Unsere Sicht
Hautfarbe und Wohlstand entkoppeln
Systemischer Rassismus bewirkt, dass bestimmte Menschen, zum Beispiel mit dunkler Hautfarbe, ärmer sind als andere, schlechtere Bildungschancen und Jobmöglichkeiten haben, schwerer eine Wohnung finden oder vor Gericht benachteiligt sind. Im schlimmsten Fall erfahren sie Gewalt, bis hin zu tödlicher Gewalt – sogar von denjenigen, deren Aufgabe ihr Schutz ist: Polizisten. Beispiele dafür gibt es nicht nur in den USA, wo einige schockierende Fälle die Black-Lives-Matter-Bewegung groß gemacht haben.
Doch so weit muss es gar nicht gehen. Auf dem Schulhof wegen äußerer Merkmale herabgewürdigt zu werden, auf der Straße beleidigende Ausdrücke zu hören oder im Geschäft, im Fitnessstudio oder im Bus abfällig behandelt zu werden – all das kann das Selbstwertgefühl mindern. Wer stets wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt wird, verhält sich irgendwann auch so.
Dass institutioneller Rassismus fortbesteht, liegt unter anderem daran, dass unterdrückte Gruppen von Machtpositionen ferngehalten werden. Dazu müssen sie noch nicht einmal in der Minderheit sein: Im südafrikanischen Apartheidsregime herrschte die weiße Minderheit, und in vielen asiatischen Ländern haben heutige Eliten hellere Haut als die Mehrheit der Menschen. Es ist Teil der Diskriminierung, dass die Interessen der Betroffenen nicht angemessen berücksichtigt werden – und sich somit nichts ändert.
Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Dafür bilden Gesetze eine wichtige Grundlage: Recht muss für alle gleich gelten. Quotenregelungen bei Arbeits- oder Studienplätzen (auf US-Englisch „affirmative action“) können helfen, eklatante Missverhältnisse auszugleichen. Allerdings können sie auch Ressentiments bei denen wecken, die nicht davon profitieren.
Es ist Aufgabe von Politik, Justiz und Gesellschaft, Chancengerechtigkeit herzustellen und Hautfarbe von Wohlstand zu entkoppeln. Die breiteste gesamtgesellschaftliche Akzeptanz erfahren dabei in der Regel Maßnahmen, die nicht nur diskriminierten Gruppen zugutekommen, sondern allen benachteiligten Menschen. Am besten funktionieren universelle Sozialleistungen, die im Prinzip alle bekommen können, die darauf angewiesen sind. Individuell spielt für den Bezug Herkunft, Hautfarbe, ethnische Zugehörigkeit oder Geschlecht also keine Rolle. Benachteiligte Gruppen profitieren aber besonders, weil in ihnen der Anteil der Bezugsberechtigten überdurchschnittlich groß ist.
Rassistische Vorstellungen sind oft tief verwurzelt, auch bei Menschen, die sich selbst nicht als Rassisten sehen. Hier gilt es ebenfalls anzusetzen: durch Aufklärung und Sensibilisierung, durch Vorbilder und Erfahrungen, die jede und jeder machen kann. Die meisten Vorbehalte gegenüber Schwarzen in Deutschland gibt es dort, wo die wenigsten leben. Doch auch wenn sich die Gesellschaft öffnet, wird es vermutlich immer Rassisten geben. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass sie nicht an den entscheidenden Hebeln sitzen, keine Macht über andere ausüben und keine Waffen tragen. Das ist kein „umgekehrter Rassismus“ – sondern Menschenschutz.
Katja Dombrowski ist Redakteurin von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit /D+C Development and Cooperation.
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