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Regionale Blöcke

Warum die ECOWAS die AES anerkennen muss

Ende Januar hat die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) offiziell drei ihrer Gründungsmitglieder verloren – Burkina Faso, Mali und Niger. Sie machten einen großen Teil der Gesamtfläche aus. Die ECOWAS sollte den Austritt anerkennen und die diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen – auch um zu zeigen, dass innerafrikanische Lösungen nicht vom Westen geduldet sein müssen.
Omar Alieu Touray, Präsident der ECOWAS-Kommission, kündigt den Austritt der Militärregierungen von Niger, Mali und Burkina Faso aus der Organisation an. picture alliance/Matrix Images/Afolabi Sotunde Omar Alieu Touray, Präsident der ECOWAS-Kommission, kündigt den Austritt der Militärregierungen von Niger, Mali und Burkina Faso aus der Organisation an.

Einen wichtigen Schritt hin zur Abspaltung gingen die drei Länder am 16. September 2023, als sie die Allianz der Sahelstaaten (AES) gründeten. Sie warfen der ECOWAS vor, westlichen Interessen zu dienen – besonders denen Frankreichs – und ihre Mitglieder im Kampf gegen Terrorismus und für mehr Sicherheit nicht zu unterstützen.

In Artikel 91 des revidierten ECOWAS-Vertrags von 1993 steht, dass jeder Mitgliedstaat, der aus der Gemeinschaft austreten möchte, dies dem Exekutivsekretär ein Jahr zuvor schriftlich mitzuteilen habe. Letzterer habe dann die Mitgliedstaaten darüber zu informieren. Der Austritt der drei Staaten wurde am 29. Januar 2025 vertragskonform wirksam. Die ECOWAS setzt sich aber weiter dafür ein, sie wieder einzugliedern. Sie ernannte den senegalesischen Präsidenten Bassirou Diomaye Faye und den togolesischen Präsidenten Faure Gnassingbé zu Vermittlern. Am 29. Januar legte die ECOWAS zudem eine Übergangszeit fest, „bis die Modalitäten unseres künftigen Engagements mit den drei Ländern komplett geklärt sind“.

Die ECOWAS-Unterhändler*innen müssen nun pragmatisch handeln und den AES-Ländern ein überzeugendes Angebot machen: diplomatische Anerkennung.

Keine Regeln aufstellen, die sich nicht durchsetzen lassen

Der Staatsstreich in Niger im Juli 2023 war der vierte erfolgreiche Putsch in Westafrika binnen zwei Jahren. Vier Tage später berief die ECOWAS ein außerordentliches Gipfeltreffen ein. Sie bekräftigte ihre Nulltoleranz gegenüber verfassungswidrigen Regierungswechseln und forderte, Präsident Mohamed Bazoum sofort freizulassen und wiedereinzusetzen. Der Block warnte, „alle notwendigen Maßnahmen“ zu ergreifen, um die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen, wenn dies nicht innerhalb einer Woche geschehe. Auch verhängte die ECOWAS weitreichende Sanktionen, um das Binnenland zu isolieren.

Diese Drohung zeigte jedoch nicht die erhoffte Wirkung. Die ECOWAS musste die Sanktionen gegen Niger aufheben – und auch jene gegen Burkina Faso, Guinea und Mali, wo es ebenfalls Militärputsche gegeben hatte. Die Alternative wäre ein regionaler Krieg gewesen. Die französische Zeitung Le Monde schrieb, die Organisation laufe Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Niederlage gegen die Militärjuntas war tatsächlich ein herber Rückschlag für den 50 Jahre alten Regionalblock.

Viele Beobachter*innen sehen die Autorität der ECOWAS ernsthaft gefährdet. Ihre Agenda für „Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit“, die zweite Säule der ECOWAS Vision 2050, scheiterte so fulminant, dass mehrere Analysen das Überleben der Gemeinschaft in Frage stellen.

Undurchsetzbare Regeln führen zu Ineffizienz, Stagnation und institutionellem Niedergang. Der ECOWAS fehlen aber die Ressourcen oder der politische Wille, um wichtige Vorschriften durchzusetzen. So kämpft sie seit einem Jahrzehnt mit einer lückenhaften Umsetzung ihrer Politik, die sich in der Niger-Krise 2023 erneut zeigte.  

Ein gangbarer Weg aus der Krise

Die ECOWAS-Vermittler*innen konnten die drei abtrünnigen Länder nicht umstimmen; vielmehr stärkten die AES-Behörden ihr Bündnis. Kürzlich kündigten sie gemeinsame Streitkräfte und AES-Pässe an. 

Gute Beziehungen zu den AES-Staaten sind für die ECOWAS ein strategisches Gebot. Sie muss den Abtrünnigen ein Angebot machen, das überzeugend genug ist, um sie wieder zu integrieren. Eine diplomatische Anerkennung könnte die Lage entscheidend verbessern. Solche vertrauensbildenden Maßnahmen könnten Spannungen abbauen und den Schaden beheben, den die Überreaktion der ECOWAS auf den Staatsstreich in Niger angerichtet hat.

Dafür gibt es drei wichtige Gründe: 

  • Erstens würde die ECOWAS zeigen, dass sie davon ausgeht, dass dieses im Werden begriffene politische Gebilde langfristig stabil ist.
  • Zweitens würde die Anerkennung das Image der ECOWAS grundlegend verändern. Statt sich westlichen Interessen unterzuordnen, würde sich die Organisation als pragmatisch und zukunftsorientiert zeigen. Die Anerkennung der AES würde ein starkes politisches Zeichen der Einheit senden, allen Unterschieden zum Trotz.
  • Drittens müssen ECOWAS und AES nicht nur koexistieren, sondern kooperieren, Wirtschaftswachstum fördern und zusammen gegen den gemeinsamen Feind vorgehen: den Terrorismus. Eine politische Anerkennung wäre der Beginn einer neuen Ära. Sie würde den Weg ebnen für selbstbestimmte afrikanische Zusammenarbeit – statt weiterer Konfrontation.

Eric Tevoedjre ist ein Politikwissenschaftler aus Benin. Sein Forschungsschwerpunkt ist die regionale Integration in Afrika, insbesondere in der ECOWAS-Region. 
erictev@gmail.com

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