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Kommentar

Ratlos in Seoul

Der G20-Gipfel hat gezeigt, dass die globalen Anführer erschreckend wenig von Ökonomie verstehen.


[ Von Jayati Ghosh ]

Was genau haben die Weltpolitiker für die globale Wirtschaft im Sinn? Das Schlussdokument des G20-Gipfels in Seoul erweckt den Eindruck, dass sie es nicht wissen. Es offenbart völlige Verwirrung; nicht nur, weil die Regierungen verschiedener Länder widersprüchliche Positionen haben. Vielmehr widersprechen sie sich selbst und zwar innerhalb ihrer Positionen, erklärten Ziele und der Mittel, wie sie diese erreichen möchten.

Es war viel von „unvereinbaren Differenzen“ die Rede, etwa zwischen Überschuss- und Defizitländern. Oder von Differenzen zwischen den Ländern, die versuchen, ihre niedrigen Währungskurse über die Geld­politik oder anderweitig zu manipulieren, und Ländern, die durch „heißes Geld“ verursachte Aufwertung verhindern wollen. Zweifellos sind diese Themen zu echten Reibepunkten zwischen einigen großen Wirtschaften geworden. Die Angst vor Währungs- und Handelskriegen steigt, und die Plattitüden in den Gipfel-Berichten können diese Ängste höchstens ein bisschen mindern.

Aber die Besessenheit, was diese Unausgewogenheiten angeht, verschleiert nur, wie wenig Einigkeit hinsichtlich der eigentlich relevanten Frage besteht: Was soll das Wachstum der Weltwirtschaft ankurbeln? Bemerkenswerterweise scheinen die entwickelten Länder, die das am meisten angehen sollte, auch diejenigen zu sein, die am planlosesten sind – insbesondere aus Sicht der Entwicklungsländer.

Die Regierung der Vereinigten Staaten etwa stellte die außergewöhnliche Idee zur Debatte, die Handelsdefizite und -überschüsse (gemessen als Prozentsatz der Wirtschaftsleistung) zu begrenzen. Gerade so, als ginge das so einfach, und als hätte die Weltwirtschaft solch ein falsches Verständnis von Ausgewogenheit nötig. Die Idee fand keinen Anklang auf dem Gipfel. Ohnehin ist es unwahrscheinlich, dass der Versuch, Ausgewogenheit zu erzwingen, das Problem löst, Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln. In vielen Fällen wird das die Lage eher verschlimmern.

Mindestens so widersprüchlich ist die deutsche Position. Einerseits wollen die Deutschen, dass die USA ihr Außenhandelsdefizit reduzieren, weil sie es für die Ursache vieler Probleme halten. Wenn die US-Notenbank aber ankündigt, weiter Wertpapiere zu kaufen, um den Markt liquider zu machen, kritisieren sie das als Strategie, den Außenwert des Dollars zu senken. Dabei ist solch eine Abwertung sicherlich zuträglich für die „Konkurrenzfähigkeit“ und dient dem Ziel, Handel­sbilanz­werte zu erreichen, die die Deutschen vermutlich gerne hätten.

Zugleich wollen die Deutschen, dass die USA sich finanzpolitisch schnell konsolidieren – unter der (irrigen) Annahme, dass dies das Wachstum nicht beeinträchtigen wird. Wenn der Privatsektor aber weiterhin seine enormen Schulden drosseln soll – was er bereits tut –, dann muss die Flaute durch Staatsnachfrage oder Exporte aufgefangen werden. Sollte das nicht geschehen, wird die US-Wirtschaft nicht wachsen – und das wird auch die Nachfrage nach deutschen Exporten beeinträchtigen.

Es scheint abstrus, dass führende Weltmächte darauf aufmerksam gemacht werden müssen, dass nicht alle Volkswirtschaften über Nettoexportwachstum expandieren können. Diese Message ist aber offenbar noch nicht ganz angekommen. Wie sonst lässt sich erklären, dass es keinerlei nennenswerte Maßnahmen gibt, um die Nachfrage aus einkommensschwachen Ländern langfristig zu steigern – was der einzig nachhaltige und faire Weg aus diesem globalen Dilemma heraus ist?

Der G20-Gipfel hat auf jeden Fall einen Mangel an Kohäsion und Fantasie offengelegt. Alarmierender aber ist der eklatante Mangel an ökonomischem Verstand, der bei denjenigen sichtbar wurde, die derzeit das Schicksal der gesamten Welt in der Hand haben.

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