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Sicherheitspolitik

Auf der Suche nach afrikanischen Lösungen

Mit der Gründung der Afrikanischen Union (AU) im Jahr 2002 wurde die Zeit der Nichteinmischungspolitik auf dem Kontinent beendet. Schon 2003 schickte die AU Truppen nach Burundi, die später unter das Kommando der Vereinten Nationen gestellt wurden. Ähnlich ist es heute im Sudan. Auch hier arbeitet die AU im Rahmen einer so genannten Hybrid-Mission mit den UN zusammen. Doch von einem Erfolgsmodell wollen dabei viele nicht sprechen.

[ Von Meike Scholz ]

Die einen hatten Ka­laschnikows, Panzerfäuste und zwei Hubschrauber: Das war die AU-Truppe in der sudanesischen Westprovinz Darfur. Seit 2004 versuchte sie, ein Waffenstillstandsabkommen durch­zusetzen, an das sich schon lange niemand mehr hielt – weder die zahlreichen Rebellengruppen noch die Regierungstruppen und deren irreguläre Milizen. Im Vergleich zu den AU-Soldaten waren sie alle hochgerüstet mit Mörsergranaten und Maschinengewehren, die auf offene Fahrzeuge montiert waren. Die sudanesische Armee verfügte zudem über Kampfhubschrauber und Antonow-Bomber, die schon im Südsudan in Kriegszeiten für Angst und Schrecken gesorgt hatten.

Tatsachen wie diese kennt Henry Boshoff. Er ist Militärberater und arbeitet am Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Tshwane, Pretoria. Dort zählt er Waffen und deshalb weiß er, dass AMIS den Kriegsparteien hoffnungslos unterlegen war. Ein Beispiel dafür war der Vorfall von Haskanita. Im September 2007 überfielen Unbekannte das Lager nigerianischer AU-Soldaten und töteten mindestens zehn Männer. „Die Nigerianer konnten sich nicht verteidigen, weil sie keine Munition mehr hatten“, sagt Boshoff. „Und die Verstärkung kam nicht, weil die Hubschrauber nicht für Nachtflüge geeignet waren. Die AU konnte ihren Soldaten nicht helfen.“

Seit einigen Monaten hat AMIS einen Nachfolger. UNAMID heißt die neue Mission – sie ist eine so genannte Hybrid-Mission aus UN- und AU-Soldaten. Nicht nur Boshoff hält das für einen schwachen Kompromiss. Aber die sudanesische Regierung bestand darauf, dass die Friedenstruppe afrikanisch bleiben müsse. Zwar sei das Mandat robust, sagt der südafrikanische Militärexperte. Die Hybrid-Mission habe den Auftrag, nicht nur sich selbst zu schützen, sondern auch die humanitären Helfer sowie Zivilisten. Doch immer noch gebe es Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Ressourcen.

Etwa 20 000 Mann soll die neue Hybrid-Truppe stark sein. Doch nach eigenen Angaben wird sie erst im Jahr 2009 voll einsatzbereit sein, sagt Boshoff. Die Taktik der sudanesischen Regierung sei damit also aufgegangen. „Allen ist klar, dass die afrikanischen Staaten dieses Soll gar nicht erreichen können“, sagt Boshoff und nennt Gründe:
– Afrikanische Truppen sind schon in zu vielen anderen UN-Missionen aktiv,
– ihre Truppen sind für die Einsätze nicht ausreichend ausgebildet, und
– sie haben nicht die nötige Ausrüstung.

Kampfhubschrauber, Ingenieure, Logistik – all das können laut Boshoff die Afrikaner nicht beisteuern. Aber auch bei den Kommandostrukturen gibt es noch erheblichen Klärungsbedarf. Wer ist letztlich für die Mission verantwortlich? Darauf habe er noch keine Antwort gefunden, sagt Boshoff.

Der politische Wille fehlt

Ähnlich kritisch äußert sich auch Huda Seif. Sie ist politische Beraterin des EU-Sonderbeauftragten für den Sudan und klagt vor allem über die Verhandlungspartner. „Bis jetzt sind wir nur mit denen in Kontakt, die eine Waffe tragen“, sagt sie. Die würden dadurch legitimiert. Stattdessen sollten aber andere Interessenvertreter gefunden werden, meint Seif. Denn weder die Rebellen noch die sudanesische Regierung genössen das Vertrauen der Menschen in Darfur.

Diese Meinung vertritt auch Aiesha Kajee, Direktorin des International Human Rights Exchange Programms an der Universität Witwatersrand in Johannesburg. „UNAMID operiert ohne den Segen des Einsatzlandes. Deshalb herrscht nur Paranoia.“ In einer Region wie Darfur, wo die ursprünglich drei Rebellengruppen inzwischen in so viele Fraktionen zerfallen sind, dass niemand genau weiß, wer für was und wen kämpft, kann das tödlich sein.

