Arbeitsmigration

Für Migranten müssen Heimatüberweisungen leichter werden

Heimatüberweisungen von Arbeitsmigranten sind laut UN-Generalsekretär António Guterres „eine Lebensader für Entwicklungsländer“. Sie schwächelt derzeit bedenklich.

Im Zug der Covid-19-Krise sind die Rücküberweisungen von Migranten in Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen stark gesunken. Das führt weltweit zu wirtschaftlichen Turbulenzen – und zwar besonders in Volkswirtschaften, die auf diese Transfers angewiesen sind, wie etwa Indien, Mexiko, die Philippinen oder Ägypten.

Die von Arbeitsmigranten weltweit heimgeschickte Gesamtsumme fiel von etwa 548 Milliarden Dollar im Jahr 2019 auf voraussichtlich 508 Milliarden in 2020. Im laufenden Jahr erwartet die Weltbank nur noch 470 Milliarden. Das entspräche einem Rückgang um 14 Prozent in zwei Jahren.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein weiterer wichtiger Geldstrom, nämlich die ausländischen Direktinvestitionen (foreign direct investment – FDI) in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen noch stärker rückläufig sind. Das besagt der Migration and Development Brief 33 (Weltbank 2020). Die ausländischen Direktinvestitionen in diese Ländergruppe sank 2019 von 534 Milliarden Dollar auf schätzungsweise 365 Milliarden in 2020 und wird 2021 voraussichtlich auf 373 Milliarden Dollar sinken. Das entspräche einem Rückgang von sogar 30 Prozent in zwei Jahren (siehe Grafik).

Erwähnenswert ist auch, dass die Rücküberweisungen, die meist von Individuen stammen, 2019 erstmals höher ausfielen als die FDI, die meist von Unternehmen und Organisationen stammen. Diese Entwicklung zeigt, wie schlecht die wirtschaftliche Lage in vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mittlerweile ist.

Beide Trends – stetiger Rückgang sowohl von Rücküberweisungen als auch Direktinvestitionen – treffen die Empfängerländer hart. Hinzu kommen binnenwirtschaftliche Auswirkungen von Covid-19. Manche Länder leiden obendrein unter Heuschreckenplagen, Dürren, Überschwemmungen, Krankheitsausbrüchen oder schweren makroökonomischen Problemen.

Hauptgrund für den Rückgang der Rücküberweisungen sind die schwache Konjunktur und entsprechend hohe Arbeitslosigkeit in den Gastländern. Relevant sind zudem der schwache Ölpreis und die Abwertung diverser Währungen gegenüber dem Dollar. Erstmals in der jüngeren Geschichte dürfte die absolute Zahl der internationalen Migranten derzeit sinken, da die Neurekrutierungen abnehmen, aber viele Migranten heimkehren.

All das verschärft die Situation der Empfangsländer. Bei den Heimatüberweisungen handelt es sich meist um kleine Beträge von höchstens ein paar hundert Dollar. Ohne dieses Geld tun sich aber viele Familien schwer, ihre Grundbedürfnisse (Nahrung, Gesundheit und Bildung) zu befriedigen.


Überweisungen erleichtern

Es wäre wichtig, Geldtransfers so einfach wie möglich zu gestalten. Vor allem sollten sie billiger werden. Zu den UN-Entwicklungszielen für Nachhaltigkeit (Sustainable Development Goals – SDGs) gehört, das Gesamtvolumen von Heimatüberweisungen zu erhöhen. Deshalb sollen bis 2030 die Gebühren für Transfers auf maximal drei Prozent der überwiesenen Summe fallen. UN-Generalsekretär António Guterres ging im März 2020 in einem Appell zur koordinierten Reaktion auf Covid-19 noch weiter: die Gebühren sollten auf nahezu null sinken. „Rücküberweisungen sind eine Lebensader für Entwicklungsländer“, sagte er. Das gelte „jetzt besonders“. Der versprochene Rückgang auf drei Prozent reiche nicht, wobei das aktuelle Niveau ohnehin noch deutlich höher liege.

Laut Weltbank-Daten (Remittance Prices Worldwide Database) kostete im dritten Quartal 2020 eine Überweisung von 200 Dollar in ein Land mit niedrigem oder mittleren Einkommen 6,8 Prozent. Das war mehr als das Doppelte des SDG-Ziels. Manchmal betrugen die Kosten sogar mehr als 11 Prozent. Banken waren am teuersten und verlangten im Schnitt 10,9 Prozent. Postämter forderten dagegen 8,6 Prozent. Transferdienstleister wie Western Union berechneten 5,8 Prozent und Mobilfunkanbieter für elektronische Überweisungen sogar nur 2,8 Prozent.

