Medien

Journalisten als Peacebuilder fördern

Journalisten können in Konfliktländern durch nuancierte Informationsvermittlung eine wichtige Rolle bei der Friedensstiftung spielen, wie das Beispiel Kolumbien zeigt. Sie brauchen dazu aber Unterstützung.

[ Von Rousbeh Legatis ]
Im journalistischen Umgang mit Opfern von Gewalt ist Sensibilität gefragt. Andrés Monroy Gómez Im journalistischen Umgang mit Opfern von Gewalt ist Sensibilität gefragt.

Wie stark Journalismus den Gesellschaftswandel in Konfliktländern beeinflusst, lässt sich schwer sagen. Aber dass Journalisten eine entscheidende Rolle im „Peacebuilding“ übernehmen können, wird in Kolumbien deutlich. Das Land ist geprägt von einem Konflikt, der in den 1960er Jahren als bewaffneter Aufstand ländlicher Guerrilla-Organisationen gegen den Staat begann und sich seither dynamisch wandelt. Paramilitarismus und Drogenökonomie tragen bis heute entscheidend zum Konflikt bei. Die bewaffneten Kämpfe sind in klientelistische und von Gewalt geprägte Strukturen eingebettet und fragmentierten und polarisierten die trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs extrem ungleiche Gesellschaft immer weiter. Wer zur Gewalt beiträgt und wer davon profitiert, ändert sich permanent. Darunter leidet vor allem die Bevölkerung.

Doppelrolle der Medien

Die Medien zählen zu den wichtigsten Akteuren, die in diesen Konflikt indirekt involviert sind und mitbestimmen, welche Richtung der Peacebuilding-Prozess nimmt. Wie Adam Isacson vom Washingtoner Think Tank „Center for International Policy“ (CIP) sagt: „Die Suche von Journalisten nach der Exklusivmeldung kann einen Friedensprozess töten, indem jeder Rückschlag sensationalisiert und jedes Missverständnis übertrieben wird. Andererseits“, so der Lateinamerika-Experte, „tun die unabhängigeren Medien – die Wochenzeitschrift Semana ist momentan das beste Beispiel dafür – mit ihren Aufdeckungen und Anklagen von Menschenrechtsverbrechen oder der Infiltration des Staates durch bewaffnete Gruppen, die Arbeit von hundert NROs auf einmal.“

Ohne die kolumbianischen Medien wären viele Skandale nie ans Licht gekommen. Verbindungen von Paramilitärs zu Regierungsvertretern, geheimdienstliche Unterstützung bewaffneter Akteure (DAS-Skandal) und die gezielte Ermordung von Zivilisten, die Streitkräfte im Nachhinein als Guerrillakämpfer verkleidet hatten (Skandal der „Falsos positivos“), wären nicht aufgedeckt worden. Diese Art von Berichterstattung hat lange ignorierte Themen öffentlich gemacht und die Regierung gezwungen zu handeln.

Solche journalistischen Leistungen sind angesichts der Lage, in der sich die ­kolumbianischen Medien befinden, bemerkenswert. Die Medienlandschaft ist zentralistisch organisiert und wirtschaftlich stark, konzentriert sich aber besonders auf die Großstädte.

Viele Medienkonzerne sind in privater Hand. Traditionell ist die Beziehung von Journalisten zu politischen und wirtschaftlichen Eliten eng, und mangelhafte Arbeitnehmerrechte, schwierige Arbeitsbedingungen und extreme Unsicherheit sind die Norm.

Politischer Einfluss

Dem Journalistikprofessor Omar Rincón zufolge beeinflusst die Agenda der Regierung Uribes oft die Berichterstattung. Politischer Druck oder die Konfrontation mit bewaffneten Akteuren gehört zum journalistischen Alltag.

Der Spielraum für andere Themen und gesellschaftliche Akteure wird immer kleiner. Neben diesen strukturellen Problemen gibt es einen Trend der „Verjüngung“ in den Redaktionen. „Immer weniger Journalisten mit Erfahrung“ werden beschäftigt, so dass „weniger bezahlt, mehr gearbeitet und weniger gefragt“ wird, sagt Rincón. Besonders in den ländlichen Regionen verschärfen sich diese Probleme. Trotzdem haben neben dem Radio besonders Zeitungen und Magazine eine große Bedeutung in Kolumbien: „Es wird nicht viel gelesen, aber die Printmedien sind sehr wichtig, da sie die Entscheidungsfindung der wirtschaftlich und politisch Mächtigen beeinflussen.“

Über den konstruktiven Beitrag journalistischer Arbeit zum Peacebuilding in Kolumbien wird kaum gesprochen. Derweil sind die Probleme der Journalisten nicht weniger geworden und auch nicht weniger komplex. Aber es wird mehr dafür getan, Journalisten und Redakteure zu unterstützen. Das zeigt sich auch in der Zunahme von Media-Assistance-Organisationen und jour­nalistischen Zusammenschlüssen in ganz Kolumbien in den letzten zwanzig Jahren. Diese versuchen auf unterschiedlichen Wegen, den Problemen des kolumbianischen Journalismus zu begegnen.

