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Migration in Afrika

Leben als Geflüchtete in Kenia

Kenia bietet Menschen, die aus dem von scheinbar endlosem Krieg zerrissenen Nachbarland Südsudan geflohen sind, Sicherheit. Doch obwohl die Integration in die multiethnische kenianische Gesellschaft leicht sein sollte, befinden sich die meisten Südsudanes*innen in einer Sackgasse und sind nicht in der Lage, Arbeit zu finden oder auch nur ein Bankkonto zu eröffnen.
Kenianer*innen und Südsudanes*innen fordern 2018 gemeinsam, dass Vermögenswerte von Führern, die von den Unruhen im Südsudan profitieren, eingefroren werden. picture-alliance/REUTERS/BAZ RATNER Kenianer*innen und Südsudanes*innen fordern 2018 gemeinsam, dass Vermögenswerte von Führern, die von den Unruhen im Südsudan profitieren, eingefroren werden.

2005 flüchtete ich vor dem Bürgerkrieg im Südsudan nach Nairobi. Da war ich acht Jahre alt. Jetzt bin ich eine der 140 000 Geflüchteten aus meinem Land, die nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks ­(UNHCR) derzeit in Kenia leben. Ich wusste von Anfang an, dass mein Leben in diesem neuen Land nicht einfach sein würde. Aber die schreckliche Situation, vor der wir geflohen sind, hat die meisten von uns darauf vorbereitet, auf so ziemlich alles gefasst zu sein.

Wir Geflüchtete sind nicht die einzige Verbindung zwischen Südsudan und Kenia. Die beiden Nachbarländer haben seit jeher viele Gemeinsamkeiten. Mehrere ethnische Gruppen haben in beiden Ländern eine Geschichte, insbesondere nilotischsprachige Völker wie die Luo und Dinka. Darüber hinaus gehören beide Länder heute der East African Community an und pflegen somit enge politische und wirtschaftliche Beziehungen.

Kenia bietet Menschen aus dem Südsudan seit langem Asyl und Schutz. 1983 brach ein Bürgerkrieg zwischen der sudanesischen Zentralregierung und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee aus. Er endete 2005, und Südsudan wurde unabhängig. Dennoch herrscht kein Frieden im Land. Gewaltsame Zusammenstöße zwischen offiziellen Sicherheitskräften und Rebellenmilizen dauern an. Laut UNHCR wurden insgesamt 2,4 Millionen Menschen vertrieben.

Viele Südsudanes*innen leben seit Jahrzehnten im berüchtigten Flüchtlingslager Kakuma und in der Siedlung Kalobeyei nahe der Grenze zum Südsudan. Ich hatte Glück und blieb nur einen Monat dort, ehe ich in die Hauptstadt Kenias umziehen konnte.

Ich fühlte mich auch privilegiert, unter denen zu sein, die eine komplette formale Ausbildung erhalten haben, von der Grundschule bis zur Uni. Es war natürlich nicht einfach, in einem fremden Land zu lernen. Wir Flüchtlingskinder sprachen Arabisch oder lokale Sprachen wie Didinga oder Laarim. Aber je mehr Englisch und Swahili ich verstand, desto mehr Sinn ergab alles, und ich fand immer mehr Freunde in der Schule.

Anfangs hatte ich Angst vor der neuen Schule und der neuen Umgebung. Die kenianische Kultur ist jedoch sehr vielfältig; es gibt mindestens 43 ethnische Gruppen sowie Geflüchtete aus Somalia und anderen Ländern. Jeder ist hier von Zeit zu Zeit und in verschiedenen Umgebungen fremd, so dass die Interaktionen in der Schule ziemlich selbstverständlich waren. Ich fühlte mich schnell integriert.

Gewalt als Norm

Das UNHCR hilft Geflüchteten bei der Schulanmeldung. Viele kommen trotzdem kaum zurecht, weil ihnen Papiere fehlen und ausreichend Beratung, um sich im neuen System zurechtzufinden. Viele Geflüchtete brechen in Kenia die Schule ab. Das liegt auch am Geld. Grundschulbildung ist in Kenia weitgehend kostenlos, aber ab dem Sekundär- und Tertiär-Level wird es schwierig, weil hohe Schulgebühren verlangt werden. Auch hier hatte ich Glück. Dank der Unterstützung einer deutschen Nonne konnten einige andere Geflüchtete und ich ein Diplom machen. Aber nicht jeder bekommt eine solche Chance.

Frieden und Stabilität in Kenia sehe ich als Segen. Die meisten von uns fühlen sich hier sicher. Die kenianische Verfassung enthält klare Leitlinien und demokratische Grundsätze, die helfen, Konflikte zu vermeiden. Die Geschichte des Südsudans dagegen ist von Krieg und Gewalt geprägt.

In Chukudum, dem Dorf, in dem ich geboren wurde, haben die meisten ein oder zwei nicht zugelassene Waffen. Ich habe gesehen, wie Konflikte zwischen Nachbarn in Mord endeten. Gewalt ist im Südsudan die Norm. In Kenia frei zu leben, ohne mich bedroht zu fühlen, ist das größte Geschenk für mich.

Die meisten Menschen aus dem Südsudan im Großraum Nairobi leben zur Miete. Wir sind stolz darauf, auch als Geflüchtete für ein Dach über unserem Kopf sorgen zu können.

Unser Status hat auch Schattenseiten. Arbeitslosigkeit bleibt für viele Südsudanes*innen ein großes Problem – selbst wenn sie einen Uni-Abschluss haben, ins Alltagsleben integriert sind und Swahili und andere kenianische Sprachen beherrschen. Eine Arbeitserlaubnis ist schwer zu bekommen, und wenn es Jobs gibt, werden meist kenianische Staatsangehörige bevorzugt.

Mangels rechtlicher Dokumente ist es schwer, ein Bankkonto zu eröffnen oder medizinische Leistungen in Anspruch zu nehmen. Besonders der Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung ist schwierig. Wir müssen oft mehr für eine Behandlung bezahlen, als zu erwarten wäre. Und leider gibt es auch in der multiethnischen kenianischen Gesellschaft Diskriminierung. Wir erleben offene Ausgrenzung und Ablehnung, aber die Menschen machen auch Witze oder beleidigen uns, um uns daran zu erinnern, woher wir kommen.

Das kenianische Flüchtlingsgesetz aus dem Jahr 2021 gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Probleme von Südsudanes*innen und anderen Geflüchteten bis zu einem gewissen Grad gelöst werden könnten. Der Gesetzentwurf sieht zum Beispiel vor, dass Geflüchtete eine Beschäftigung aufnehmen und auch frei Handel treiben können, wenn sie über die erforderlichen Qualifikationen verfügen.

Die Lage Geflüchteter muss sich auf jeden Fall verbessern. Denn die meisten sind junge Menschen mit viel Potenzial. Kenia, Südsudan und andere Herkunftsländer könnten davon profitieren. Es ist eine Schande, dass dieses Potenzial weitgehend ungenutzt bleibt. Der Flüchtlingsstatus hindert sie daran, einen sinnvollen Beitrag zur afrikanischen Gesellschaft – und zur Zukunft unseres Planeten allgemein – zu leisten.

Alba Nakuwa ist eine freie Journalistin aus dem Südsudan, die in Nairobi lebt.
albanakwa@gmail.com