Kommentar

Schuldenkrise mit Ansage

Mosambiks jüngster Korruptionsskandal zeigt, wohin die exzessive Abhängigkeit von Rohstoffexporten führt. Noch ist Umkehr möglich.
Küstenfischer: Mosambik ist immer noch ein Land mit niedrigem Einkommen. Jeremy Jowell/Lineair Küstenfischer: Mosambik ist immer noch ein Land mit niedrigem Einkommen.

Die Reaktion von Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), war ungewöhnlich harsch. Als klar wurde, dass Mosambik drei halbstaatlichen Unternehmen Staatsgarantien in Höhe von zusammen 2,1 Milliarden Dollar gewährt hatte, lies sie alle Auszahlungen aus dem laufenden Programm einfrieren und sagte öffentlich, die Regierung verschleiere „ganz offensichtlich“ Korruption.

Das stimmt vermutlich. Wichtiger aber ist, dass eine aktuelle IWF-Analyse zeigt, wohin das Entwicklungsmodell der Ausbeutung natürlicher Ressourcen führt. Die Risiken sind in vielen rohstoffreichen Ländern ähnlich.

Nach Ende der portugiesischen Kolonialherrschaft wurde Mosambik Schauplatz eines Stellvertreterkrieges, bei dem die FRELIMO-Regierung vom Ostblock und die RENAMO-Rebellen vom Westen und besonders dem Apartheidregime in Südafrika unterstützt wurden. Der Bürgerkrieg verursachte großes menschliches Leid und ließ die Staatsschulden anschwellen. Dank der internationalen Entschuldungsinitiativen HIPC (Heavily Indebted Poor Countries) und MDRI (Multilateral Debt Relief Initiative) wurde nach 2000 ein ökonomischer Neuanfang möglich.

Seither steigen allerdings die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung wieder an, zunächst langsam und dann immer schneller. Das hat zwei Gründe:

  • Mosambiks Infrastruktur muss dringend ausgebaut werden.
  • Die Zinssätze sind in Industrieländern extrem niedrig, so dass Kapital nach Afrika fließt.

Mosambik ist wegen riesiger Erdgasvorräte vor der Küste ein bevorzugtes Ziel der Anleger. Dem „Basisszenario“ zufolge, das der IWF für das wahrscheinlichste hält, wird die Auslandsverschuldung Mosambiks bis 2019 von heute 106 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 126 Prozent steigen und 2020 sogar fast 190 Prozent des BIP erreichen. Dabei nehmen vor allem private Unternehmen, nicht der Staat, Kredite auf.

Wichtig ist auch, dass derzeit Direkt­investitionen in Höhe von 21 Prozent des BIP nach Mosambik fließen. Laut IWF-Schätzung wird diese Rate bis 2019 auf 65 Prozent steigen. Dadurch entstehen zwar keine Schulden, aber der Einfluss ausländischer Unternehmen im Rohstoffsektor wächst rasant.

Dieses Szenario ist düster. Mosambik wird 2020 noch immer ein Niedrigeinkommensland sein, aber seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland drohen griechisches Niveau zu erreichen. 36 Prozent der Exporteinnahmen würden in den Schuldendienst fließen. Mosambiks Volkswirtschaft wird dabei zu einem bloßen Anhängsel der Rohstoffwirtschaft reduziert, und diese wird – samt der nötigen Infrastruktur – zunehmend von internationalen Konzernen dominiert.

Der IWF rechnet mit hohen Wachstumsraten. Diese sollen von 2015 bis 2020 im Schnitt 7,2 Prozent betragen und von 2021 bis 2035 sogar elf Prozent. Damit es so kommt, müssten die Energiepreise auf dem Weltmarkt sehr schnell steigen, und die Landwirtschaft darf nicht unter Dürren leiden, was wegen des Klimawandels aber wahrscheinlicher wird. Vermutlich wird Mosambik eine gigantische Auslandsschuld bei stagnierender Wirtschaftsleistung tragen müssen.

Der IWF spielt die Risiken herunter und verweist darauf, dass der Staat keine Verantwortung für private Schulden trägt. Das stimmt, galt aber 2008 bis 2010 auch für Irland und Spanien. Dort mussten sich die Regierungen dann heftig verschulden, um die Banken ihrer Länder zu retten. So etwas droht auch Mosambik. Es ist ein Warnzeichen, dass die frisch aufgedeckten „versteckten“ Schulden Mosambiks alle mit der Gasexploration vor der Küste zu tun haben.

Mosambiks junge Demokratie leidet zunehmend unter dem Ressourcenfluch. Finanzkräftige Privatinteressen unterminieren Amts- und Regierungsführung. Die fiskalische Kapazität des Staates spielt im Vergleich kaum noch eine Rolle, und Amtsträger wirken immer mehr wie Marionetten der Manager.
Noch ist die Demokratie in Mosambik zu retten. Kritische Bewegungen erkennen in der FRELIMO auch noch genug demokratische Substanz, um das zu fordern. Eine wichtige Frage ist allerdings, ob auch die Gebergemeinschaft einsieht, dass das bisherige Entwicklungsmodell in die Schuldenfalle führt und nicht weiter unterstützt werden darf.


Gina dos Reis ist Koordinatorin von Grupo da Dívida, einer zivilgesellschaftlichen Organisation in Mosambik.
eufriginareis@yahoo.com.br


Jürgen Kaiser ist Koordinator des deutschen Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de.
j.kaiser@erlassjahr.de

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