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Regelbasierte Weltordnung

In Gaza verhungern Kinder

Die humanitäre Lage in Gaza ist unsäglich. Unter der Besatzung Israels sind viele Menschen dem Hungertod nahe.
Humanitarian supply airdrops to Gaza in March. picture-alliance Humanitarian supply airdrops to Gaza in March.

Im nördlichen Gazastreifen sind mittlerweile 15,6 % der unter Zweijährigen akut unterernährt. Sie leiden unter rapidem Gewichtsverlust, Muskelschwund und einem geschwächten Immunsystem. Irgendwann sterben sie – an Krankheit oder Hunger. Einige Kleinkinder sind bereits gestorben.

Seit fünf Monaten weitet sich die Hungersnot in Gaza laut Global Nutrition Cluster in bisher ungekanntem Tempo aus. Die israelische Armee gibt an, das am schlimmsten betroffene Gebiet zu kontrollieren. Nach humanitärem Völkerrecht ist Israel somit für die Grundversorgung der Menschen verantwortlich.

Am 26. Januar unterstrich der Internationale Gerichtshof (IGH) dies durch eine verbindliche Anordnung. Er forderte Israel auf, „alles in seiner Macht stehende zu tun, um zu verhindern“, was nach der entsprechenden Konvention als Völkermord gelten könnte. Sogar der von Israel bestellte Richter Aharon Barak stimmte „ungehindertem Zugang“ für humanitäre Hilfe nach Gaza zu – und dass Israel die Verwendung genozidaler Rhetorik verhindern und strafrechtlich verfolgen müsse.

Viel zu wenige Lastwagen

Was derzeit in Gaza geschieht, ähnelt stark dem, was Verteidigungsminister Yoav Gallant Anfang Oktober ankündigte: Israel werde Gaza in einer „vollständigen Belagerung“ abschneiden von Strom, Wasser, Lebensmitteln und Treibstoff. Zwar währte die absolute Belagerung nicht lange, doch wurden viel zu wenige Hilfslieferungen in das Gebiet gelassen.

Vor dem Krieg brachten 500 bis 550 Lastwagen täglich lebenswichtige Güter nach Gaza. Im Februar waren es nur noch etwa 100 pro Tag. Die Lage wurde nach der Anordnung des IGH sogar noch schlimmer. Direkt nach der Anhörung befand die deutsche Regierung, Südafrikas Klage „entbehrt jeder Grundlage“.

US-Präsident Joe Biden machte klar, dass Israel die Lage verbessern müsse – zog aber keine rote Linie. Israel genießt weiter die volle Unterstützung der USA. Das Weiße Haus hat den Abwurf von Hilfsgütern aus der Luft auf Gaza angeordnet und plant auch Hilfslieferungen über den Seeweg. Die deutsche Regierung will beides unterstützen.

Sinnvoll ist der Ansatz nicht. Die Menschen in Gaza brauchen die Lebensmittel jetzt, aber der Bau des von Biden versprochenen provisorischen Piers dauert sechzig Tage. Lufttransporte sind teuer, können aber nur wenige Güter liefern und die Versorgung der Bedürftigsten nicht sicherstellen.

Für humanitäre Organisationen sind Lufttransporte das letzte Mittel, um Hilfsgüter in unzugängliche Gebiete zu bringen, etwa nach Erdbeben oder Überschwemmungen. Doch das Desaster im Gazastreifen spielt sich nur wenige Kilometer entfernt von Israel und Ägypten ab, wo es reichlich Hilfsgüter gibt. Israel hat Mittel und Wege, um diese Katastrophe zu stoppen – und ist dazu auch rechtlich verpflichtet.

Kriegsverbrechen der einen Seite rechtfertigen nicht Kriegsverbrechen der anderen Seite

Hunger als Waffe zu nutzen ist ein Kriegsverbrechen, genauso wie kollektive Bestrafung, die mutwillige Zerstörung ziviler Infrastruktur (darunter Universitäten, Schulen und Kliniken) sowie die Entführung, willkürliche Inhaftierung und Folter von Zivilisten aus Gaza.

Natürlich ist auch die Hamas schuldig an Kriegsverbrechen, darunter die Ermordung, Folterung und Entführung israelischer Zivilist*innen am 7. Oktober und das wahllose Abfeuern von Raketen auf Israel. Begeht die eine Seite Kriegsverbrechen, darf die andere Seite das aber nicht einfach auch tun.

Wer Waffen an Israel liefert, könnte auch mehr Druck auf die Regierung ausüben. Wenn Israels engste Verbündete wollen, dass das Töten, Leiden und Sterben aufhört, dann hört es auf. Doch sie leisten lediglich spärlich humanitäre Hilfe und lenken so von dem ab, was Israel dringend tun müsste.

Wenn wir eine regelbasierte Weltordnung wollen, müssen wir bestehendes Recht anwenden. Regeln zu beugen heißt, mit zweierlei Maß zu messen. Es untergräbt die Glaubwürdigkeit des multilateralen Systems – und die universellen Menschenrechte.

Riad Othman ist Nahost-Referent von medico international und arbeitet im Berliner Büro der Frankfurter Menschenrechts- und Hilfsorganisation.
othman@medico.de
https://twitter.com/othman_riad

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.