Vernachlässigte Krankheiten
Gesundheitsinfos aus dem Radio
Die meisten Menschen in Uganda – auch die, die im Gesundheitsbereich arbeiten – denken, Lepra, eine Krankheit aus biblischen Zeiten, sei ausgestorben. Leider ist das falsch. Zwischen 2008 und 2012 wurden 1500 neue Fälle im Land diagnostiziert, zwei Drittel davon im armen Norden. Diese Region ist schwach besiedelt und traumatisiert vom 20 Jahre dauernden Krieg mit den Kämpfern der Lord’s Resistance Army. Auch Tuberkulose und HIV/Aids treten dort relativ häufig auf.
Mehr als 100 Jahre nachdem das Mycobacterium leprae entdeckt wurde, gibt es in vielen Ländern immer noch Lepra. Es ist noch nicht bekannt, wie die Krankheit, die Haut und Nerven angreift, übertragen wird. Die Nervenschädigung führt zu einem Verlust der Sensibilität, was erst die Extremitäten betrifft und später zum Verlust von Fingern und Zehen führt. Im fortgeschrittenen Verlauf entstellt die Krankheit sogar das Gesicht.
Lepra ist mit einfachen, billigen Antibiotika heilbar. Die Therapie dauert sechs bis zwölf Monate. Allerdings sind die Gliedmaßen nur zu retten, wenn die Krankheit frühzeitig erkannt und behandelt wird – dann ist lebenslanges Leiden zu verhindern. Leider aber verschwenden viele Patienten kostbare Jahre, in denen sie von einem Kurpfuscher zum nächsten inkompetenten Heiler pilgern, bis ihr Körper so angegriffen ist, dass die Diagnose offensichtlich ist. Selbst ausgebildetes Gesundheitspersonal vermag oft nicht, die Krankheit anhand der Flecken auf der Haut zu erkennen. Daher sind Information und Sensibilisierung im Kampf gegen diese uralte Krankheit enorm wichtig.
Lepra unter Kontrolle zu bekommen ist schwierig. Gründe dafür sind:
- mangelndes Bewusstsein in der Bevölkerung,
- zu späte Diagnose,
- ein verstecktes und zunehmendes Aufkommen von Lepra an so genannten „Hot Spots“,
- unterqualifiziertes Gesundheitspersonal und
- Patienten, die die Behandlung abbrechen.
Das Talking-Health-Programm wollte Lepra in acht nördlichen Distrikten in Uganda eindämmen, indem es die Menschen über die Krankheit informierte. Von März 2014 bis Dezember 2015 leitete die Nichtregierungsorganisation Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) das Programm. Finanziert wurde es von der Nordrhein-Westfälischen Stiftung zur Förderung der Leprahilfe. Beteiligt waren außerdem der lokale Sender Radio Wa, die Bezirksverwaltungen und das nationale Tuberkulose- und Lepra-Programm von Uganda (NTLP). Zum Programm gehörte zum einen, die Menschen allgemein zu informieren, zum anderen wurden aber auch medizinische Dienste angeboten und die Mitarbeiter lokaler Gesundheitseinrichtungen geschult.
Informationen verbreiten
Von den etwa zwei Millionen Menschen, die in der Region leben, können fast alle Radio Wa empfangen. Der Sender hat schon lange Gesundheitsthemen im Programm, setzte aber im Zuge von Talking Health einen Fokus auf Lepra. Betroffene erzählten dort ihre Geschichten, die Zuhörer konnten anrufen und sich fachkundig beraten lassen.
Lepra war regelmäßiges Thema im sonntäglichen Gesundheitsprogramm Wa-Klinik. Moderator und Gäste sprachen über Ursachen und Behandlung von Lepra, in einer Radio-Seifenoper wurden Themen wie Stigmatisierung und Unwissenheit aufgegriffen. Leprakranke berichteten von ihren Erfahrungen während und nach der Behandlung und sprachen über Diskriminierung und Heilung. Zu den Studiogästen gehörten traditionelle Heiler, religiöse Führer, Politiker, Lepra-Experten und Regierungsbeamte.
An der Vielzahl der Anrufe zeigte sich das große Interesse an Lepra. Zuvor hatte der Sender vor allem über reproduktive Gesundheit, HIV/Aids und Malaria berichtet, aber die Zuhörer waren für das neue Thema sehr offen.
