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Klick-Aktivismus

Feministinnen in Ghana nutzen soziale Medien, um den öffentlichen Diskurs über Geschlechterrollen zu beeinflussen. Sie lassen sich dabei nicht von Hasskommentaren einschüchtern.
Twitteraktivistin Nana Ama Agyemang Asante. Ernest Kodjo Ayikpah Twitteraktivistin Nana Ama Agyemang Asante.

„Ich habe mich lange nicht als Feministin gefühlt“, sagt die ghanaische Autorin und Journalistin Nana Ama Agyemang Asante. Obwohl sie in einem Umfeld aufwuchs, das sie dazu ermutigte, Geschlechterklischees zu hinterfragen, begegnete sie den Begriffen „Feminismus“ und „Patriarchat“ erst als Studentin. Das liegt vermutlich daran, dass Frauenrechtlerinnen in Ghana lange Begriffe wie „Befähigung“, „Fraueninteressensgruppen“ oder einfach „Menschenrechtsaktivismus“ bevorzugten. „Feministin“ sei ein Schimpfwort gewesen, das Männer benutzten, um Frauen zu beleidigen, erinnert sich Asante.

Heute benutzen ghanaische Frauen das Wort Feministin viel häufiger. An der Etablierung des Begriffs war Asante gemeinsam mit anderen Frauen maßgeblich beteiligt. Sie ist eine bekannte Kommentatorin gesellschaftlicher und politischer Debatten und war lange Zeit die einzige weibliche Ko-Moderatorin in einer der beliebten Radio-Frühstücksshows in Accra. Obwohl Gleichberechtigung der Geschlechter in Ghanas Verfassung verankert ist, ändert sich die Gesellschaft nur langsam.

Asante gehört zu einer neuen Generation von Feministinnen, die soziale Medien nutzen, um die männlich dominierte Gesellschaft zu kritisieren und Widersprüche aufzuzeigen. Laut Asante gibt es in den Massenmedien Grenzen der freien Meinungsäußerung: „Ich habe bei Citi FM sehr viel Freiraum, aber manche Ansichten kann ich im Radio nicht äußern.“ Um gegen alte Denkmuster anzugehen, nutzt sie deshalb die sozialen Medien. Wegen ihrer Tweets wurde sie schon „Hexe“ und „Männerhasserin“ genannt.


Offen und direkt

Andere Feministinnen sind im Netz genauso direkt wie Asante. „Männer, die denken, Frauen gehörten in die Küche, sind dieselben, die für ihre schwangere Frau nur Ärztinnen akzeptieren.“ So lautete ein Post auf der Facebookseite Our Collective Vagina (OCV). Maame Akua Awereba hat die Seite im Januar 2018 gegründet, ebenso die Seite Dear Survivor, auf der Opfer sexueller Gewalt anonym über ihre Erfahrungen berichten können.

„Irgendwie war ich schon immer Feministin“, sagt Awereba. Schon als sie klein war, stieß sie in der Schule und in der Kirche auf Aussagen, die sie nicht nachvollziehen konnte. Sie erinnert sich, dass den Mädchen gesagt wurde, wie sie sich verhalten sollen, damit Jungs sie gut behandelten. Ihr war schon damals klar, dass Jungs für ihr Verhalten selbst verantwortlich sind. Genauso argumentiert sie, wenn es um sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen geht. Der Grund könne niemals im Kleidungsstil der Frau gesucht werden, sondern nur im Fehlverhalten der Männer.

OCV ist eine „echte feministische“ Facebookseite, sagt Awereba. Ihr zufolge hat es bisher zu wenig Informationen für ghanaische Frauen gegeben. „Ich habe festgestellt, dass viele feministische Plattformen hier ziemlich diplomatisch mit den Themen umgegangen sind“, sagt sie. Sie gebe Feministinnen dagegen eine Plattform, auf der sie sich offen und ohne Angst vor Hetze äußern können.

Awerebas Seite ist bekannt für Satire und schwarzen Humor. Im Gegensatz zu anderen feministischen Plattformen toleriert OCV keine frauenfeindlichen Kommentare und lässt sich auch nicht auf Diskussionen mit Nutzern ein. OCV löscht, meldet, sperrt oder ignoriert Hasskommentare. Das Ziel der Seite sei, Frauen zu informieren und Feministinnen einen geschützten Raum zu bieten.

Awereba stört es nicht, dass ihr vorgeworfen wird, als „feministische Echokammer“ kritisiert zu werden. „Ist das nicht notwendig?“, entgegnet sie. Solange Männer das gesellschaftliche Leben dominierten, brauchten Frauen sichere Räume. Die Diskussion an sich zeige schon, dass männliche Machtstrukturen immer noch ein Problem seien.

