Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Kommentar

Migranten mehr beteiligen

Das Globale Forum für Migration und Entwicklung (GFMD), das im Oktober in Istanbul tagte, ist nur sehr bedingt dazu geeignet, auf die globalen Herausforderungen von Arbeitsmigration, Flucht und Vertreibung zu reagieren. Es gibt derzeit aber kein besseres Format.
Flüchtlingslager im türkischen Nizip. Doppagne/picture-alliance/dpa Flüchtlingslager im türkischen Nizip.

Die Ergebnisse des GFMD sind nicht bindend. Teilnehmer sind Regierungen und zivilgesellschaftliche Akteure. Das Forum dient dem Erfahrungsaustausch und der Anbahnung von Initiativen. Acht Jahre nach seiner Etablierung werden beim GFMD aber immerhin die richtigen Fragen gestellt und auch unbequeme Themen behandelt. Fraglich ist nur, wie viel davon die Teilnehmer anschließend in die Politik ihrer Nationalstaaten einbringen.

Zu den konkreteren Projekten, die im Rahmen des GFMDs entstanden sind, zählt die von den USA und den Philippinen gestartete „Migrants in Countries in Crisis (MICIC)“-Initiative. Bis Juni 2016 sollen Prinzipien und Praktiken festgelegt werden, mit denen Migranten in Krisengebieten geholfen werden kann. Für Ignacio Packer, Generalsekretär des Kinderhilfswerks Terre des Hommes, ist dies ein Schritt in die richtige Richtung, greift aber durch seinen Fokus auf Krisenstaaten zu kurz. Vielmehr sollte die Initiative unabhängig vom Aufenthaltsort alle Migranten in Krisensituationen einschließen.

Auch weisen Organisationen wie das Migrant Forum in Asia (MFA) darauf hin, dass Migranten in Krisensituationen nicht zwangsläufig schutzlose Opfer sind, sondern sich aktiv in die Hilfe einbringen können. Starke Migrantennetzwerke könnten Hilfe vor Ort und Unterstützung durch Diaspora-Organisationen veranlassen.

Auch Flüchtlingen können zu Akteuren werden. So berichtet Fuat Oktay, Direktor der türkischen Katastrophenschutzbehörde, dass Bewohner von Flüchtlingslagern in seinem Land eigene Sprecher bestimmen und Organisationen gründen können.

Während die türkischen Flüchtlingslager in mehrerer Hinsicht als vorbildlich gelten, ist beim Umgang der Regierung mit der eigenen Zivilgesellschaft das Gegenteil der Fall. Im Bereich Migration und Flucht sind die dortigen NGOs zudem nur schwach vernetzt, was sich unter anderem darin zeigte, dass in Istanbul statt einer umfangreichen Parallelveranstaltung nur ein eintägiges Strategietreffen stattfand.

Packer bedauert, dass der Raum für zivilgesellschaftliche Partizipation weltweit schrumpft. Allein in den vergangenen zwei Jahren hätten mehr als 60 Länder Gesetze erlassen oder entworfen, die die Arbeit von NGOs einschränken, die sich für Migranten einsetzen. Und auch beim Start der MICIC-Initiative wurde die Beteiligung von Migrantenorganisationen schlicht „vergessen“ – erst durch eine Parallelveranstaltung stellten zivilgesellschaftliche Akteure deren Teilnahme bei künftigen Treffen sicher.

Partizipation ist auch beim zweiten zentralen Thema des GFMD-Treffens in Istanbul, Migration und Entwicklung, ein Knackpunkt. Zwar hat das Engagement von Migrantenorganisationen dazu beigetragen, dass in den Sustainable Development Goals (SDGs) der UN Migration berücksichtigt wird. Nun steht allerdings die Umsetzung der Ziele auf nationalstaatlicher Ebene an, und es ist keineswegs garantiert, dass Migranten an dem Prozess beteiligt werden.

Unbestritten ist, dass die Herausforderungen der Migration vordringlich von der Staatengemeinschaft adressiert werden müssen. Es ist aber offensichtlich, dass sie diesen Ansprüchen nicht gerecht wird. Migrantenorganisationen können hier Partner sein, etwa, indem sie Empfehlungen für Standards bei der Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte mit ausarbeiten.

Wenn aus den guten Fragen, die beim GFMD gestellt werden, Antworten in Form von praktischer Politik werden sollen, muss der Dialog zwischen den Regierungen und mit der Zivilgesellschaft als ganzjähriger Prozess etabliert werden. Nächstes Jahr trifft sich das Forum in Bangladesch und 2017 in Deutschland. Berlin sollte die zweijährige Vorbereitungszeit nutzen, um das Format des Prozesses den Herausforderungen anzupassen.


Stefan Rother ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen der Universität Freiburg.
stefan.rother@politik.uni-freiburg.de