Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Rezensionsaufsatz

Differenzierter Blick

Die kommerzielle Landwirtschaft ist überwiegend von kleinbäuerlichen Betrieben bestimmt, die jedoch im Rahmen des Strukturwandels zunehmend unterschiedliche Produktionsbedingungen aufweisen. Entwicklungspolitische Maßnahmen müssen auf die unterschiedlichen kleinbäuerlichen Zielgruppe zugeschnitten werden.
Kenianische Kaffee-Ernte. photothek.net/KfW-Bildarchiv Kenianische Kaffee-Ernte.

In den Medien wird häufig über die mechanisierten und flächenintensiven großen Farmbetriebe berichtet. Weltweit gesehen sind sie jedoch eine Minderheit. Es gibt 450 Millionen Betriebe oder Haushalte mit mehr als zwei Milliarden Familienangehörigen, die Flächen unterhalb von zwei Hektar bewirtschaften. Diese Betriebe weisen eine hohe Heterogenität auf: von erfolgreichen, hoch produktiven und innovativen Wirtschaftseinheiten bis hin zu ärmlichen Subsistenzbetrieben, in denen die Menschen hungern.

Die Erkenntnis, dass nicht alle „Kleinbauern“ – selbst innerhalb einer Region – gleich sind, ist nicht neu. Seit etwa einem Jahrzehnt forschen Wissenschaftler stärker zu dieser Differenzierung, mit verbesserten Methoden und Daten auf Haushaltsebene. Empirische Studien zeigen, dass sich in vielen Ländern die ländlichen Einkommensquellen bäuerlicher Haushalte stark ausdifferenziert haben.

Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) veröffentlichte 2006 eine Studie, die zwischen fünf verschiedenen bäuerliche Betriebs- und Haushaltstypen unterschied – von kommerziellen Großbetrieben bis hin zur Subsistenzwirtschaft. Sie bedürfen jeweils spezifischer Förderung, und für die ärmsten Kleinbauern ist eine Art von Sozialhilfe nötig. Diese OECD-Studie war richtungsweisend, weil sie klarstellte, dass Kleinbauer nicht gleich Kleinbauer ist.

Dorward et al. (2009) formulierten drei griffige Kategorien für ländliche Betriebe gemäß ihrer Entwicklungsoptionen: Stepping up, Hanging in oder Stepping out. Wer sie fördern will, muss intelligente und differenzierte Unterstützungsmaßnahmen ergreifen. Dabei geht es entweder um gezielte Anbindung an die Agrarmärkte, ländliche Beschäftigungsförderung auch außerhalb der Landwirtschaft oder Sozialtransfers für die Ärmsten der Armen. Die Politik muss ländlichen Strukturwandel unterstützen und dabei die bestehende soziale Ausdifferenzierung auf dem Land berücksichtigen, damit Entwicklungsmaßnahmen nicht verpuffen.

 

Wen kann man wie einbinden?

Hazell und Rahman (2014) bieten einen sehr guten Überblick über den Stand der Entwicklungsforschung zum Thema Kleinbauern. Die Autoren decken in 17 Kapiteln nahezu alle wichtigen Themen ab. Sie zeigen, warum eine effektive Integration von kleinbäuerlichen Haushalten in die kommerzielle Landwirtschaft möglich und notwendig ist.

Millionen von Kleinbauern haben bereits enorme Anpassungsleistungen erbracht und bewiesen, dass sie oft intensiver, nachhaltiger und produktiver wirtschaften können als Großbetriebe. Bei hoher Arbeitslosigkeit dient die kleinbäuerliche Landwirtschaft, wenn sie ausreichende Einkommen erzielt, zudem als Auffangbecken, da sie Arbeitskräfte flexibel absorbieren kann. Die Chancen, die sich durch die dynamisch wachsenden Agrarmärkte ergeben, bieten inspirierenden Lesestoff.

Wiggins und Keats (2013) haben eine lesenswerte Zusammenstellung erfolgreicher Politik- und Projektansätze aus Afrika veröffentlicht: Mehr als 30 Fallstudien von Agrarwirtschaftsprojekten in über 15 Ländern werden analysiert. Dabei stellen sie die besondere Bedeutung nicht nur der marktfördernden Instrumente heraus, sondern betonen auch die Bedeutung, die dem richtigen Umfeld und geeigneten Produktionsanreizen zukommt.