Die sozialen Medien sind mächtige Instrumente. Menschen, die früher vom öffentlichen Diskurs ausgeschlossen waren, haben jetzt eine Stimme und können sich zusammentun. Allerdings haben noch viele Menschen in Ghana und in anderen afrikanischen Ländern aufgrund der schlechten Infrastruktur und der hohen Kosten keinen Zugang zum Internet.

Tatsächlich kommen auch Ghanas Onlineaktivistinnen meist aus wohlhabenderen Familien. Asantes Vater war Rechtsanwalt und traditionelles Oberhaupt. Sie wuchs in komfortablen Verhältnissen auf. Bei Awerebas Eltern ist es ähnlich, beide haben eine gute Bildung genossen.

Kritiker sagen, die Diskrepanz zwischen den privilegierten Feministinnen und den Problemen ärmerer Frauen und ihren geschlechtsspezifischen Gewalterfahrungen sei zu groß. Oft werden Frauen in einfachen Verhältnissen wegen absurder Gründe der „Hexerei“ angeklagt und in trostlose Camps im Norden des Landes verbannt.

Das wird die Aktivistinnen aber nicht zum Schweigen bringen. „Ich kann nichts dafür, dass ich in den Mittelstand hineingeboren wurde“, sagt Awereba. Sie fühle sich verpflichtet, ihre Privilegien für diejenigen einzusetzen, die es schwerer haben. Dafür müsse man nicht selbst Unrecht erfahren haben.

Beim „Klick-Aktivismus“ wird häufig bezweifelt, dass er auch auf lokaler Ebene wirkt. Asante sieht das anders. Ihr Account hat mehr als 21 000 Follower auf Twitter. Sie ist überzeugt, dass die Diskussion im Netz auch offline nachklingt.


Heftiger Gegenwind

Mitte Mai brachte es die OCV-Facebookseite auf fast 10 000 Likes. Der Erfolg macht Awereba aber auch zur Zielscheibe. Das wurde Ende 2018 deutlich, als OCV und die feministische Facebookseite Pepper Dem Ministries Ziel einer Hasskampagne wurden, nachdem sie den Mobilfunkanbieter Huawei aufgefordert hatten, seine Zusammenarbeit mit einem bekannten Komiker zu beenden. Er hatte Witze über sexualisierte Gewalt gemacht und Zuschauer dazu aufgefordert, „Vergewaltigungstechniken“ in den sozialen Medien zu posten. Der Komiker, der auch Grundschullehrer ist, bekam aber nur eine Verwarnung. Die Internet-Feministinnen waren schockiert und mussten sich zusätzlich einer Flut von Hasskommentaren stellen.

Asante hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Ihr Name war überall auf Twitter, nachdem sie das Verhalten eines berühmten Schauspielers als „übergriffig“ bezeichnet hatte. Der verheiratete Schauspieler wurde dabei gefilmt, wie er Studentinnen am Valentinstag in ihren Schlafsälen überraschte und ihnen seine Umarmung aufdrängte.

Beide Frauen haben schon Vergewaltigungsdrohungen bekommen, beide sahen sich gezwungen, Vorkehrungen für ihre Sicherheit und ihr psychisches Wohlergehen zu treffen. Asante hat zeitweise überlegt, ihren Onlineaktivismus zu beenden, beschloss dann aber, sich von Trolls nicht unterkriegen zu lassen. Awereba hat alle Onlinebilder ihres Sohnes gelöscht, aber aufzuhören kommt auch für sie nicht infrage. „Onlineaktivismus hat schon Regierungen gestürzt, genauso kann er auch das Patriarchat stürzen“, sagt sie.

Nana Darkoa Sekyiamah von der internationalen Frauenrechtsorganisation Association for Women’s Rights in Development (AWID) lobt den Aktivismus der Frauenrechtlerinnen im Netz. „Feministinnen wissen, dass das Persönliche auch immer politisch ist und einen großen Einfluss auf die Gesellschaft hat.“ Es sei wichtig, dass Mädchen und junge Frauen die Gesellschaft besser verstehen, und sie könnten viel von Onlinevorbildern lernen.


Kwasi Gyamfi Asiedu ist ein ghanaischer Journalist.
newskwasi@gmail.com


Links

Nana Ama Ageymang Asante’s twitter feed:
https://twitter.com/justnanaama

Our Collective Vagina:
https://www.facebook.com/OurCollectiveV/

Pepper Dem Ministries:
https://de-de.facebook.com/PDMunlearningToxicNarratives/