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Angola

Schweres Erbe

Was vom Afrika-Cup in Angola bleibt, sind ungenutzte Stadien, eine auf den Präsidenten zugeschneiderte Verfassung – und inhaftierte Menschenrechtsaktivisten.


[ Von Johannes Beck ]

Angola steht selten im Fokus der Weltöffentlichkeit. Das änderte sich, als die FLEC – die Unabhängigkeitsbewegung der Enklave Cabinda – während der Afrika-Fußball-Meisterschaften im Januar einen Anschlag auf den togolesischen Mannschaftsbus verübte.

Eigentlich wollte die Regierung den Afrika-Cup nutzen, um der Welt das südafrikanische Land als aufstrebende Wirtschaftsmacht zu präsentieren. Erstrahlen sollte vor allem Präsident Eduardo dos Santos. Stattdessen wurden große Probleme sichtbar: der Präsidentenkult und die riesige Kluft zwischen dem enormen Reichtum einiger Weniger und der extremen Armut der Mehrheit.

Geld kommt vor allem über das Öl ins Land. 2009 förderte Angola Petroleum im Wert von rund 40 Milliarden Dollar. Mit täglich 1,95 Millionen Barrel lag Angola im Februar 2010 nach der OPEC-Statistik nur knapp hinter Nigeria, dem größten Ölproduzenten Afrikas mit 1,96 Millionen Barrel.

Trotz hoher Öleinnahmen braucht das Land externe Kredite. Erst kürzlich hat Angola einen IWF-Kredit über 1,4 Milliarden Dollar aufgenommen – Brasilien und Portugal geben weitere 400 Millionen Dollar.

Beide Länder sind sehr daran interessiert, dass der Wirtschaftsboom in Angola andauert. Ihre Baufirmen profitieren von den über Kredite und Ölmilliarden finanzierten Infrastrukturprojekten – den neuen Autobahnen, der Renovation von Bahn­linien und dem Bau öffentlicher Gebäude.

Die halbstaatliche brasilianische Petrobras ist in die Ölförderung involviert. Etliche portugiesische Banken unterhalten bedeutende Ableger in Angola. Die Espírito-Santo-Gruppe ist im Diamantengeschäft ebenso aktiv wie in der Landwirtschaft und im Immobiliensektor. Dabei kommt ihr die Partnerschaft mit der Präsidententochter Isabel dos Santos zugute, die 20 Prozent an BES Angola hält.

Vom Boom profitieren

Die Interessen der ehemaligen Kolonialmacht Portugal sind eng mit denen der Elite Angolas verknüpft. Die staatliche, angolanische Erdölfirma Sonangol kontrolliert den größten portugiesischen Ölkonzern GALP. Sonangol ist auch der bedeutendste Aktionär der führenden portugiesischen Privatbank Millennium BCP. Die größten Investments in Portugal hat Präsidententochter Isabel dos Santos getätigt: Ihr Aktienvermögen an der Lissabonner Börse wird auf insgesamt 1,8 Milliarden Euro geschätzt.

Immer mehr portugiesische Unternehmen versuchen, vom Boom in Angola zu profitieren. Die Wirtschaft wuchs von 2005 bis 2008 zwischen 12 und 21 Prozent jährlich und zählte damit zu den am schnellsten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Nach einer Stagnation im Jahr 2009 rechnet die Londoner Analysefirma Economist Intelligence Unit (EIU) für 2010 wieder mit einem Plus des Bruttoinlandsproduktes von acht Prozent.

Den jüngsten Großauftrag angelte sich im März die portugiesische Baufirma Teixeira Duarte: ein neues Parlamentsgebäude in Luanda für 185 Millionen Euro. Den Bau der Stadien für die Afrika-Meisterschaften – insgesamt soll eine Milliarde Dollar geflossen sein – hatten sich chinesische Konzerne gesichert.

„Für mich hat die Regierung von Präsident Eduardo dos Santos das Geld aus dem Fenster geschmissen“, schimpft Luís Araújo von der Menschenrechtsorganisation SOS Habitat. „Wozu brauchen wir Stadien, die nach den Meisterschaften leer herumstehen, wenn die Menschen Hunger leiden?“

Tatsächlich ist fraglich, warum das Land fünf neue Stadien für den Afrika-Cup brauchte. Nur auf einem davon spielt die nationale Fußballliga regelmäßig.

Die Kindersterblichkeitsquote in Angola gilt als eine der höchsten weltweit. Dem UNDP Human Development Report zufolge stirbt dort eines von vier Kindern, ehe es fünf Jahre alt ist. In Sierra Leone sieht es zwar genauso aus, allerdings liegt in Angola das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei mehr als 6000 Dollar – und ist damit gut achtmal so hoch wie in Sierra Leone mit rund 750 Dollar.