Die Gebühren für den Geldversand nach Südasien liegen mit etwa fünf Prozent am niedrigsten, während für Subsahara-Afrika durchschnittliche Kosten von fast neun Prozent anfallen. Innerhalb Afrikas und zwischen pazifischen Inselstaaten sind sogar mehr als zehn Prozent üblich.

Generell sind die Gebühren für Bargeldüberweisungen, die viele arme Menschen ohne Zugang zu Banken brauchen, hoch. Sinnvoll wären deshalb Partnerschaften von Transferdienstleistern mit der Post, mit Geschäftsbanken oder mit Telekom-Unternehmen. Derlei könnte den Wettbewerb ankurbeln und zu niedrigeren Gebühren führen.

Hilfreich wäre besonders, wenn Anbieter mobiler Zahlungsdienste korrespondierende Bankkonten eröffnen könnten. Das wäre für Arbeitsmigranten bequem und könnte Kosten senken. Millionen von Menschen fiele es dann leichter, ihren Angehörigen Geld zu schicken.

Obendrein sollten Regierungen gezielt migrantische Ersparnisse und Investitionen mobilisieren, indem sie Geldströme absichern und spezielle Diaspora-Anleihen anbieten. So könnten sie zur Maximierung der Rücküberweisungen beitragen.


Aufruf zum Handeln

Es wäre sinnvoll, Politik weltweit zu koordinieren. Eine Koalition von Staaten und internationalen Organisationen hat im Mai 2020 entsprechende Vorschläge unterbreitet (KNOMAD 2020). Zu den Unterstützern gehören 30 Länder und 17 Organisationen (darunter Weltbank, UN-Organisationen, Industrieverbände sowie zivilgesellschaftliche Gruppen). Britannien und die Schweiz spielten die Führungsrolle.

Zu den Empfehlungen gehört, politische Entscheidungsträger sollten Geldtransfers sofort zur essenziellen Finanzdienstleistung erklären. Dann könnten Finanzdienstleister auf Sender- wie auf Empfängerseite den Zugang für Migranten entsprechend erleichtern – insbesondere für arme Interessenten ohne Bankkonto oder Internetzugang.

Mittelfristig fordert das Bündnis eine Ausweitung der digitalen Überweisungskanäle, um Migrantenfamilien zusätzliche günstige Optionen zu geben. Tatsächlich verzeichnen digitale Anbieter wegen Covid-19 bereits einen deutlichen Überweisungsanstieg. Im zweiten Quartal 2020 stiegen die digitalen Transaktionen von MoneyGram um 106 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und die von Western Union um 50 Prozent.

Ein weiterer Vorschlag ist, Finanzdienstleister, Migranten und Empfänger besser zu informieren. Sie brauchten mehr Fachwissen, um digitale Kanäle optimal zu nutzen.


Entwicklung fördern

Für die Entwicklung von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen sind sowohl Rücküberweisungen als auch Direktinvestitionen wichtig. Allerdings sollte mehr getan werden, um Arbeitsmigration und Heimatüberweisungen für Entwicklung zu nutzen. Deshalb unterstützt die Weltbank Empfängerländer bei der Auflage von Diaspora-Anleihen, um so Finanzierungsoptionen für die Wirtschaftsentwicklung zu maximieren. Sie fördert auch die Entwicklung sicherer und effizienter nationaler Zahlungssysteme und Infrastrukturen, um Überweisungen zu erleichtern.

Die Weltbank dokumentiert zudem Überweisungspreise und setzt sich für erleichterten Marktzugang ein. Wegen erheblicher Datenlücken ist die Echtzeitüberwachung von Überweisungsströmen allerdings nicht möglich. So fehlen unter anderem Informationen über heimkehrende und gestrandete Migranten. Um die Datenerhebung zu verbessern, kooperiert die Weltbank mit nationalen Statistikämtern, Zentralbanken und internationalen Organisationen. Die entsprechende Arbeitsgruppe heißt Global Knowledge Partnership on Migration and Development (KNOMAD). Mit besseren Daten zu Rücküberweisungen und stärkerer interna­tionaler Zusammenarbeit wird die Welt dem Ziel eines weniger schwerfälligen Transfersystems näher kommen – und das würde helfen, diese wichtige Lebensader aufrechtzuerhalten.


Links

KNOMAD, 2020: Call to action – Remittances in crisis: how to keep them flowing.
https://www.knomad.org/covid-19-remittances-call-to-action/

World Bank, 2020: Migration and Development Brief 33.
https://www.worldbank.org/en/topic/socialprotectionandjobs/publication/migration-and-development-brief-33


Dilip Ratha leitet bei der Weltbank die Global Knowledge Partnership on Migration and Development (KNOMAD). Diese Arbeitsgruppe wird von der EU, Deutschland und der Schweiz unterstützt und kooperiert mit der IOM, der OECD und vielen UN-Organisationen.
dratha@worldbank.org

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