Landleben
Bauern besser über Ökosysteme aufklären
Die große Insektenvielfalt in Malawi ist wertvoller, als viele Landwirte glauben. Sie ist entscheidend für eine nachhaltige Landwirtschaft. Die zivilgesellschaftliche Organisation Soil, Food and Healthy Community (SFHC) will die Situation verbessern. „Wir fordern die Landwirte auf, keine Pestizide einzusetzen“, sagt Laifolo Dakishoni vom SFHC. „Chemikalieneinsatz tötet alle Insekten, auch die nützlichen Bestäuber.“
SFHC betreibt ein Forschungs- und Ausbildungszentrum in Ekwendeni im Norden des Landes. „Wir versuchen den Bauern zu vermitteln, das Ökosystem als eine Einheit zu sehen“, erklärt Dakishoni. Um ein Ökosystem zu erhalten, dürfe man keine wichtigen Organismen zerstören.
SFHC begann seine Arbeit vor zwei Jahrzehnten. Laut Dakishoni nahmen die meisten Bauern die Behauptung, einige Insekten seien gut für ihre Pflanzen, nicht ernst. SFHC bezog sie in die Forschung ein. Sie konnten sich persönlich davon überzeugen, dass bestäubende Insekten den entscheidenden Unterschied machen. „Zum Beispiel haben wir Kürbisblüten zum Schutz vor Insekten mit einem Netz abgedeckt und andere Blüten unbedeckt und für Insekten zugänglich gelassen“, so der Aktivist. Die Ergebnisse waren eindeutig. Die abgedeckten Blumen starben ab, aber dort, wo die unbedeckten Blüten bestäubt worden waren, wuchsen Kürbisse.
Die Erträge der Bauern in Malawi sind niedrig, viele sind sehr arm. In Dakishonis Augen sind die vermeintlich modernen landwirtschaftlichen Praktiken Teil des Problems und nicht der Lösung, da beispielsweise der Einsatz synthetischer Chemikalien mehr schadet als nützt. Das heißt nicht, dass Schädlinge nicht bekämpft werden sollen. Aber SFHC lehrt die Dorfgemeinschaften, Insekten zu bekämpfen, ohne auf umweltschädliche synthetische Pestizide zurückzugreifen (siehe Kasten).
Zu lange sei die landwirtschaftliche Biodiversität vernachlässigt worden, sagt er. In Wahrheit hilft die Pflanzen- und Tiervielfalt den Betrieben, Schocks zu bewältigen. Bestäubung ist nur eines von vielen relevanten Themen. Monokulturen sind anfällig, Vielfalt macht Systeme widerstandsfähiger.
Traditionelle Landsorten sind wichtig
Jahrhundertelang haben afrikanische Bauern Sorten gezüchtet, die sehr gut an ihre Umgebung angepasst sind. Diese sogenannten „Landsorten“ zeichnen sich durch eine hohe genetische Vielfalt aus. Melaku Worede, der äthiopische Forscher, der 1989 den Right Livelihood Award gewann, und andere Wissenschaftler argumentieren seit Jahrzehnten, dass sie den lokalen Bedürfnissen entsprechen (siehe das Interview mit ihm im E+Z/D+C Druckheft 2012/03, S. 102).
Es gehörte früher zum Wissen der Dörfer, welche traditionelle Sorte unter welchen Umständen am besten geeignet ist. Manche brauchen wenig Wasser und kommen gut mit Hitze zurecht, andere überleben Überschwemmungen oder sind resistent gegen Schädlinge. Die große Vielfalt der Landsorten bietet lokal angepasste Pflanzen für alle Arten von Wetter, Böden und Standorte.
Paradoxerweise nutzen kommerzielle Züchter genetische Informationen von Landsorten, um ertragreiches Saatgut zu optimieren. Worede und andere umweltbewusste Forscher betonen, dass die Hightech-Landwirtschaft ohne die genetischen Ressourcen der traditionellen Landwirtschaft nicht lebensfähig ist, während die traditionellen Betriebe meist keine teuren Hightech-Inputs brauchen. Der Anbau von Hybriden mit Hilfe des intensiven Einsatzes von Agrochemikalien mag zwar zu höheren Hektarerträgen führen, ist aber nicht nachhaltig. Für die meisten afrikanischen Kleinbauern ist er unerschwinglich.
Malawi ist eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern. In den vergangenen Jahren haben häufige Dürreperioden die Nahrungsmittelproduktion stark beeinträchtigt und die Ernährungssicherheit verringert. Laut Welthungerindex 2020 liegt das Land auf Platz 80 von 107 Ländern.
SFHC will die Situation verbessern, indem sie agrarökologische Anbaumethoden fördert. Die Organisation arbeitet derzeit mit mehr als 6000 Bauern in über 200 Dörfern in Nord- und Zentralmalawi zusammen. Die Bauern werden ermutigt, lokale Sorten anzubauen. SFHC rät ihnen auch, mehrere verschiedene Arten von Nutzpflanzen auf einem Feld anzubauen. Nach Ansicht von Experten sind die Landsorten wichtig, um die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen. Pflanzenvielfalt stärkt die Resilienz der Betriebe.
Eine bessere Zukunft
In Ekwendeni haben die Bauern der Region bereits eine bessere Zukunft. Mwapi Mkandawire ist eine davon. Ihr Betrieb ist sehr vielfältig, sie baut Mais, Soja und Erdnüsse ohne synthetische Chemikalien an. Und sie freut sich über die Ernten: „In meinem Haushalt gibt es keine Ernährungsunsicherheit, nicht im Geringsten.“
Außerdem erzielen die Kleinbauern durch den Verkauf von Ernteüberschüssen Einkommen. Davon hat Tapiwa Mkandawire profitiert. Er erklärt: „Meine Familie hat durch die angebauten Pflanzen nicht nur Essen auf dem Tisch, sondern ich kann auch einen Teil davon verkaufen.“ Früher war das nicht möglich.
Sobald die Farmer von SFHC geschult wurden, helfen sie ihren Kollegen in der Gemeinde, indem sie das Gelernte weitergeben – etwa die Nutzung von Kompost, um Kosten für teure Düngemittel zu senken, und den Einsatz organischer Pestizide. Die allgemeine Erfahrung ist, dass die Ernteerträge sich verbessern und das Einkommen der Bauersfamilien steigt.
Auch andere zivilgesellschaftliche Organisationen bemühen sich um das Thema. So hat Slow Food International landesweit mehr als 450 Schul- und Gemeinschaftsgärten angelegt, die allesamt weder chemische Pestizide noch Düngemittel verwenden (siehe meinen Beitrag im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2020/11). Die Gärten dienen Ausbildungszwecken mit dem doppelten Ziel:
- eine lokale lebensfähige Landwirtschaft und
- eine gesunde und wohlschmeckende Nahrung für die Menschen sicherzustellen.
Laut Dakishoni von SFHC erweist sich der Erhalt der Biodiversität in Malawi als schwierig. Das liegt daran, dass Regierung und zivilgesellschaftliche Aktivisten auf verschiedenen Ebenen arbeiten, ohne sich zu koordinieren. „Es gibt einige Organisationen, die sich für den Erhalt der Artenvielfalt im Land einsetzen“, sagt er. Wenn die Beteiligten mehr über das Tun der anderen wüssten, wäre die Wirkung größer und die Maßnahmen könnten wirksamer umgesetzt werden.
Rabson Kondowe ist Journalist und lebt in Blantyre, Malawi.
kondowerabie@gmail.com