Ostafrika

Der Schlüssel zu Kenias industriellem Wachstum

Kenias Textil- und Bekleidungssektor kämpft mit diversen Engpässen. Die Regierung will für Besserung sorgen.
Erster Güterzug auf der Strecke Nairobi-Naivasha 2019: Für afrikanische Verhältnisse ist die Verkehrsanbindung in Kenia sehr gut. picture alliance / Xinhua News Agency / Wang Teng Erster Güterzug auf der Strecke Nairobi-Naivasha 2019: Für afrikanische Verhältnisse ist die Verkehrsanbindung in Kenia sehr gut.

Voraussichtlich ist die Bekleidungsindustrie die führende Branche Kenias im nächsten Jahrzehnt. Das besagt ein kürzlich von der Standard Chartered Bank veröffentlichter Bericht. Die Autoren begründen das mit dem Einfluss von Investoren aus Asien und dem Mittleren Osten und fokussieren besonders auf die von der Regierung eingerichteten Freien Exportzonen (FEZ).

Trotz Lieferketten-Probleme während der Corona-Pandemie exportierte Kenia 2020 Kleidung im Wert von 420 Millionen Dollar. Die Branche ist arbeitsintensiv und beschäftigt derzeit 50 000 Menschen im Land, viele davon Frauen. Aus entwicklungspolitischer Sicht ist das Wachstum in diesem Sektor sehr wertvoll, da es zum Lebensunterhalt vieler Familien beiträgt.

Abel Kamau von der Kenya Association of Manufacturers (KAM) und zuständig für Textilindustrie sieht großes Potential. Er glaubt, dass „eine voll entfaltete Wertschöpfungskette” in der Bekleidungsindustrie bis zu 10 Prozent der Bevölkerung beschäftigen könnte, denn Baumwollanbau und Herstellung von Bekleidung sind sehr aufwändig..

Die internationale Konkurrenz ist hart. Laut Standard Chartered-Bericht ist China nicht nur weltweit „größter Produzent und Exporteur von Rohmaterialien und Kleidung“, zudem „investiert es in moderne Produktionsanlagen, Technologien und ,grünere’ Produkte.” Klar ist: Die Chinesen wollen ihren Wettbewerbsvorteil erhalten. Soll Kenia aufholen, müssen Wirtschaftsführer und Politiker wachsam sein.

Infrastruktur ist wichtig

Eine der größten Herausforderungen ist die physische Infrastruktur. Kenianische Produzenten brauchen zuverlässig Strom, bessere Straßen und kontinuierliche Wasserversorgung. Laut Landesregierung sind „die Kosten für den Straßentransport viermal höher als im weltweiten Vergleich“. Das schränkt Transportzeiten und internationale Wettbewerbsfähigkeit ein. Auch sind die Lieferketten unzuverlässig. Andererseits sieht es in den meisten anderen afrikanischen Ländern noch schlechter aus.

Auch Finanzdienste spielen eine Rolle. Laut Standard Chartered kommen die verschiedenen Akteure der Bekleidungsbranche nicht leicht an Kredite. Hauptprobleme sind hohe Zinssätze und komplexe Vorschriften – etwa eine Mehrfachbesteuerung durch verschiedene Behörden auf Landes- und Bundesebene.

Hinsichtlich qualifizierter Arbeitskräfte ist das Bild gemischt. Kenianische Regierung und Weltbank haben den Textil- und Bekleidungssektor gemeinsam untersucht. Im Bericht heißt es, es gebe qualifizierte Arbeitskräfte im Land – um deren Potenzial zu entwickeln, müsse jedoch mehr getan werden. Sie empfehlen mehr betriebliche Ausbildung. Qualifikationsprüfungen und darauf basierende Programme zu entwickeln wäre den Experten zufolge teurer. Löhne seien in Kenia für afrikanische Verhältnisse hoch, an die Nichtrohstoffindustrie würden hohe Qualitätsanforderungen gestellt. Daher begrüßen sie, dass Kenia versucht, Qualifikationen auf Management-, Technik- und Betriebsebene zu verbessern, um produktiver zu werden.

Problematisch sind aber auch Angebot und Qualität der Baumwolle aus Kenia. Die Industrie muss entscheiden, ob sie lokale Baumwolle kauft und qualitativ aufarbeitet, oder ob sie höherwertige teurere Stoffe importiert. Korruption in den Häfen und laxe Durchsetzung von Zollvorschriften ermöglichen das Einschleusen von Fälschungen und minderwertigen Stoffen.

