Internet und Demokratie

Asiatische Medienwelten

Autoritäre Regimes fürchten die freie Verbreitung von Informationen, weil sie staatliche Kontrolle untergräbt. Die Funktion von Presse und Internet als demokratische Werkzeuge unterscheiden sich gerade in asiatischen Ländern erheblich.

Von Peter Hauff

Welche Kehrseiten die Freiheit des Internets haben kann, zeigt aktuell eine Fatwa gegen den saudi-arabischen Blogger Hamsa Kashgari. Seine offenen Gedanken über den islamischen Propheten Mohammed riefen im Februar wilde Proteste hervor. Nun fordern Tausende Araber in sozialen Netzwerken den Tod des 23-Jährigen. Eine empörte Facebook-Gruppe namens „Das saudische Volk will die Bestrafung von Hamza Kashgari“ listete Ende Februar über 25 000 Anhänger. Die englisch-sprachige Seite „Save Hamza Kashgari“ kam dagegen nur auf 700 Unterstützer.

Der Blogger aus Jeddah flüchtete nach Malaysia, um nach Neuseeland weiterzureisen. Im südostasiatischen Staat wurde Kashgari jedoch am Flughafen verhaftet und bald danach nach Saudi-Arabien abgeschoben. Malaysia wird oft für seine religiöse und kulturelle Toleranz gelobt. Mag sein, dass Hamsa Kashgari Malaysias Freiheit überschätzt hat. Eine tiefe Kluft besteht in dem Land zumindest zwischen gedruckten und elektronischen Medien, schreibt Eva Eichenauer im österreichischen Journal für Entwicklungs­politik (JEP). Am Beispiel der Allah-Debatte vor zwei Jahren beschreibt die Soziologin der Berliner Humboldt-Universität, wie sich die religiösen Konflikte in Malaysia mit Interessen der Machthaber verbinden – und Demokratie auch dort behindern können.

Lizenzfreie Online-Portale

Als der Oberste Gerichtshof einem ­katholischen Wochenmagazin im Januar 2010 erlaubte, in seiner malaysischen Ausgabe den christlichen Gott „Allah“ zu nennen, gab es mehrere Brandanschläge auf Kirchen. Staatshörige Printmedien schreckten vor breiter Berichterstattung zurück. Sehr früh forderten die Kommentatoren im Namen nationaler Sicherheit das Ende der Debatte. Dass sozialer Dissens in der Presse kaum sichtbar wurde, liegt auch daran, dass jeder Verlag seit 1984 jährlich eine neue Lizenz vom Innenministerium in Kuala Lumpur braucht.

Online-Portale wie „MalasysiaKini“ dürfen bisher ohne Lizenz arbeiten. Die vor 12 Jahren im Netz entstandene Konkurrenz zu offiziellen Medien machte den Streit zwischen Katholiken und Muslimen im Land zum Thema, wie Eichenauer ausführt. So bringt das Web den Malaysiern eine Meinungsfreiheit, die in Printmedien undenkbar wäre. „MalasysiaKini“ verlangt von Nutzern Gebühren für den vollen Zugang zu allen Informationen. Nur die Schlagzeilen und Themenanreißer sind kostenlos zu lesen.

JEP-Herausgeber Frederik Holst urteilt, dass Malaysias Machthaber in den neunziger Jahren unterschätzt hätten, welche Rolle die Online-Welt in Zukunft spielen würde, betont aber, dass ethnisch begründete Denkmuster bis heute auch den „Cyberspace“ in Malaysia prägen.

Andere Machthaber in Asien haben sich flinker auf neue Medien und smarte Geräte eingestellt, wie das Beispiel Thailand zeigt: Dort blockiert die Regierung seit 2009 regelmäßig unwillkommene Webseiten und zensiert Netzinhalte. Laut OpenNet Initiative verfügte im Jahr 2007 jeder vierte Haushalt in Thailand über einen Netzzugang. Zum Vergleich: Im dicht besiedelten Singapur liegt diese Quote gegenwärtig bei 99 Prozent, und in Birma konnten sich 2005 weniger als ein Prozent im Netz informieren.

Asiatische User nutzen das Netz aufgrund solcher Voraussetzungen unterschiedlich. In Südkorea herrschen andere Kommunikationskulturen als in Taiwan, obwohl sich in beiden Staaten seit 2000 demokratische Grundlagen verbesserten. Problematisch in Singapur ist laut einer Untersuchung der Weltbank (2008) die Konzentration aller Medien in wenigen Händen, und dass der Staat seit 2009 die Kontrolle wieder massiv ausbaut. „Nach dem Sieg der Konservativen von 2007 hat sich der Bedeutungsverlust des Internets beschleunigt“, schreiben Sang-Hui Nam und Thomas Kern in ihrem Vergleich vier asiatischer Länder im JEP.

Persönliche Bindungen wichtiger als Massenmedien

Taiwans Medien seien vielfältiger, heißt es. Auch dort wird Meinung aber von Machthabern manipuliert. Die starke Verbreitung von Kabelsendern ließ dem Internet in Taiwan wenig Entwicklungsfreiheit. Auf den Philippinen wiederum fehlen (wie in Afrika) meist Festnetz-Zugänge; mobile Telefone vernetzten dagegen schon 2001 die Demokratiebewegung. Die Zeitungslandschaft auf den Philippinen lag und liegt dabei in der Hand weniger Familien, die vor allem Profit aus politisch konformen Sensationsblättern ziehen. Kritischen Journalisten droht in Manila Gewalt. Fazit der JEP-Autoren: Auch die Filipinos orientieren sich weniger an Medien, sondern „entlang ethnischer, regionaler, religiöser und verwandtschaftlicher Bindungen“.

Peter Hauff