Kommentar

Das neue Gesicht des IWF

Im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise hat die G20, die Gruppe der 20 wichtigsten Volkswirtschaften, den Internationalen Währungsfonds (IWF) erheblich gestärkt. Der Fonds hat in jüngster Zeit großzügiger agiert als in der Vergangenheit. Der künftige Kurs ist aber noch nicht klar – und ob der IWF wirklich zu einer Art Schiedsrichter über die Wirtschaftspolitik seiner Mitgliedsländer wird, ist auch noch nicht ausgemacht.


[ Von Kathrin Berensmann und Peter Wolff ]

Der G20-Gipfel im April in London beschloss, die Mittel des IWF von weniger als 100 Milliarden Dollar auf mehr als 850 Milliarden aufzustocken. Zu diesem Zweck stellen die Industrieländer – erstmals aber auch China und Brasilien – dem IWF per Kredit einen kleinen Teil ihrer eigenen Währungsreserven zur Verfügung. Außerdem wurden die Sonderziehungsrechte – ein IWF-internes Zahlungsmittel – aller 186 IWF-Mitglieder erhöht. Obendrein verkauft der IWF Goldreserven, um den ärmsten Ländern bis 2014 mit zinsgünstigen Darlehen von insgesamt 17 Milliarden Dollar beistehen zu können.

Mit dem vielen Geld soll der IWF den Folgen der weltweiten Finanzkrise entgegenwirken. Auch seine Bedeutung für die ärmsten Länder ist gestiegen. Der Fonds hat angekündigt, ihnen in den nächsten zwei Jahren insgesamt acht Milliarden Dollar zinsgünstig zur Verfügung zu stellen – nach jeweils nur einer Milliarde in den vergangenen drei Jahren. Zudem erlässt der IWF rund 60 Niedrigeinkommensländern die Zinszahlung für ausstehende Kredite bis Ende 2011. Ein erheblicher Teil der zusätzlichen Finanzzusagen in den aktuellen Turbulenzen ist gar nicht oder nur kaum an Auflagen gebunden. Das entsprach den Wünschen der Mitglieder nach möglichst viel Liquidität und möglichst geringen Auflagen. Auf dem Höhepunkt der Krise war das sicherlich richtig. Die rasche Liquiditätsversorgung hat geholfen, dramatische Finanzengpässe in Schwellen- und Ent­wick­lungsländern zu vermeiden.

In der Krise hat der IWF also seine orthodoxen Rezepte revidiert. Der Fonds mit dem französischen Sozialisten Dominique Strauss-Kahn an der Spitze erlaubte Entwicklungsländern nicht nur die antizyklische Haushalts- und Geldpolitik, welche die Industrieländer derzeit betreiben, sondern empfahl sie einigen afrikanischen Regierungen sogar ausdrücklich. In der asiatischen Finanzkrise der 90er Jahre hatte der IWF dagegen durch Beharren auf Austerität den Abschwung sogar verschärft.

Mittelfristig wird der IWF seine Kredite sicherlich wieder verstärkt an wirtschaftspolitische Bedingungen knüpfen. Welche das sein werden und ob Entwicklungsländer sie akzeptieren werden, bleibt abzuwarten. Beides hängt von Fortschritten in der zähen Debatte über die IWF-Reform ab. Immerhin hat der G20-Gipfel in Pittsburgh Ende September die Erhöhung des Stimmenanteils der Schwellen- und Entwicklungsländer um fünf Prozentpunkte angekündigt. Das ist kein großer Schritt, führt aber zu ungefährer Parität der Stimmen von Industrie- und Entwicklungsländern.

Darüber wurde dem IWF im G20-Kontext eine Rolle als Schiedsrichter über die Wirtschaftspolitik einzelner Nationen zugestanden. Allerdings bekam er – von Kreditkonditionalität abgesehen – keine Sanktionsmittel. Eigentlich soll der IWF diese Aufgabe schon seit 2006 erfüllen, konnte das aber nicht, weil wichtige Akteure wie die USA, Europa, China und Japan nicht mitspielten. Ob diese ihre Haltung wirklich ändern, bleibt abzuwarten. Der IWF ist jedenfalls aufgefordert, objektiv und unbestechlich zu bewerten, wie sich die Politik einzelner – auch mächtiger – Länder auf die Weltgemeinschaft auswirkt, und entsprechend Empfehlungen abzugeben.

Es kommt aber auch auf die Schwellenländer an. Spätestens seit der Asienkrise versuchen viele von ihnen, sich mit hohen Währungsreserven vor negativen Auswirkungen der Volatilität der globalen Kapitalströme selbst zu schützen. Ob sie den IWF wirklich als Versicherung für Notfälle anerkennen, ist noch offen. Das Trauma der Asienkrise sitzt tief.

Wahrscheinlich hängt in diesen Ländern die Akzeptanz des IWF auf Dauer von zwei Dingen ab. Der nächste IWF-Chef muss aus Asien kommen und der Fonds muss noch weiter von der orthodoxen Linie bezüglich freier Kapitalmärkte abrücken, um den Sorgen der Schwellen- und Entwicklungsländer entgegenzukommen. Auf lange Sicht ist dafür ein neues Weltwährungssystem nötig.

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