburtenkontrolle und können ihre Männer eher überzeugen, zu verhüten.

Wenn Frauen die Gesellschaft in Sambia vorantreiben sollen, brauchen sie mehr Möglichkeiten, ihr ganzes Potenzial zu entfalten. Der Schlüssel dazu ist Bildung. „Sobald man lesen lernt, ist man für immer frei.“ So beschrieb es der ehemalige Sklave und US-Menschenrechtsaktivist Frederick Douglass. In der Tat ist Analphabetismus die größte Sackgasse für viele Frauen in Sambia.


Ehrgeizige Ziele

Die Regierung will die Geschlechtergerechtigkeit vorantreiben. Frauen machen nun sogar Politik auf höchster Ebene. Inonge Wina von der Regierungspartei Patriotic Front ist Vizepräsidentin Sambias und die erste Frau, die dieses hohe Amt bekleidet.

2012 hat die Regierung das Ministerium für Gleichstellung und Kindesentwicklung gegründet. Zwei Jahre später hat sie die frauenpolitische Strategie aus dem Jahr 2000 überarbeitet und eine neue entwickelt, die National Gender Policy. Sie soll Frauen und Männern gleiche Teilhabe ermöglichen.

Die Regierung hat sich einige ehrgeizige Ziele gesetzt: Die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen sollen in weiblichen Besitz übergehen. Mädchen, die wegen einer Schwangerschaft die Schule abgebrochen haben, sollen wieder in den Unterricht zurück dürfen. Grundsätzlich soll auch die Schulbildung und Gesundheitsversorgung verbessert werden. Die Regierung hat sich zudem verpflichtet, in Absprache mit den Regionalregierungen qualitative Aufklärungsarbeit umzusetzen sowie Zwangs- und Kinderehen zu beenden. Frauen sollen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen und vor allem Aussichten auf besser bezahlte Jobs in höheren Positionen.

Die Ziele sind grundsätzlich lobenswert, aber sie müssen auch erreichbar sein. Und das geht nur, wenn die Regierung mehr in die Bildung von Frauen investiert. Der ungleiche Bildungsstandard von Männern und Frauen bleibt die Hauptursache für alle geschlechterspezifischen Ungleichheiten in Sambia. Ungebildete Eltern führen häufig Traditionen fort, die die Chancen ihrer Töchter einschränken. Menschen mit wenig Schulbildung haben zudem einen Hang zum Aberglaube und zur Hexerei.

Bildung kann dem entgegenwirken. Laut einer Vergleichsstudie des International Food Policy Research Institute (IFPRI) konnten besser gebildete Frauen effektiver Landwirtschaft betreiben. Daten zwischen 1970 und 1995 zeigen auch, dass so die Unterernährung in 63 Ländern um 40 Prozent reduziert werden konnte. Ein zusätzliches Schuljahr nach der Grundschule bringt einer Frau laut der IFPRI-Studie zwölf Prozent mehr Einkommen und verringert die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, um 7,3 Prozent.

Jedes weitere Schuljahr ist deshalb entscheidend für die Zukunft einer Frau, egal ob sie einen Schulabschluss macht oder nicht. Wenn Frauen also fundierte Entscheidungen treffen und in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mitwirken sollen – sei es in der Familie, auf kommunaler oder nationaler Ebene –, ist Bildung entscheidend. Gebildete Frauen leben außerdem gesünder und kümmern sich mehr um die Gesundheit ihrer Familie.

Hätten Frauen und Mädchen bessere Chancen, würde das Sambias Zukunftsper­spektive deutlich verbessern. Laut internationalen Studien geben junge Frauen 90 Prozent ihres Einkommens für die Familie aus, Männer hingegen nur 30 bis 40 Prozent. Die gesamte UN-Nachhaltigkeitsagenda hängt also am Ziel 5 für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Darauf muss Sambia setzen, wenn es sich nachhaltig weiterentwickeln will.


Frank Masanta Jr. ist ein Bildungsaktivist in Sambia. Er hat 2011 die Sun-spring Charity School in Ng’ombe, einem Armenviertel in Lusaka, gegründet und leitet diese auch. Seine Schule bietet Vor- und Grundschulbildung für mehr als 100 Mädchen und Jungen (siehe Kasten).
frankmasanta.jr@gmail.com