Multinationale Konzerne
Freiwillig, vage und nicht einklagbar
[ Von Jennie Bailey ]
In einem Corporate-Watch-Bericht zu sozialer Unternehmensveranwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) fasste Claire Fauset 2006 zusammen: „Letztlich führt CSR nicht zur Reform von Unternehmensstrukturen, sondern lenkt sogar davon ab. Diese Funktion von CSR muss deutlich gemacht und abgelehnt werden, um gegen die Macht der Unternehmen vorzugehen.“
Das gilt erst recht für den Global Compact. Auf den ersten Blick dient er dazu, bestimmte Standards zu globalisieren, indem er für den Privatsektor zehn Prinzipien festschreibt, die Punkte der UN-Menschenrechtskonvention umfassen. Doch der Compact ist aus folgenden Gründen problematisch:
– Der Vertrag schlägt Lösungen für globale Fragen vor, ohne sie durchzusetzen.
– Es gibt keine Sanktionen gegen Unternehmen, die gegen die Prinzipien verstoßen; Unternehmen können lediglich von der Compact-Liste gestrichen werden.
– Es sind Unternehmen mit zweifelhaftem Ruf in Sachen Menschenrechte und Umweltschutz am Compact beteiligt.
Am 9. Juli diesen Jahres schrieb die politisch eher rechts stehende New York Sun, der Compact eröffne Vorteile im Bereich „Public Relations, insbesondere für solche Unternehmen mit fleckiger Weste in Sachen Arbeitsrechte und Umwelt“. Am selben Tag veröffentlichte die ebenfalls konservative Washington Times einen Artikel, demzufolge im vergangenen Jahr 600 Unternehmen von der Compact-Liste gestrichen wurden. Allein diese Zahl zeigt, dass etwas schiefläuft.
Coca-Cola und Nestlé haben den Global Compact unterzeichnet. Beide haben sicherlich keine lupenrein weiße Weste. Trotzdem gehören sie zu den zehn Unternehmen, die im Juli das CEO Water Mandate unterschrieben haben.
Das Mandat ist eine privat-öffentliche Initiative und rühmt sich selbst, es verfolge eine wirklich „freiwillige und anspruchsvolle“ Vision. Diese Vision gipfelt in einer Reihe von Versprechen, von denen die meisten für jede verantwortungsbewusste Person eigentlich selbstverständlich sein sollten. Die Unternehmen sollen unter anderem
– ihren Umgang mit Wasser umfassend untersuchen,
– Ziele für Wasserschutz und Abwasserbehandlung setzen,
– in neue Technologien investieren, um diese Ziele zu erreichen,
– eine Unternehmenskultur für nachhaltige Wassernutzung fördern,
– nachhaltige Wassernutzung in geschäftlichen Entscheidungen berücksichtigen und
– Zulieferer ermutigen, ihren Wasserschutz zu verbessern.
Aber es besteht offenbar keine Eile. Das CEO Water Mandate betont mehrfach, diese Schritte sollten „wenn angebracht“ und „im Laufe der Zeit“ durchgeführt werden. Das Dokument ist damit praktisch bedeutungslos. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass weder bloße Lippenbekenntnisse reichen noch staatliche Regeln, sondern dass partizipative Lösungen von unten wachsen müssen.
„Doppelzüngige Initiative“
Nach dem Start des CEO Water Mandate veröffentlichte Richard Girard (2007) vom kanadischen Polaris Institute eine detaillierte Untersuchung der Initiative. Das Mandat, so Girard, erscheine nur wie ein „außerordentlicher Aufruf zum Handeln“. In Wahrheit handele es sich um eine „doppelzüngige Initiative einiger globaler Wassergiganten, die sich als Umweltschützer darstellen wollen“. Nach Ansicht von Girard haben die Unternehmen, die auf Wasser als wichtigste Ressource ihrer Produktion angewiesen sind, begriffen, dass lokale Gemeinschaften verstärkt für Wassergerechtigkeit kämpfen: „Das Water Mandate legt dar, wie Unternehmen dieses Engagement so weit ausnutzen können, bis sie selbst die neuen Wassermanager sind und wasserpolitische Entscheidungen treffen können.“
Laut Washington Times betonte Coca-Cola-Chef Neville Isdell die Freiwilligkeit des Compact, die er wie folgt verteidigte: „Regierungen können Haftung durchsetzen, aber sie können kein Verantwortungsbewusstsein erzeugen. Verantwortung zu übernehmen beruht auf einer entsprechenden Entscheidung, und ein globaler Vertrag erlaubt uns Geschäftsleuten, diese Entscheidung zu treffen.“
Tatsächlich wäre es höchste Zeit, dass Coca-Cola genau das tut. Man fragt sich, welche Auswirkungen die vorsichtigen Versprechen des CEO Water Mandate auf die Performance des Unternehmens haben werden. In den vergangenen Jahren berichteten Medien unter anderem über folgende Fälle von Machtmissbrauch durch den Konzern:
2004: In Indien zeigten Untersuchungen der zuständigen Behörde, dass die Coca-Cola-Fabrik in Rajasthan enorme Wassermengen förderte, tiefliegende Grundwasserschichten ausbeutete und damit das ökologische Gleichgewicht störte (The Hindu, 16.6.04).
2004: Dasani, die Coca-Cola-Marke für Tafelwasser, entpuppt sich als mit Mineralien versetztes Leitungswasser (PR Week, 5.3.04).
2006: Untersuchungen ergaben, dass sowohl Coca-Cola als auch Pepsi-Cola in Indien Softdrinks mit starken Pestizidspuren verkauft haben (Down to Earth, August 2006).
2007: Coca-Cola sowie Drummond, Chiquita und verschiedenen Ölfirmen wird vorgeworfen, in Kolumbien an der Ermordung von Gewerkschaftsaktivisten beteiligt gewesen zu sein (International Herald Tribune, 28.6.07).
Gewerkschaften auf der ganzen Welt – unter anderem in Britannien – riefen daraufhin zu einem globalen Boykott von Coca-Cola-Produkten auf.
Seit 2001 kooperiert Coca-Cola mit Nestlé in einem Joint Venture namens Beverage Partners Worldwide. Nestlé aber hat eigene Probleme. Seit Jahrzehnten steht das Unternehmen wegen unverantwortlicher Werbung für Babynahrung in der Kritik. Laut dem International Baby Food Action Network (IBFAN) werden in 20 Ländern Produkte des multinationalen Unternehmens boykottiert. Grund sei, dass Nestlé „mit seiner agressiven Werbung für Babynahrung die von der World Health Assembly aufgestellten Marketing-Regeln bricht und zu Leid und Tod von Kleinkindern auf der ganzen Welt beiträgt“. Die internationale Anti-Nestlé-Kampagne wird vom britischen IBFAN-Mitglied Baby Milk Action organisiert.
Laut Joel Bakan von der University of British Colombia ist „das einzige Interesse, das [Unternehmen] haben können, den Reichtum ihrer Anteilseigner zu mehren“ (2004). Deshalb neigen Unternehmensführer dazu, schöne Dinge über soziale und ökologische Fragen zu sagen, und gehen dann zu Business-as-usual über. Wenn die Dominanz der Konzerne nicht gebrochen wird, kann es nicht gelingen, die Welt zu einem gerechteren Ort zu machen.
Unternehmen sollten für die globale Entwicklung weder eine Rolle spielen noch legitime Relevanz zuerkannt bekommen. Ansätze von oben funktionieren nicht. Gebraucht werden dezentrale Lösungen und Alternativen, die von der Basis her wachsen.