Auch der internationale Handel mit Second-Hand-Kleidern ist nicht unproblematisch. Ausrangierte Kleider aus reichen Ländern werden auf afrikanische Märkte importiert und an Endverbraucher verkauft (siehe Thomas Fischer auf www.dandc.eu). Besonders ärmere Menschen kaufen diese Artikel, was den Absatz der einheimischen Produzenten mindert. Das Institute of Economic Affairs in Kenia hat jedoch festgestellt, dass importierte Gebrauchtkleidung und lokal hergestellte Kleidung „nicht unbedingt miteinander konkurrieren“.

Was Kenia tun kann

Damit die Branche im Ausland größere Marktanteile gewinnen kann, müssen sich Wirtschaftsführer und Politiker diesen Herausforderungen stellen. Laut KAM-Experte Kamau ist das machbar: „Kenia kann sich vom aufstrebenden Textil- und Bekleidungsexportriesen Bangladesch bewährte Verfahren abschauen.“ (für die Arbeitgeberperspektive siehe M.A. Jabbar auf www.dandc.eu, für die Arbeitnehmerperspektive Nazma Akter auf www.dandc.eu / für die Arbeitgeberperspektive siehe M.A. Jabbar auf Seite 21, für die Arbeitnehmerperspektive Nazma Akter auf Seite 23). Arbeitgebervertreter Kamau findet vielversprechend, dass Kenia „eine erhebliche Menge an Einkäufern aus aller Welt herbeilocken konnte“.  

Kenia braucht eine Strategie, darüber ist sich die Branche einig. Zunächst braucht es mehr Investoren. Bekleidungshersteller siedeln sich in Kenia an wegen der guten Arbeitskräfte und Nairobis Rolle als Verkehrsknotenpunkt in Ostafrika. Frachtflüge erleichtern den Vertrieb. Für afrikanische Verhältnisse sind die kenianischen Schienen- und Straßenverbindungen sehr gut. Der Transport vom und zum Hafen von Mombasa ist relativ einfach. 

Zudem können sich neue Investitionen auf energieeffiziente Technologie verlassen. Geringere Energiekosten sind ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Läuft es dort gut, hilft das Herstellern, Öko-Zertifikate zu erhalten, mit denen sie wiederum höhere Preise verlangen können. Angesichts der Klimakrise gibt es auf den globalen Märkten immer mehr umweltbewusste Verbraucher.

Nützliche Handelsabkommen 

Auch Handelsabkommen sind hilfreich. Kenia gehört zu der sieben Länder umfassenden ostafrikanischen Gemeinschaft (East African Community) mit über 280 Millionen Menschen und dem gemeinsamen Markt für das östliche und südliche Afrika mit 21 Mitgliedern und einem Markt von rund 600 Millionen Menschen. Die afrikanische kontinentale Freihandelszone wird es vermutlich zudem erleichtern, in Kenia hergestellte Ware auf dem gesamten Kontinent zu verkaufen.

Auch haben Kenia und die EU im Februar vereinbart, über ein Interim-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu verhandeln. Laut Europäischer Kommission, wird sie allen kenianischen Exporten zollfreien und quotenfreien Zugang zum EU-Markt gewähren, während Kenia sich zu einer teil- und schrittweisen Öffnung seines Marktes verpflichten muss. 

Dem Standard Chartered-Bericht nach profitieren kenianische Exporte zudem von einem zollfreien Zugang zum amerikanischen Markt gemäß dem African Growth and Opportunity Act (AGOA). Diese Regulierung gilt bis 2025 und hat geholfen, industrielle Entwicklung in afrikanischen Ländern zu erleichtern.

Kenias Regierung sieht zudem Chancen in der Spezialisierung und Diversifizierung. Sie will „Kenias Image als Afrikas Drehscheibe für Innovation und grüne Herstellung” entwickeln. Leitidee ist, dass Unternehmen hochwertige Waren produzieren, um von höheren Preisen für kleine Serien und umweltfreundliche Produkte zu profitieren.

Damit Unternehmen ihre Qualität verbessern können, sieht die Regierungsstrategie auch die Beschaffung im öffentlichen Sektor Kenias vor. Polizeiuniformen und Kittel für öffentliche Gesundheitseinrichtungen werden wahrscheinlich aus dem Inland geordert, ebenso Schuluniformen. „Eine Analyse zeigt, dass die meisten Haushalte bei Bedarf neue Kleidung kaufen – etwa Schul- oder Arbeitsuniformen“, so das Kenyan Institute of Economic Affairs.


Alphonce Shiundu ist Journalist Faktenchecker in Nairobi.
shiunduonline@gmail.com

 

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