„Generell wurde mit dem Konflikt nicht ausgewogen umgegangen. Der Sprachgebrauch war unverantwortlich, Journalisten ergriffen auf verschiedene Weise Partei und die Medien verwandelten – aus kommerziellem Interesse und für höhere Einschaltquoten – den Krieg in ein Spektakel.“ So beschreibt Eduardo Márquez, einer der Gründer der Journalistenorganisation Medios para la Paz (Medien für den Frieden, MPP), was ihn und seine Kollegen vor zehn Jahren zur Gründung von MPP motivierte. Die Medien verschlimmerten damals durch ihre Berichte oft eher den Konflikt, als dass sie adäquat informierten. Regierungsmeinungen wurden unkritisch wiedergegeben, Quellen nicht hinterfragt und Nachrichten nur punktuell und ohne Hintergründe vermittelt.

Die Strategie der „Medien für den Frieden“

Diese Probleme bestehen auch weiter. Daher fördert MPP verantwortlichen, qualitativen Journalismus, der durch konstruktive Konfliktbearbeitung dazu beiträgt, demokratische Strukturen und eine Kultur des Friedens zu schaffen – indem Hintergründe aufgeklärt und Ursachen erkannt werden. Für die ehemalige Direktorin Gloria Moreno war es in den letzten zehn Jahren das Wichtigste, die Kollegen zu sensibilisieren „für den anderen Krieg, jenen der Desinformation, den ausnahmslos alle Krieger führen, um sich der Wahrheit zu bemächtigen, sie zu manipulieren und zu beschlagnahmen“.

Der Ansatz von MPP, Journalisten inmitten des Konfliktes zu unterstützen, gliedert sich in drei Bereiche:
– Weiterbildung und Qualifizierung,
– Investigation, vor allem als Forschungs- und Reflektionsprozess, und
– „Information“.

Dabei entstanden unter anderem ein Nachschlagewerk konfliktrelevanter Begriffe, um die journalistische Sprache zu „entwaffnen“, sowie mehrere Handbücher. Vor allem für die Weiterbildung interessieren sich internationale Organisationen und Geberländer – und stellen MPP immerhin 95 Prozent seiner finanziellen Ressourcen zur Verfügung.

Dass die Organisation sich besonders um die ländlichen Regionen bemüht, begründet Eduardo Márquez so: „Wir haben schnell erkannt, dass sich die Lage für Journalisten in anderen Landesteilen sehr von der in Bogotá unterschied. Wir erkannten immer klarer die Bedürfnisse von Journalisten. Das war zuvor nie so deutlich gewesen.“

Nach eigenen Angaben hat MPP in den letzten zehn Jahren in 28 Gemeinden Workshops mit 1830 Journalisten aus 841 Medien und Institutionen durchgeführt. Besonders stolz ist die Organisation auf den „Diplomado“, ein sechsmonatiges Weiterbildungsprogramm für Journalisten, die in den meistumkämpften Regionen des Landes, den „zonas rojas“, arbeiten. Das Programm wurde gemeinsam mit der Ponteficia Universidad Javeriana und dem Centro de Investigación y Educación Popular (Zentrum für Forschung und Bildung des Volkes, CINEP) entwickelt. Es geht um das Erlernen eines „verantwortungsvollen Journalismus im bewaffneten Konflikt“ – so auch der Titel des Diplomado, den schon mehr als 280 Journalisten aus sieben Konfliktregionen absolviert haben.

Zusätzlich schuf die akademisch-zivilgesellschaftliche Allianz das Programm „Reporteros de Colombia“. Hier können sich Journalisten praktische Hilfe holen, wenn sie ihre Qualitätsansprüche in Beiträgen umsetzen wollen.

Fokus auf regionale Besonderheiten

Jede Konfliktregion hat ihre Eigenheiten, die bei der Umsetzung der Projekte bedacht werden müssen, so der bis 2009 für den Diplomado verantwortliche Freddy González: „In einer Region wie Nariño oder Putomayo müssen wir den Drogenhandel und seinen Einfluss auf den Konflikt einbeziehen. Arbeiten wir in Barrancabermeja, ist es unmöglich, nicht auf den Ressourcenreichtum der Region und seine Verteilung einzugehen. In la zona norte müssen wir besonders grenzrelevante Themen sowie das Problem der paramilitärischen Kontrolle beachten.“

Um die Journalisten vor allem in ländlichen Regionen nachhaltig unterstützen zu können, kooperiert MPP mit anderen Organisationen, wie etwa beim Proyecto Antonio Nariño (PAN), in welches vier weitere Organisationen involviert sind. Neben der Förderung von Presse- und Informationsfreiheit versucht PAN, die Programme besser zu koordinieren.

Medien und Journalisten können Konflikte nicht lösen. Doch ihre Arbeit kann, wie sich an Kolumbien zeigt, eine wichtige Rolle spielen. Und diese gilt es zu stärken.

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