Insbesondere hochwertige Agrarprodukte wie Kaffee, Tee, Kakao oder Baumwolle für Exportmärkte haben vielen kleinbäuerlichen Haushalten sichere und gute Einkommen gebracht. Die Autoren weisen darauf hin, dass derartige Erfolge in der kommerziellen Landwirtschaft für Grundnahrungsmittel bis heute ausgeblieben sind. Die Autoren plädieren deshalb für staatliche Interventionen wie Subventionen von Betriebsmitteln. Dadurch könnte es vor allem in ernährungsgefährdeten Ländern zu höherer Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln kommen.

Wiggins et al. vom Overseas Development Institute (ODI), teilen in einem Hintergrundpapier (2013) für Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und GIZ, die aktuelle agrarentwicklungspolitische Agenda in zwölf Themen ein. Zu vielen dieser Themen gibt es gesicherte Erkenntnisse und einen breiten Konsens. Das gilt etwa für die großen Wirkungen, die die Bereitstellung von öffentlichen Gütern (wie etwa Verkehrsinfrastruktur) im ländlichen Raum bringen kann. Derartige Investitionen sollte die Politik prominenter berücksichtigen.

Eingriffe in die Agrarmärkte wie etwa die Subvention von Düngemitteln – so die ODI-Autoren – werden international kontrovers diskutiert. Sie  bedürfen einer genauen Analyse der Ursachen von Markt- und Politikversagen sowie der herrschenden politischen Ökonomie des Sektors.

Einen kritischeren Blick auf die Kommerzialisierung kleinbäuerlicher Landwirtschaft wirft  Vorley (2013) vom International Institute for Environment and Development (IIED). Er befasst sich unter anderem mit den Möglichkeiten, die informelle Märkte Kleinbauern bieten. Vorley warnt, dass nur wenige Kleinbauern in der Lage seien, sich in moderne und formale Wertschöpfungsketten für den Exportmarkt zu integrieren.

In der internationalen Zusammenarbeit gilt Informalität oft als Hindernis auf dem Weg zu einem modernen Privatsektor. Vorley verweist hingegen auf die Vorteile des informellen Handels für Produzenten (beispielsweise niedrige Eintrittsbarriere und Flexibilität). Steigende Preise für Nahrungsmittel dürften dabei auch den Kleinbauern zugute kommen. Politikinterventionen und Entwicklungsprojekte sollten sich aus Vorleys Sicht daher nicht nur darauf fokussieren, Kleinbauern in moderne Exportmärkte zu integrieren, sondern auch informelle Produktion und lokalen Handel von Nahrungsmitteln fördern.

Was die ländliche Differenzierung angeht, stimmt er mit den zuvor genannten Autoren überein. Für die Ärmsten der Armen bedarf es sozialpolitischer statt marktpolitischer Maßnahmen.

 

Beispiele aus der Praxis

Die deutsche Entwicklungspolitik fördert seit langem eine inklusive Kooperation zwischen Unternehmen und kleinbäuerlichen Betrieben. Akteure wie die GIZ helfen dabei, Bauern zu schulen oder Produzentenorganisationen aufzubauen. Sie begleiten zudem die Einführung und Einhaltung von Qualitätsstandards in Wertschöpfungsketten.

Oft übernimmt die GIZ die Rolle des „honest broker“ und unterstützt das Aushandeln von fairen und tragfähigen Geschäftsbeziehungen mit allen Beteiligten. Speziell an den Privatsektor gerichtet ist eine Publikation (2012), die die GIZ im Auftrag des BMZ herausgab. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie Unternehmen ihre Kooperation mit Kleinbauern inklusiv und erfolgreich gestalten können.

Ein 2013 von der GIZ herausgegebenes Handbuch ist eine praktische Anleitung, wie Kleinbauern und aufkaufende Unternehmen auf innovative Weise zusammenarbeiten können. Blaupausen werden vermieden. Stattdessen können Anwender kontextspezifische Lösungen entwickeln, die von vertraglich geregelter bis hin zu sehr informeller Gestaltung der Zusammenarbeit reichen können.

Kleinbäuerliche Betriebe werden auch in den nächsten 50 Jahren die globale landwirtschaftliche Produktion dominieren. Deshalb stehen spezifische Maßnahmen im Agrarbereich weiter ganz oben auf der Entwicklungsagenda.

 

Ingo Melchers ist Leiter des Sektorvorhabens Agrarpolitik und Ernährungssicherung bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
ingo.melchers@giz.de

Heike Höffler arbeitet im selben Team der GIZ.
heike.hoeffler@giz.de

Ellen Funch arbeitet im selben Team der GIZ.
ellen.funch@giz.de