Kajee weist aber auch auf die anderen Konflikte im Sudan hin. Sie alle hätten vor allem eine Ursache: Die Marginalisierung der lokalen Bevölkerung durch die Regierung in Khartum. Der Krieg zwischen dem Norden und dem Süden konnte zwar im Januar 2005 mit einem Friedensvertrag beendet werden. Dennoch sind etliche Streitfragen noch offen. Vor allem in der Region Abyei könnte es deshalb bald wieder zu schweren Gefechten kommen. Und dann dürfe auch der Osten nicht vergessen werden, sagt Kajee. Dort sei die humanitäre Lage noch schlimmer als in Darfur.

Oberstleutnant Carl Rüdiger Tillmann vom Einsatzführungskommando der Bun­deswehr in Potsdam hat Einwände gegen die neue UN-AU-Mission. Als Leiter der Abteilung Beobachtungsmissionen betreut er unter anderen die deutschen Soldaten im Südsudan. Er sagt, dass die Vorbereitung der Mission nicht reiche. Multi-nationale Truppen müssten gemeinsam trainieren, um die Kommandostrukturen der anderen kennenzulernen. Sind die Versuche der Afrikanischen Union, gemeinsam mit den Vereinten Nationen auf dem Kontinent Frieden zu schaffen, damit gescheitert?

Im Jahr 2003, kurz nach ihrer Gründung, schickte die AU eine Friedenstruppe nach Burundi – zunächst ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats, aber auf Bitten der Regierung in Bujumbura. Erst ein Jahr später operierte die Truppe unter UN-Mandat. Dennoch wurde die Mission von Beginn an als legitim bezeichnet – und vor allem als erfolgreich –, auch wenn sie die Gewalt nur bedingt eindämmen konnte. Es sei nicht ihr Auftrag gewesen, die Zivilbevölkerung zu schützen, sagt die Burundi-Expertin Devon Curtis von der Universität Cambridge. Sie habe aber dafür gesorgt, dass mit den kurz danach angesetzten Wahlen eine neue politische Zukunft aufgebaut werden konnte.

Curtis zufolge ist der Erfolg der Mission vor allem Südafrika zu verdanken. Die Regierung am Kap hätte schnell reagiert, sofort Truppen geschickt und dabei auch noch die finanzielle Hauptlast getragen. Darüber hinaus hatte sich der ehemalige südafrikanische Präsident Nelson Mandela engagiert und schon im Vorfeld als Vermittler zwischen der Regierung und den verschiedenen Rebellengruppen den Weg für eine friedliche Lösung geebnet.

Viele fordern deshalb, Lehren aus dem Fall Burundi zu ziehen. Doch anstatt sich an ihren schnellen Mitgliedern zu orientieren, bewegt sich die AU im Tempo der langsamen, klagt Jakkie Cilliers, Geschäftsführer des Instituts für Sicherheitsstudien in Pretoria. Auch fehle ein einheitliches Wertesys­tem. Bis heute sei die AU abhängig von den jeweiligen Regierungen und deren Engagement. So habe die AU in Simbabwe keine besonders glorreiche Rolle übernommen, sagt Cilliers. Auch Somalia gilt als Negativbeispiel, weil nicht die AU, sondern Äthiopien eingriff. Nachbarstaaten verfolgten in der Regel aber Eigeninteressen, sagt Festus Aboagye, Oberst a. D. und ehemaliger Militärberater des Leiters der Afrikanischen Mission in Burundi. Ihr Engagement führe deshalb oft zu neuen Konflikten.

Fazit

In den vergangenen Jahren hat sich viel in Sachen afrikanischer Sicherheitsarchitektur getan. Die Institutionen sind aber noch schwach, darin waren sich die Teilnehmer des Potsdamer Frühjahrsdialoges, einer von SEF, InWEnt und anderen organisierten Konferenz im April, weitgehend einig.

Hybrid-Missionen seien dennoch keine Zwischenlösung, meint der Politikprofessor Siegmar Schmidt von der Universität Landau. Die Kommandostruktur sei zu kompliziert und die Stationierung dauere zu lange. Stattdessen gelte es, neue und besser ineinandergreifende Systeme zwischen regionalen und internationalen Organisationen zu entwickeln – zum Beispiel zwischen der Europäischen Union und der AU. Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt solche Ansätze. Deshalb kooperiert InWEnt mit der ECOWAS in Fortbildungen in Sachen Krisenprävention und Früherkennung.

Jean-Bosco Butera, Direktor des Afrikaprogramms an der United Nations University for Peace in Addis Abeba, fordert: „Afrika soll die Führungsrolle übernehmen, wenn es darauf ankommt.“ Der Kontinent könne sich aber auch keiner Illusion hingeben. Die Afrikaner dürften nicht denken, dass sie die Einzigen sind, die Lösungen fänden, so Butera. Letztlich gehe es um universelle Werte und die zu verteidigen sei aller Menschen Aufgabe.

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