Mit dem Porsche am Slum vorbei

Die Exportstatistik zeigt, welche Reichtümer Angola inzwischen erzeugt. Allein 2010 wird das Land voraussichtlich unter anderem Erd­öl im Wert von etwa 53,7 Milliarden Dollar ausführen, schätzt die EIU. Bei 19 Millionen Einwohnern sind das 2800 Dollar pro Kopf.

Durchschnittswerte sagen in Angola wenig aus. Bei einer Fahrt durch die Hauptstadt Luanda steht man länger als in anderen Metropolen der Welt im Stau, zwischen Hummer-Geländewagen, Porsche Cayennes und Toyota Prados, auf dem Weg in die Luxus-Malls. Am Straßenrand ziehen sich die Musseques entlang, die Slums: armselige Behausungen, oft ohne Strom und Wasser, meist ohne Müllabfuhr. In den letzten Jahren starben hier Hunderte Menschen an Cholera.

Mit dem Thema Armut mag sich die Regierung nicht beschäftigen, deshalb tut sie es gerne ab. Schon 2005 verkündete sie in Hochglanzprospekten zum 30-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeit von Portugal: „30 Jahre Angola – Krieg, Hunger, Analphabetismus, Elend und Enttäuschung haben wir hinter uns gelassen.“

Auch das staatliche Fernsehen TPA und die offizielle Nachrichtenagentur ANGOP berichten ausschließlich von Erfolgen, Armut existiert quasi nicht. Seit Monaten macht der Präsident den Kampf gegen Korruption zu seinem Thema: Mehrere leitende Angestellte der angolanischen Zentralbank wurden verhaftet; sie sollen Millionen für persönliche Zwecke abgezweigt haben. Wie die Familie dos Santos zu ihren Milliarden gekommen ist, darf nicht hinterfragt werden.

Gewaltenteilung ist Vergangenheit

Kritischen Fragen wird sich dos Santos sowieso kaum mehr stellen müssen. 2008 hat seine Partei MPLA, die ehemals marxistische Unabhängigkeitsbewegung, bei den Parlamentswahlen haushoch gesiegt. Seitdem stellt sie 191 der 220 Abgeordneten, den Oppositionsparteien bleiben 29 Sitze. Der EU-Wahlbeobachter-Mission zufolge hatten sie bei den Wahlen gegen die MPLA, die sich ungeniert staatlicher Ressourcen bediente, keine echte Chance.

Auch berichteten die nationalen Medien nicht ausgewogen über den Wahlkampf. Allein in der Hauptstadt gibt es unabhängige Radiosender; diese wurden vor den Wahlen massiv eingeschüchtert. Dem Sender der katholischen Kirche, Rádio Ecclésia, und dem der UNITA-Opposition, Rádio Despertar, drohten Behörden die Schließung an, sollten sie ihr Sendesignal nicht auf die Hauptstadt beschränken.

Dos Santos hatte Präsidentschaftswahlen für spätestens ein Jahr nach den Parlamentswahlen versprochen. Er regiert das Land seit mehr als 30 Jahren, ohne je gewählt worden zu sein. Nur einmal, 1992, stellte er sich überhaupt Wahlen. Es kam aber nur zum ersten Wahlgang – der nötige zweite wurde abgesagt, weil der Bürgerkrieg zwischen MPLA und UNITA neu aufflammte.

Seit 2002 herrscht Frieden. Seither warten die Angolaner auf Präsidentschaftswahlen. Sie werden noch lange warten müssen. Während die Spiele des Afrika-Cups für Ablenkung sorgten, peitschte ihr Präsident eine neue Verfassung durch das Parlament. Damit veränderte er das politische System grundlegend und ohne die vorgesehene, ausgiebige öffentliche Diskussion.

„Diktatorische Machtausübung“

Der unabhängige Bürgerrechtler Raul Danda kritisiert das: „Die Verfassung ist ein Grundgesetz, das von allen breit diskutiert werden muss. Das kann man nicht im Schnelldurchgang erledigen.“ Danda, für die Provinz Cabinda über die Liste der größten Oppositionspartei UNITA ins Parlament gewählt, nahm wie die anderen UNITA-Abgeordneten aus Protest nicht an der Schluss­abstimmung teil.

