Klimawandel

Verluste und Schäden finden mehr Beachtung

Arme Länder haben auf der Weltklimakonferenz von Paris (COP21) einen bedeutenden Sieg für sich verbucht. Die Industrieländer haben endlich ihre Verantwortung für Klimaschäden anerkannt. Es muss aber noch viel passieren.
Entwicklungsländer sind besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen. Der Zyklon Pam zerstörte 2015 große Teile des Pazifikstaates Vanuatu. picture-alliance/dpa Entwicklungsländer sind besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen. Der Zyklon Pam zerstörte 2015 große Teile des Pazifikstaates Vanuatu.

Die am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries – LDC) sind am häufigsten von Katastrophen betroffen, die mit dem Klimawandel zusammenhängen, und gleichzeitig am schlechtesten darauf vorbereitet. Ihre Hoffnung ruht auf neuen Instrumenten wie Klimaversicherungen. Die potenziellen Kosten zu berechnen ist jedoch schwierig, und die Verfahren werden kontrovers diskutiert.

Die Teilnehmer der Pariser Konferenz waren sich darüber einig, dass Länder wie der Pazifikstaat Tuvalu Unterstützung brauchen, um mit Schäden und Verlusten klarzukommen. Die Inseln ragen nur wenige Meter aus dem Ozean und haben dem steigenden Meeresspiegel nichts entgegenzusetzen. Tuvalus 10 000 Einwohner befürchten, eines Tages ihre Heimat verlassen zu müssen. Das gleiche gilt für viele weitere arme Länder, die unter Schäden und Verlusten durch extreme Wetterverhältnisse leiden – aber auch etwa für den hohen Norden Europas und den US-Bundesstaat Alaska.

Die Hauptproduzenten von Treibhausgasen wie die USA, China und die EU befürchteten, nach dem Verursacherprinzip armen Ländern gegenüber schadensersatzpflichtig zu werden, wenn Schäden und Verluste zu einem eigenen Vertragsbestandteil würden. Stattdessen wollten sie das Thema unter Klimaschutz und -anpassung behandeln. Dabei geht es um Maßnahmen wie die Reduzierung des CO₂-Ausstoßes und Veränderungen der Lebens- und Produktionsweise.

„Nun werden Schäden und Verlusten als eigene Kategorie anerkannt“, sagt Saleemul Huq, Leiter des International Centre for Climate Change and Development an der Independent University in Dhaka und Senior Fellow am International Institute for Environment and Development in London. „Wenn keine ausreichende Anpassung betrieben wird, führt das unweigerlich zu Schäden und Verlusten. Damit stellen sich Haftungsfragen.“

Das Thema Schäden und Verluste wurde bereits 2013 bei der COP19 im Internationalen Warschau-Mechanismus zu klimabedingten Schäden und Verlusten behandelt. In Paris einigte sich die internationale Gemeinschaft aber erstmals darauf, es in einen globalen Klimavertrag aufzunehmen.

Um Schäden und Verluste zu behandeln, ist der Austausch von Daten und Fachwissen, aber auch finanzielle Unterstützung vonnöten. Versicherungen werden voraussichtlich eine große Rolle spielen. Länder könnten in einen Fonds einzahlen, aus dem sie im Schadensfall Geld erhalten. Huq verweist auf ein Pilotprojekt zu indexbasierten Wetterversicherungen in Afrika, der Karibik und Bangladesch. Und US-Präsident Barack Obama habe 30 Millionen Dollar für eine Klimaversicherung für Fischer in Alaska zugesagt.

Klimaschutz und -anpassung

Der Pariser Klimavertrag ist zwar ein Meilenstein für bedrohte Länder, lässt aber auch noch vieles offen. Huq kritisiert, dass die Gelder für Klimaschutz und -anpassung derzeit nicht gerecht verteilt würden. „Zum Wohle armer Länder sollte die Hälfte des Geldes für Anpassung ausgegeben werden.“ Derzeit flössen aber 84 Prozent der 6 Milliarden Dollar zur Klimafinanzierung, die bereits gezahlt worden seien, in Klimaschutzmaßnahmen großer Entwicklungsländer. Nur 16 Prozent blieben bedrohten Ländern für Anpassungsmaßnahmen. „Das ist inakzeptabel“, sagt Huq. Der Green Climate Fund (GCF), der die 100 Milliarden Dollar pro Jahr verwaltet, die reiche Länder bereitstellen wollen, werde sich dieser Problematik annehmen.

