Wassermangel

Flucht vor der Trockenheit

Unter dem Klimawandel leiden insbesondere die Ärmsten dieser Erde. So auch in Mustang, einem Distrikt im Norden Nepals. Ganze Dörfer fragen sich angesichts des steigenden Wassermangels, ob sie umsiedeln sollen. Forscher untersuchten, ob ihnen das helfen kann und was sie beachten müssen.
Abgeschiedenheit im Norden Nepals: das Dorf Dheye in Mustang. Daniel Pittet Abgeschiedenheit im Norden Nepals: das Dorf Dheye in Mustang.

Wüstenähnliche Trockenheit, eisige Kälte, heftige Tageswinde und die Höhenlage machen den nepalesischen Dis­­trikt Mustang zu einem lebensfeind­lichen Ort. Gegen Süden wird er durch die beiden Bergriesen Dhaulagiri und Annapurna begrenzt, die wie eine massive Feuchtigkeitsbarriere wirken und damit die niederschlagsreichste von einer der trockensten Regionen Nepals trennen. Lo, der nördliche Teil des Distrikts, ist sprachlich und kulturell stark an Tibet gebunden und ist bis heute nur von China per Straße zu erreichen.

Für das Überleben der lokalen Bevölkerung sind vor allem die Bäche des Hochtals unabdingbar. Sie liefern Wasser für den Anbau lebenswichtiger Nahrungs­mittel wie Buchweizen und Gerste. Ohne Be­wässerung wäre Landwirtschaft in dieser trockenen Region mit durchschnittlich nur knapp 200 Millimetern Jahresniederschlag gar nicht möglich.

Innerhalb des letzten halben Jahrhunderts jedoch nahm die Wasserführung in zahlreichen Bächen Los ab. Dorfbewohner berichten, dass viele Leute Felder abstoßen mussten. Vielerorts sieht man verlassene Parzellen.

Das  Problem droht sich noch zu verschärfen: Dem Klima­experten Mario Rohrer zufolge wird sich die Niederschlagsmenge in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern. Rohrer rechnet aber – gestützt auf Szenarien des Inter­governmental Panel on Climate Change (IPCC) – mit einem Temperaturanstieg von vier bis zehn Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts. Das wird dazu führen, dass weniger Niederschlag in Form von Schnee fallen und die vorhandene Schneedecke schneller schmelzen wird.  Bäche, die nicht von Gletschern genährt werden, sind aber von der Schneedecke abhängig. Denn der langsam schmelzende Schnee sorgt für eine relativ konstante Wasserführung, wohingegen Regen zu unregelmäßiger Wasserführung der Bäche führt. Viele Bäche werden in Zukunft also weniger zuverlässig Wasser führen.

Der Wassermangel ist bereits jetzt so gravierend, dass die Dorfbewohner sich fragen, ob sie umsiedeln müssen. Auf staatliche Unterstützung können sie dabei kaum hoffen, denn in dem abgeschiedenen Hochtal sind Regierungsinstitutionen kaum präsent. Der soziale Zusammenhalt innerhalb der Dörfer ist jedoch sehr groß, und Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen.


Studie in Mustang

Um die Lage zu analysieren, reisten wir Ende Juni 2012 mit Experten der Südschweizer NGO Kam For Sud und der Fachhochschule der italienischen Schweiz (SUPSI) nach Lo. Wir sollten prüfen, ob die Umsiedelung der Dörfer Samzong, Yara und Dheye notwendig und sinnvoll ist. Unterstützt wurde das Team von der lokalen Mustang Stiftung (LMF) des buddhistischen Lama Ngawang Kunga Bista.

Alle drei Dörfer haben ähnliche hy­drologische Gegebenheiten und zunehmend Wassermangel. Dieser drängt die Bewohner – wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit – an den Rand ihrer Existenz. Die Orte sind zudem an Bächen gelegen, deren Wasserstand nicht von Gletschern abhängt und daher in Zukunft weiter abnehmen könnte.

Wir interviewten jede der insgesamt 53 Familien, die in den Dörfern leben. Ihren Aussagen zufolge brauchen sie das gesamte Bachwasser für die Bewässerung der Getreidefelder. Wenn der Wasserstand in den Bächen sinkt, wirkt sich das direkt auf die Landwirtschaft und damit auf die Ernährungssicherheit aus.

