Leben im Flüchtlingslager
Geflüchteten Mädchen Schulbildung ermöglichen
Bildung ist ein Grundrecht – aber nicht alle traditionellen Gemeinschaften respektieren es. Wo es nur wenige Schulen gibt, fällt das Recht auf Bildung oft unter den Tisch. Im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia haben südsudanesische Mädchen teils bessere Bildungschancen als in den ländlichen Regionen, aus denen sie vor dem Bürgerkrieg fliehen mussten.
Traditionell sahen südsudanesische Frauen Bildung eher als Luxus denn als Privileg für sich und ihre Töchter. Sie wuchsen damit auf, keine eigene Meinung haben zu dürfen, und glaubten, nur zur Hausarbeit geeignet zu sein. Solche Konventionen verhinderten, dass sie eine formale Ausbildung machten – und Karriere, wie die Männer.
In Kakuma ist das anders. Viele Mädchen wollen zur Schule gehen und ihr Leben zum Besseren wenden. Daten des UNHCR, der das Lager verwaltet, zeigen, dass 2015 dort nur zwei Prozent der Mädchen zur Schule gingen. Inzwischen sind es 30 Prozent. Dieser Anstieg ist beachtlich, aber es muss noch mehr geschehen.
Bildung für Mädchen als Priorität des UNHCR
Der UNHCR fördert Bildung für Mädchen mit Nachdruck, darunter auch Sport- und Musikangebote an Schulen. Dass in der Vergangenheit so wenige Mädchen zur Schule gingen, führte die Organisation zum einen auf die traditionelle Bevorzugung von Jungen durch die Eltern zurück, aber auch auf Teenagerschwangerschaften und frühe Heirat. Der UNHCR sorgt nun dafür, dass in Kakuma kein Mädchen aus solchen Gründen die Schule abbrechen muss. Es gibt Beratungsdienste an den Schulen, und Mädchen mit Babys bekommen Extrapausen, um zu Hause stillen zu können. Schwangere Mädchen und junge Mütter erhalten medizinische Versorgung. Diese kommt angesichts der vielen Bewohner*innen des Camps in Kakuma allerdings grundsätzlich zu kurz.
Der Ansatz des UNHCR ist besonders hilfreich für junge Mädchen, die im Lager ohne Unterstützung von Erwachsenen auf sich allein gestellt sind. Sie werden ermutigt, sich Ziele für ihre eigene Bildung zu setzen. An der Arbeit sind neben dem UNHCR auch Wohlfahrtsorganisationen beteiligt.
Gemeinnützige Internatsschulen
Zwei Beispiele sind die Mädcheninternate Angelina Jolie Academy und Morneau Shepell Secondary School, betrieben von verschiedenen gemeinnützigen Organisationen. Sie bieten eine hochwertige Ausbildung inklusive Nachhilfestunden an Wochenenden und in den Ferien, damit alle Schülerinnen den Lehrplan bewältigen können und in der schulfreien Zeit beschäftigt sind. Viele der besten Schülerinnen erhalten Stipendien des kanadischen World University Services und können dann in Kanada weiterstudieren.
Sunday Keji etwa bekam diese Chance. Die Flüchtlingswaise hat die Morneau Shepell Secondary School abgeschlossen und studiert jetzt Krankenpflege in Vancouver. Sie will in ihr Heimatland, den Südsudan, zurückkehren und dort in der Ausbildung arbeiten.
Keji sagt, vielen Mädchen im Lager mangele es an Ansprechpersonen. Für sie selbst hätten Lehrkräfte eine entscheidende Rolle dabei gespielt, sie zu ermutigen und zu motivieren.
Austin Baboya arbeitet für das International Rescue Committee (IRC) in Kakuma. Bis vor kurzem hätten es nur drei von zehn Mädchen bis zur Highschool geschafft, sagt er. Doch schrittweise verbessere sich die Situation: Immer mehr Mädchen gingen zur Schule und feierten Bildungserfolge. Sie verdienten Beifall, findet er.
Laut Baboya organisieren das IRC und andere Wohltätigkeitsorganisationen Seminare und Mentorenprogramme, um Bildung für Mädchen zu fördern. Das Ziel: die immer noch hohe Zahl der Schulabbrecherinnen zu senken.
Beschäftigung ist wichtig
Ein wichtiges Thema ist auch Beschäftigung: Frauen brauchen Arbeit. Die UN hat dazu beigetragen, mit Konventionen zu brechen, die junge Mädchen glauben machten, allein der Mann sei für die Versorgung der Familie verantwortlich.
Für Baboya gelingt die Einbeziehung des weiblichen Geschlechts in die Arbeitswelt durchaus: Die Mädchen in Kakuma interessierten sich zunehmend für Hochschulkurse und Berufsausbildungen, sagt er. Viele wollten sich qualifizieren, etwa als Friseurinnen, Schneiderinnen, Fotografinnen oder Elektrikerinnen.
Alba Nakuwa ist eine freie Journalistin aus dem Südsudan. Sie lebt in Nairobi.
albanakwa@gmail.com