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Sexuelle Ausbeutung

Wie Mädchen aus Nepal in die Prostitution geraten

Viele nepalesische Frauen und Mädchen leben im Ausland als Sexarbeiterinnen unter sklavenähnlichen Bedingungen. Scham, Stigma, fehlende Dokumente und Gewalt halten sie gefangen. Einige zivilgesellschaftliche Organisationen haben diesen Zuständen den Kampf angesagt.
Nur wenige dürfen nach Hause, wenn sie möchten: Frauen im Rotlichtbezirk von Kalkutta im Dezember 2020. picture-alliance/NurPhoto/Debajyoti Chakraborty Nur wenige dürfen nach Hause, wenn sie möchten: Frauen im Rotlichtbezirk von Kalkutta im Dezember 2020.

Nepal ist eine patriarchalische Gesellschaft, in der Frauen gegenüber Männern als minderwertig gelten. Viele Familien sehen in Mädchen vor allem eine Last und versuchen, sie möglichst früh zu verheiraten. Vor allem in armen ländlichen Gegenden, wo viele unterhalb der Armutsgrenze leben, schicken Familien ihre Kinder in die Städte oder sogar ins Ausland, um zu arbeiten.

In Nepal herrschte früher das Kamalari-System. Das bedeutet, Mädchen aus ärmeren Gegenden wurden weggeschickt, um als Hausangestellte von Landbesitzern, Geschäftsleuten oder Beamten zu arbeiten. Das Kamalari-System wurde zwar per Gesetz abgeschafft, es existiert aber de facto immer noch bis zu einem gewissen Grad. Solche Traditionen sind in vielen Ländern mit geringen Einkommen sehr mächtig. Die Mädchen sind meist etwa acht Jahre alt, wenn sie ihr Zuhause verlassen, manchmal aber auch erst fünf.

Es liegt auf der Hand, dass solche Stellenangebote vielen armen Familien lukrativ erscheinen. Das gilt auch für manche Heiratsanträge. Doch kriminelle Netzwerke beuten diese Familien aus. Sie versprechen geregelte Mahlzeiten, gute Kleidung und ein Blechdach über dem Kopf – und die Eltern geben ihr Kind in die Hände einer völlig fremden Person.

Auf diese Weise senden viele Eltern ihre Töchter in die Sexsklaverei, ohne es zu wissen. Tausende Frauen und Mädchen werden deshalb in Bordellen ausgebeutet – oder in privaten Haushalten in Indien, dem Mittleren Osten, Südostasien oder sogar Afrika. Auch China scheint ein beliebtes Zielland für Menschenhandel aus Nepal zu werden, wie jüngste Berichte zeigen.

Traditionell werden nepalesische Frauen und Mädchen ins Nachbarland Indien geschickt, wo ihr relativ heller Hautton als attraktiv gilt. Außerdem kursiert der Aberglaube, dass Sex mit nepalesischen Jungfrauen verschiedene Krankheiten heilen könne, darunter HIV/Aids. Da die Grenze zwischen Indien und Nepal offen ist, wird Indien auch als Durchreiseland genutzt.

Im Jahr 2013 wurden 108 junge Frauen und Kinder an der indisch-nepalesischen Grenze aufgegriffen, wie es in einer Studie des indischen Grenzschutzbeamten Sashastra Seema Bal von 2018 heißt. Bis 2017 stieg diese Zahl auf 607. Und die Nationale Menschenrechtskommission von Nepal berichtete 2019, dass etwa 35 000 Personen in Nepal dem Menschenhandel zum Opfer fielen, darunter 15 000 Frauen und 5000 Kinder. Weitere 1,5 Millionen seien davon bedroht. Die tatsächlichen Zahlen sind vermutlich höher, weil nicht dokumentierte Fälle in den offiziellen Statistiken nicht auftauchen. Laut der Kommission ist Menschenhandel sowohl im Inland als auch grenzüberschreitend verbreitet.

Ursachen für diese schlimme Entwicklung sind extreme Armut, Arbeitslosigkeit und die schlechte Umsetzung der nepalesischen Gesetze gegen Menschenhandel. Viele Nepalesen wandern aus (siehe Kasten), deshalb hat die Regierung Reisen ins Ausland eingeschränkt. Insbesondere hat sie es erschwert, das Land zu verlassen, um als Haushaltshilfe zu arbeiten. Die Idee dahinter: die Menschen vor möglicher Ausbeutung schützen.

Eine Folge davon ist allerdings, dass nun mehr Frauen und Mädchen das Land ohne gültige Dokumente verlassen. Das macht sie noch angreifbarer. Illegale Einwanderinnen wissen, dass sie sich nicht an staatliche Behörden wenden können, um Unterstützung zu erhalten. Sie sind somit leicht zu manipulieren und zu kontrollieren. Schleuser nehmen deshalb ihren Opfern bewusst Pässe und andere Identitätsnachweise ab.

Wer an ein Bordell verkauft wurde, sitzt in der Falle. Es ist sehr schwer für die Opfer, dieser Situation zu entkommen – und noch schwerer, nach Hause zurückzukehren. Scham und Stigmatisierung spielen eine große Rolle. Außerdem sind viele schwer traumatisiert durch sexuellen Missbrauch und andere Formen von Gewalt. Die Opfer haben häufig ein sehr geringes Selbstwertgefühl. Viele glauben weder daran, dass sie jemals wieder ein normales Leben führen können, noch dass ihnen dies überhaupt zustehe.

Weit verbreitetes Muster

Dass Frauen aus ärmeren Ländern in reicheren Ländern als Sexarbeiterinnen ausgebeutet werden, ist ein wiederkehrendes Muster auf internationaler Ebene. In der EU sind beispielsweise viele Frauen aus Osteuropa oder Afrika in Rotlichtbezirken gefangen. In den USA sind viele lateinamerikanische Frauen betroffen.

Hoffnung macht, dass einige Opfer sich erfolgreich wehren – wie Chari Maya Tamang. Sie wurde mit 16 Jahren von Nepal in ein indisches Bordell geschleust und dort knapp zwei Jahre lang ausgebeutet. Durch eine staatliche Razzia kam sie frei und kehrte nach Nepal zurück. Doch in ihrer Heimat stieß sie auf Ablehnung. Allerdings fand sie als Erste den Mut, zur Polizei zu gehen und ihre Schleuser anzuzeigen. Im Jahr 1997 befand ein Gericht dann acht Männer für schuldig.

Gemeinsam mit anderen Opfern von Menschenhandel gründete Tamang im Jahr 2000 eine zivilgesellschaftliche Organisation namens Shakti Shamuna, die sich für die Rechte der Opfer von Menschenhandel einsetzt und 2013 den prestigeträchtigen Ramon Magsaysay Award gewann. Eine andere wichtige Organisation heißt Maiti Nepal.

Tamang hat ein Beispiel gesetzt und damit viele inspiriert: Immer mehr befreite Opfer von Menschenhändlern verklagen diejenigen, die für ihr Leid verantwortlich sind. In vielen Ländern weltweit ist Tamangs Schicksal mittlerweile bekannt – und was sie trotz allem erreicht hat.


Rukamanee Maharjan ist Juradozentin an der Tribhuvan-Universität in Kathmandu.
rukumaharjan@gmail.com

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