Es wäre sicher möglich, die Situation kurzfristig zu überbrücken – so könnte man den Wasserverlust reduzieren, indem man die Kanäle in Plastikrohre verlegt. Das würde die Probleme jedoch nur um ein paar Jahre hinauszögern. Die einzig längerfristige Lösung, den Wasserverbrauch deutlich zu senken, wäre, weniger Landwirtschaft zu betreiben.

Die Studie ergibt, dass dies nur in Yara möglich wäre. Yara ist verhältnismäßig gut erschlossen und bietet tou­ristische und religiöse Attraktionen, weshalb es hier noch alternative Erwerbsmöglichkeiten gibt. Wenn sich die Dorfbewohner auf Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft konzentrieren und gleichzeitig effizientere Bewässerung einführen, könnte dies eine erfolgreiche, langfristige Anpassungsstrategie sein. So könnte eine Umsiedlung für Yara – zumindest aus heutiger Sicht – umgangen werden.


Umsiedeln ­unumgänglich

Für Samzong und Dheye dagegen sieht das Team keine solche Möglichkeit und empfiehlt den Einwohnern umzusiedeln. Beide Dörfer haben dafür tiefer gelegene Standorte ausgewählt, deren Wasser­ressourcen nicht so bald erschöpfen werden. Das Wasser der Bäche dort stammt zum Teil aus Gletschern, deren riesige Wasserreserven bis mindestens Ende des Jahrhunderts bestehen bleiben werden. Eine Umsiedelung muss jedoch genau geplant und die Risiken sorgfältig abgewogen werden. So schlägt die Studie beispielsweise vor, die neuen Dörfer nach einem modularen Konzept aufzubauen: Jede Familie soll eine gleich große und gleich geformte Landparzelle erhalten, die sie nach eigenen Wünschen ganz oder nur teilweise bebauen kann. So bleibt genug Platz, um einzelne Grundstücke auszubauen, sowie genug Raum, damit das Dorf insgesamt wachsen kann. Um das Dorf gegen den starken Wind zu schützen, sollten die Parzellen in einem Halbkreis angeordnet sein und von einer fünf Meter hohen Mauer umgeben werden.

Zu den Risiken gehört unter anderem, dass am neuen Ort für die Felder von Samzong Sturzfluten – sogenannte GLOFs (Glacier Lake Outburst Floods) – möglich sind. GLOFs entstehen, wenn sich interne Gletscherseen bilden, die sich durch eine Veränderung der Eisstrukturen plötzlich entleeren. Wenn die Klimaerwärmung weiter fortschreitet, werden solche Fluten in Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach zunehmen. Wir haben daher geologische Gefahrenkarten erarbeitet und empfehlen Schutz­maßnahmen wie zum Beispiel den Bau eines Schutzdamms für die Äcker.   

Der neue Standort für Dheye, ein etwa 25 Hektar großes, leicht erhöhtes Plateau, birgt ungelöste technische Probleme. So ist noch unklar, wie das Wasser möglichst einfach auf die erhöhte Ebene transportiert werden kann. Es steht außer Frage, dass Samzong, Yara und Dheye bald zum Handeln gezwungen sein werden, um ihr Überleben zu sichern. Lama Ngawang Kunga Bista meint dazu: „Ihr Westler verursacht die Probleme, nun müsst ihr uns dabei helfen sie zu lösen.“ Deshalb plant Kam For Sud bereits ein weiteres Projekt mit dem Nepalesischen Partner LMF. Dabei sollen Lösungen für die noch offenen technischen Fragen – wie etwa den Wassertransport – gefunden werden.

Daniel Bernet arbeitet als technischer Berater bei Kam For Sud, einer in Nepal aktiven Schweizer NGO. Er ist ein Autor der Studie „Moving down or not? A key question for Samzong, Yara and Dheye“ und hat dafür in Nepal geforscht.
bernet.d@gmail.com
http://www.kamforsud.org


Referenzen
Bernet, D., Pittet, D., Ambrosi, C., Kappenberger, G., und Passardi, M., 2012: Moving down or not? A key question for Samzong, Yara and Dheye, three villages in Upper Mustang, Mustang District, Nepal. Kam For Sud / SUPSI: Ticino, Switzerland.
http://ita.kamforsud.org/i-progetti-in-nepal/
cambiamenti-climatici
Rohrer, M., 2012: Actual and future trends in precipitation and air temperature in Nepal and especially in Mustang province and during Monsoon – Part I and II. Unpublished report. Meteodat.