Ruanda

Eine Gesellschaft nach dem Völkermord versöhnen

Dreißig Jahre sind vergangen, seit die Hutu einen Völkermord an der Minderheit der Tutsi in Ruanda verübten. In fast 100 Tagen wurden mehr als eine Million Tutsi ermordet. Das Gemetzel hinterließ ein Land in Hoffnungslosigkeit und Trauer. Doch Ruanda hat sich auf einen Weg der Versöhnung begeben. Dem Land ist es gelungen, die Gräben zwischen Täter*innen und Opfern zu überbrücken, was viele Länder weltweit bewundern.
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Die Regierung unter Präsident Paul Kagame hat viel für die Heilung des gesellschaftlichen Traumas getan. Sie führte sogenannte Gacaca-Gerichte ein, eine traditionelle Form der Gemeinschaftsjustiz, bei der Streitigkeiten durch Anhörungen unter freiem Himmel und unter Aufsicht von Ältesten beigelegt werden. Mit diesen Gerichten sollte die enorme Zahl der Verbrechen im Bürgerkrieg bewältigt werden.

In jüngerer Zeit führte die Regierung die Soziotherapie ein – ein psychosoziales Programm, das kleine Gruppen als therapeutisches Medium für Diskussionen und Versöhnung nutzt. Es nehmen sowohl Überlebende als auch Täter*innen teil. Die Gruppen von 10 bis 15 Personen treffen sich wöchentlich für etwa drei Stunden über einen Zeitraum von 15 Wochen an einen beliebigen Ort, etwa einer Kirche, in einem Privathaus oder auf einem Platz im Freien.

Mukaneza, eine Überlebende des Völkermords, gehört einer der Gruppen mit dem Namen „Mvura Nkuvure“ („lasst uns einander heilen“) an. Mukaneza beschreibt ihr erstes Gruppentreffen: „Es war so schwer, mit denen, die den Völkermord begangen hatten, an einem Ort zu sein. Ich habe einfach geweint und bin gegangen. Die Moderatoren drängten mich jedoch, wiederzukommen. In der dritten Sitzung gestand einer der Teilnehmer, meine Schwester umgebracht zu haben. Ich fiel in Ohnmacht, als ich das hörte. Aber trotz des Schocks brachte mir die Nachricht einen Abschluss des Geschehens und den inneren Frieden, den ich brauchte.“

In Ruanda gibt es viele Menschen, die unter psychischen Problemen leiden, aber nicht genügend Fachleute, um ihnen zu helfen. Das Gemeinschaftsprogramm will diesen Mangel beheben. Durch den Austausch von Lebensgeschichten fördert die Gruppe das Vertrauen unter den Teilnehmenden und schafft ein Umfeld, in dem sie Zuwendung erfahren und soziale Isolation überwinden können.

Nsabimana, der für seine Taten im Gefängnis gesessen hat, sagt, es habe ihn befreit, die Morde zu gestehen, an denen er beteiligt war, die Orte zu nennen, an denen die Leichen entsorgt wurden – und anschließend um Vergebung zu bitten. „Nachdem ich an dem Programm teilgenommen habe, fühle ich mich in meiner Gemeinschaft akzeptiert“, sagt er.

Die Gruppensitzungen ermöglichen die Reflexion über die Ereignisse des Völkermords und helfen dabei, zu ermitteln, wie weit die Teilnehmenden auf dem Weg zur Heilung sind. „Mvura Nkuvure ermöglichte es mir, meine persönliche Geschichte zu erzählen. Ich hatte noch nie die Gelegenheit, über meine schlimmen Erlebnisse während des Völkermords zu sprechen.

Früher litt ich unter chronischen Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, aber seit ich an dem Programm teilnehme, sind die Kopfschmerzen weg, und ich fühle mich viel leichter“, sagt Mukaneza.

Stella Tushabe ist freiberufliche Autorin in Ruanda.
stellatush@gmail.com

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