Manila
Dysfunktionale Komplexität
Die Bürgermeister in Metro Manila kooperieren bekanntlich kaum. Die Hauptverkehrsadern durchkreuzen ihre Kommunen, aber jede hat eigene Verkehrsregeln und benutzt eigene Strafzettel. Die Bürgermeister vergessen ihre Stadt, sobald sie deren Grenze überqueren. Dabei steht die gesamte Agglomeration vor riesigen Aufgaben – Müll, Abwasser, Luftverschmutzung et cetera. Kooperation wäre nötig.
Eine starke zentrale Planungsbehörde wäre vermutlich nützlich. Das wurde einmal versucht. Der Diktator Ferdinand Marcos ernannte seine Frau Imelda zur Gouverneurin von Metro Manila. Sie profilierte sich mit frisch verputzten Mauern um Slums und wirren Konzepten, die nie verwirklicht wurden. Seither gibt es eine starke Abneigung gegen zentrale Planung.
Als Kompromiss entstand später die Metropolitan Manila Development Authority (MMDA). Die Bürgermeister bilden ihren Rat und der Präsident der Philippinen beruft den Vorsitzenden. Der MMDA-Chef kann aber wenig durchsetzen, weil alle Entscheidungen Konsens erfordern. Die MMDA hat den Ballungsraum kaum vorangebracht.
Die Verwaltung von Megastädten ist immer schwierig. Oft gibt es zum Durchwursteln keine Alternative, denn neue Probleme entstehen, bevor alte Probleme formalrechtlich gelöst sind. Zuständigkeiten verschwimmen, und die politisch Verantwortlichen müssen improvisieren. In dieser Hinsicht ist Metro Manila nicht ungewöhnlich.
Auf der ganzen Welt regieren Bürgermeister nicht nur per rechtmäßiger Kompetenz und Haushaltsbeschlüssen, sondern auch mit Charisma und smarten Sprüchen. Vielfach verfügen Kommunen auch gar nicht über das nötige Geld, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Für große Infrastrukturvorhaben brauchen sie Mittel vom Nationalstaat. In Entwicklungs- und Schwellenländern ist die Lage oft besonders schwierig.
Unklare Zuständigkeiten und verwischte Verantwortlichkeit unterhöhlen indessen das Vertrauen in öffentliche Institutionen. Erschwerend kommt hinzu, dass Kommunalbeamte im globalen Süden oft schlecht bezahlt werden. Schmiergeld steigert ihr Einkommen – und steuert ihre Entscheidungen. Folglich sind wohlhabende, ungewählte Eliten unverhältnismäßig einflussreich. Traditionen prägen amtliches Handeln ebenfalls. Beides schafft Zynismus, und viele Wähler halten denn auch Politiker auf allen Ebenen für Witzfiguren.
Das grundlegende Problem ist, dass kommunale Spitzenleute weder die Zuständigkeiten noch die Mittel haben, um ihre großen Aufgaben zu erledigen. Sie können aber Verwandten und Freunden Gefälligkeiten erweisen. Entsprechende Hintergedanken prägen dann die Politik.
Die Philippinen haben eigentlich eine stimmige Kommunalverfassung, die wichtige Aufgaben den Dörfern (Barangay) überlässt. Leider interessieren sich aber nur wenige Filipinos für diese Regeln. Die meisten lassen gewählte Amtsträger einfach machen, was diese wollen.
Um die Lage zu verbessern, muss öffentliches Vertrauen geschaffen werden. Dazu sind Reformen auf mehreren Ebenen nötig. Am schwierigsten ist es wohl, die Aufgaben so zu verteilen, dass die verschiedenen Staatsebenen ihnen gerecht werden können, und zugleich ein System wirksamer demokratischer Kontrolle zu schaffen. Dass es keine perfekten Lösungen gibt, ist aber kein Grund, sich mit offensichtlich dysfunktionalen Strukturen abzufinden. (acr/dem)