Haut-Camps
Radio Wa unterstützte Talking Health vor allem, indem es über die so genannten Haut-Camps berichtete. Diese Camps reisten von Bezirk zu Bezirk und ermöglichten den Menschen, sich vor Ort diagnostizieren und behandeln zu lassen. Mehr als die Hälfte der Patienten, die dieses Angebot nutzten, hatten über Radio Wa davon erfahren.
War ein Camp-Besuch in einem Ort geplant, wurden die Dorfbewohner extra informiert, zum Teil auch in Kirchen und Moscheen. Radio Wa ermutigte die Patienten bisweilen sogar dazu, direkt ins Krankenhaus zu gehen. Einige taten das tatsächlich und konnten so gerade noch verhindern, durch die Krankheit behindert oder entstellt zu werden. Die Camps wurden auch genutzt, um lokales Gesundheitspersonal hinsichtlich Lepra zu schulen (siehe Kasten).
Wenn das Haut-Camp morgens um 10 Uhr öffnete, warteten bereits Hunderte von Patienten vor den Gesundheitseinrichtungen. Der Tag begann mit einem Kurs für alle in Volksgesundheit, im Anschluss folgte ein Frage-Antwort-Forum. Diese Veranstaltungen wurden aufgezeichnet und auszugsweise in der Radiosendung am darauffolgenden Sonntag ausgestrahlt. Auf diesem Weg wurde den Menschen der Umgang mit Lepra buchstäblich ins Haus gebracht.
Nach dem pädagogischen Teil wurden die Patienten im Camp behandelt. Jene mit Verdacht auf Lepra wurden zu Spezialisten geschickt. Dort bekamen sie eine persönliche Beratung und konnten ihre Fragen stellen. Außerdem wurden sie registriert und erhielten Medikamente. Die Behandlung begann sofort. Den Patienten wurde gezeigt, wann und wo sie die nächste Dosis abholen können, und sie kehrten mit dem Wissen heim, endlich kompetente Hilfe zu bekommen.
Bei 43 der insgesamt 5354 Menschen, die zu den 13 Camps kamen, wurde Lepra diagnostiziert. Weitere 29 Patienten konnten erst Anfang 2016 endgültig diagnostiziert werden. Die übrigen Patienten litten unter diversen sonstigen Hauterkrankungen, vor allem unter bakteriellen und Pilz-Infektionen. Auch sie wurden angemessen behandelt oder überwiesen.
Doryn Ebong, eine Krankenschwester aus der nordugandischen Stadt Lira, die seit langem an den Gesundheits-Sendungen von Radio Wa mitarbeitet, war für die Koordination von Talking Health zuständig. Zu ihrem Team gehörten ein Journalist, zwei Lepra-Kranke, ein NTLP-Mitarbeiter und mehrere Bezirksbeamte.
Ebong verwaltete das Budget und berichtete an die deutsche Geberorganisation. Sie verstand es als ihre Aufgabe, zu beraten, und überließ es somit den Bezirken, auszuwählen, welche Einrichtungen und Mitarbeiter geschult werden sollten. Somit fungierte sie mehr als Vermittlerin denn als Direktorin.
Das Projekt hatte viele Stärken:
- Es befasste sich mit einer schweren, oft vernachlässigten Tropenkrankheit.
- Es wandte sich an die ländliche Bevölkerung, und zwar in deren Sprache und auf eine kulturell angemessene Weise.
- Es war enorm kosteneffizient.
- Es verließ sich auf die vorhandenen Strukturen – lokale Einrichtungen, inklusive Gesundheitseinrichtungen und Radiostation – und stärkte diese zugleich.
- Es wird dank der Schulung des lokalen Gesundheitspersonals und des Radio-Teams eine nachhaltige Wirkung haben.
Erwähnenswert ist, dass die Haut-Camps die Menschen nicht nur für den Umgang mit Lepra sensibilisiert, sondern Hautgesundheit allgemein gefördert haben. Es verbesserte somit auch das Ansehen forschungsbasierter Gesundheitseinrichtungen.
Olaf Hirschmann war von Oktober 2011 bis März 2016 Repräsentant der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) in Uganda und Südsudan.
olaf.hirschmann@gmx.de
Herman Joseph Kawuma ist medizinischer Berater der DAHW für Uganda.
joseph.kawuma@dahw.org