Künftig gibt es nur noch Parlamentswahlen. Präsident wird dann, wer auf dem ersten Listenplatz der Partei mit den meisten Stimmen steht. Das soll ab den nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2012 gelten. Bis dahin bleibt Eduardo dos Santos im Amt. Ohne Wahlen, also ohne demokratische Legitimation, kritisiert Emanuel Lopes, Wissenschaftler am Afrika-Zentrum des Forschungs-Instituts ISCTE in Lissabon: „Es gibt eine gültige Verfassung, die 1992 verabschiedet worden ist, die vorsieht, dass der Präsident in direkten, geheimen und allgemeinen Wahlen gewählt wird. Das, was jetzt passierte, ist illegal, das war ein Bruch der derzeit gültigen Verfassung. Hier handelt es sich meiner Ansicht nach um einen Staatsstreich.“

Mit der neuen Verfassung zementiert dos Santos, einer der am längsten amtierenden Staatschefs der Welt, seine Macht weiter. Das Amt des Premierministers ist seitdem zugunsten eines Vizepräsidenten abgeschafft, die Regierung wird nun direkt vom Präsidenten und seinem Präsidialamt kontrolliert. Damit fällt das letzte institutionelle Gegengewicht weg.

Was bleibt, ist eine maßgeschneiderte Verfassung für dos Santos. Bedenklich sei vor allem, dass die Gewaltenteilung so gut wie aufgehoben ist, so Angola-Experte Emanuel Lopes vom ISCTE: „Der Präsident übt seine Macht diktatorisch aus. Die nationale Wahlkommission hat elf Mitglieder, acht davon wurden vom Präsidenten ernannt. Das Verfassungsgericht besteht aus sieben Richtern, sechs davon hat der Präsidenten ernannt.“ Lopes erwartet, dass sich dos Santos nun mindestens bis 2022 an der Macht halten kann.

Kein Frieden für Cabinda

Cabinda bleibt die einzige Provinz, in der die Macht des Präsidenten nicht komplett gesichert ist. In der nördlich an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo gelegenen Enklave herrscht seit Jahren ein Krieg der Unabhängigkeitsbewegung FLEC.

Die Befürworter der Unabhängigkeit verweisen auf den Vertrag von Simulambuco aus dem Jahr 1885 – dem Jahr der Berliner Konferenz, in dem die Europäer die Grenzen Afrikas neu zogen. In diesem Vertrag unterstellten sich die traditionellen Führer der Region Cabinda als Protektorat den Portugiesen. Im Gegenzug sicherten diese ihnen Schutz für die territoriale Integrität zu. Die angolanische Regierung erkennt das nicht an: Cabinda sei schon zu Kolonialzeiten integraler Bestandteil Angolas gewesen.

2006 konnte die Regierung einen Friedensvertrag mit einem Teil der im Fórum Cabindês para o Diálogo (FCD) vereinigten Rebellen schließen. Ihr Führer Bento Bembe ist seitdem Minister in der Regierung. Aber nicht alle Fraktionen der völlig zersplitterten FLEC haben sich dem Friedensvertrag angeschlossen. Das hinderte die Regierung nicht daran, Cabinda als Spielort für den Afrika-Cup auszuwählen, um der Welt zu zeigen, dass es dort keinen Krieg mehr gebe. Der Anschlag auf die Mannschaft des Togo durch eine der militärischen Gruppen der FLEC am 8. Januar hat aber gezeigt, dass ein Frieden in der ölreichen Enklave noch fern ist.

Neben den militärischen Gruppen formierte sich in den vergangenen Jahren mit der Organisation Mpalabanda um die Bürgerrechtler Raul Danda und Agostinho Chicaia auch eine starke zivile Autonomiebewegung in Cabinda gegen die zunehmende Militarisierung der Provinz. Nach mehrfachen Fällen von Folter und willkürlichen Verhaftungen ließ die Regierung die Organisation 2006 verbieten.

Bei dem Anschlag gegen den Mannschaftsbus des Togo starben zwei Betreuer und der Fahrer. Die Regierung nutzte die Gelegenheit, massiv gegen die Bürgerrechtler in Cabinda vorzugehen. Der katholische Priester Raul Tati, der Rechtsanwalt Francisco Luemba und der Universitätsprofessor Belchior Lanso – alles ehemalige Mitglieder von Mpalabanda – kamen ins Gefängnis.

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International (AI) fordern seitdem ihre Freilassung. Die Angola-Expertin von AI, Muluka-Anne Miti, erklärt: „Amnesty International ist beunruhigt, dass der Angriff auf die Fußballer als Vorwand dient, um Menschenrechtsaktivisten zu verhaften.“ Was genau den Verhafteten vorgeworfen wird, ist unklar. Sie sollen „Verbrechen gegen die Staatssicherheit“ begangen haben. Alle
Appelle zu ihrer Freilassung waren bisher fruchtlos.

Und so bleiben vom Afrika-Cup in Angola ungenutzte Stadien, eine dem Präsidenten auf den Leib geschneiderte Verfassung und verhaftete Menschenrechtsaktivisten.