Naher Osten

Annexion als politisches Ziel

Die Sicherheitslage im Westjordanland hat sich zuletzt deutlich verschlechtert. Daran hat auch die israelische Siedlungspolitik ihren Anteil.
Benjamin Netanjahu zeigt im September 2023 vor der UN-Vollversammlung eine Karte des Nahen Ostens, auf der das Westjordanland und Gaza zum israelischen Staatsgebiet zählen. picture alliance/dpa / Michael Kappeler Benjamin Netanjahu zeigt im September 2023 vor der UN-Vollversammlung eine Karte des Nahen Ostens, auf der das Westjordanland und Gaza zum israelischen Staatsgebiet zählen.

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens Arab World for Research and Development (AWRAD) vom Mai bewerten 77 Prozent der Palästinenser*innen zwischen 18 und 24 Jahren die Sicherheitslage im Westjordanland schlechter als noch vor einem Jahr. Immer wieder kommt es zu blutigen Zusammenstößen zwischen israelischen Siedlern, dem israelischen Militär, palästinensischen Milizen und der palästinensischen Zivilbevölkerung.

Wie das Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) mitteilt, starben im Westjordanland und in Ostjerusalem in den 12 Monaten nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mehr als 720 Menschen. Das sind mehr als dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2022. Hinzu kommen fast 800 Straßensperren im Westjordanland und in Ostjerusalem, die Palästinenser*innen in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken.

Die Genehmigung neuer Siedlungen gießt Öl ins Feuer. Im Sommer 2024 bewilligte die israelische Regierung den Bau von mehr als 5000 neuen Wohneinheiten in dem besetzten Gebiet und erkannte drei Außenposten an, die israelische Siedler ohne Genehmigung auf palästinensischem Gebiet errichteten.

Mittlerweile leben mehr als 490  000 Israelis im Westjordanland. Dutzende Siedlungen werden von der UN als völkerrechtswidrig eingestuft. Am 19. Juli erklärte der Internationale Gerichtshof (IGH) die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete, inklusive des Gazastreifens, für rechtswidrig. Der IGH bekräftigte in seinem Urteil das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung in seinem gesamten Gebiet. Trotzdem träumen viele Siedler*innen von einer Annexion des Landes, die von der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu weiter vorangetrieben wird. In deren Koalitionsvertrag steht der alleinige jüdische Anspruch auf das Westjordanland an zentraler Stelle.

Im Mai 2024 übertrug das israelische Militär zahlreiche Verwaltungskompetenzen der besetzten Gebiete an eine israelische Zivilverwaltung. Die Zuständigen sind Finanzminister Bezalel Smotrich unterstellt. Er selbst ist ein Vertreter der radikalen Siedler und lebt in Kedumim, einer Siedlung im Westjordanland. Zuletzt rief er dazu auf, das Westjordanland und den Gazastreifen zu annektieren und neue Siedlungen tief in den palästinensischen Gebieten zu errichten. 

Kim Berg ist Redakteurin bei der Kommunikationsagentur Fazit und spezialisiert auf politische Kommunikation.
kim.berg@fazit.de 

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