Vereinte Nationen
Neue Herausforderungen
Die UN feiert in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag. Ursprünglich als Sicherheitsorganisation gegründet, versteht sie sich inzwischen vielmehr als Entwicklungsorganisation. Trotz ihrer jahrzehntelangen Erfahrung wächst die Kritik daran, dass ihre Bürokratie die Effektivität der Organisation behindere.
Jakob Rhyner von der United Nations University (UNU) erkennt an, dass aus Krisensituationen viele positive Entwicklungen entstanden sind. Besonders in der Katastrophenvorsorge, die in Anbetracht des Klimawandels immer mehr an Bedeutung gewinnt, hat es enormen technischen Fortschritt gegeben. Frühwarnsysteme wurden dank der Innovationskraft des Privatsektors etabliert. Auf politischer Seite gebe es allerdings nur wenige Fortschritte in Bezug auf die Katastrophenvorsorge, beklagte Rhyner Anfang November auf einer Podiumsdiskussion an der Universität Bonn.
Schwerfälligkeit scheint bei den politischen Bestrebungen der UN-Programme ein generelles Problem zu sein. Jürgen Zattler vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) führt dies auf unzureichende Finanzierungsmechanismen der UN zu-rück. Deutschland zum Beispiel möchte die sogenannte Grundfinanzierung erhöhen, also regelmäßige, zuverlässige Zahlungen, die sicherstellen, dass die UN ihre Kernfunktionen erfüllen kann. Allerdings haben Verhandlungsverzögerungen ausreichende Finanzierungsprogramme bislang behindert.
Lutz Möller von der der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), lobt die SDGs, die in diesem Jahr verabschiedet wurden, denn sie beziehen sich sowohl auf Industrie- als auch auf Entwicklungsländer. Er erwartet, dass die SDGs Einfluss auf nationale Politiken haben werden, weil sie Regierungen zwingen, globale Perspektiven zu berücksichtigen. Möller erklärt, der UN-Klimagipfel in Paris werde „den Zustand des Multilateralismus offenbaren“.
Dem stimmt Richard Kinley vom UN-Klimasekretariat (UNFCCC) zu. Im Rückblick auf frühere Verhandlungen sieht Kinley eine positive Entwicklung der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, den Klimawandel zu bekämpfen. Frühere Konferenzen ergaben nur schwache, unbefriedigende Verträge, so dass die UN einen Lernprozess durchlaufen musste. In Bezug auf Paris ist Kinley zuversichtlich, „dass wir am Ende der Verhandlungen ein Abkommen auf dem Tisch haben werden“.
Er baut auf ein System von Zusagen, das den Ländern individuelle Entscheidungen ermöglicht. Das sei besser als die Festlegung von Standards auf Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners, wie es bei früheren Konferenzen der Fall gewesen sei. „Regierungen werden nichts tun, nur weil internationale Organisationen es ihnen sagen“, meint Kinley, „sie werden nur handeln, wenn es in ihrem eigenen Interesse ist.“ Aus seiner Sicht sind multilaterale Fortschritte von entscheidender Bedeutung: Schwächere Mitgliedsstaaten müssten vor dem Gefühl bewahrt werden, von reichen Ländern bevormundet zu werden. Vereinbarungen müssten flexibel gehalten werden, damit Anpassungen an Veränderungen möglich seien, sagt Kinley.
Laut Richard Dictus von United Nations Volunteers (UNV) sind Freiwillige von entscheidender Bedeutung für die Anpassung an den Klimawandel, weil sie Politikgestaltung mit echten Menschen verbünden. Seiner Ansicht nach muss „die UN immer die menschlichen Dimensionen ihrer Programme zeigen“. Freiwillige seien wichtig, um Menschen zu mobilisieren und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen, vor allem dort, wo demokratische Rechte fehlen. Allerdings seien Freiwilligen-Programme auf lokaler Ebene allzu oft unterfinanziert, sagt Dictus.
Floreana Miesen