Abgesehen von Regierungen soll ein großer Teil des Geldes aus der Privatwirtschaft kommen. Leider seien die am wenigsten entwickelten Länder in der Regel auch die am wenigsten attraktiven, warnt Huq. Der Privatsektor investiere hauptsächlich in Klimaschutzmaßnahmen großer Entwicklungsländer, wo etwa mit Solar- oder Windparks Geld zu verdienen sei. Die LDC bräuchten hingegen finanzielle Mittel für die Anpassung, etwa um den Auswirkungen des Klimawandels mit dem Anbau neuer landwirtschaftlicher Produkte zu begegnen oder um Menschen aus küstennahen Gegenden umzusiedeln.

Länder wie Deutschland werben für den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien zur Stromproduktion. Aber für Länder wie Bangladesch, die arm sind, aber große Kohlevorkommen haben, ist es billiger und einfacher, bei diesem Energieträger zu bleiben.

Veränderte Wahrnehmung

„Auch die deutsche Energiewende hat vor 30 Jahren begonnen,“ sagte der Klima- und Entwicklungsexperte Thomas Hirsch kürzlich auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Er zitiert eine Studie, die der Frage nachging, was Entwicklungsländer zur alternativen Energiegewinnung motivierten würde. „Die Antwort war vielleicht überraschend, aber wenn man nachdenkt, nicht sehr: Wir brauchen Zugang zu Technologie, wir brauchen Finanzierung, wir brauchen Wissen, und wir brauchen eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung, die es uns erlaubt, innovativ mit Erneuerbaren umzugehen.“

Entwicklungsländer betonen gerne, dass sie – anders als die Industrieländer – die Atmosphäre nicht bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts vergiften und auch nicht in gleichem Maße am Wohlstand teilnehmen. Sie empfinden es zudem als ungerecht, dass sie auf billige fossile Energie verzichten sollen, während sie zugleich die Hauptlast der Erderwärmung tragen, die sie nicht verschuldet haben.

Nach wie vor sind die LDC nur für einen kleinen Teil der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Und selbst Vorreiter der Energiewende wie Deutschland produzieren noch immer viel Strom mit Kohle. Sowohl Kraftwerke als auch Kohlestrom werden in andere Länder exportiert.

Ein weltweit gültiger Kohlenstoffpreis würde nach Ansicht von Experten helfen, die Verbrennung fossiler Rohstoffe zu bremsen. Wenn die Industrie CO₂-Emissionsrechte auf dem Weltmarkt kaufen müsste, würde deren Preis demnach weit genug ansteigen, um Investitionen in Erneuerbare zu befeuern.

Ottmar Edenhofer, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, glaubt jedoch nicht, dass sinkende Kosten für Erneuerbare die Nutzung fossiler Energien eindämmen würde. Grund sei die weltweit starke Subventionierung von Öl, Gas und Kohle. „90 Prozent aller künftigen Kohlekapazitäten werden geplant von zehn Ländern: China, Indien, Türkei, Vietnam, Indonesien, Südafrika, Korea, Japan, Bangladesch und Taiwan,” sagt Edenhofer.

Ein globaler CO₂-Preis wäre jedoch ein gutes Instrument, um Investitionen in sauberes Wasser, saubere Energie und Sanitäreinrichtungen anzukurbeln. Die entstehenden Innovationen würden laut Edenhofer die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. „Das wäre ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Bepreisung von Kohlenstoff und die Armutsbekämpfung Hand in Hand gehen können. Es stimmt einfach nicht, dass das ein Zielkonflikt ist.“

Viele Entwicklungsländer sehen die CO₂-Preis-Diskussion als irrelevant an. „Sie liefert keine Antworten – keine sofortigen, keine schnellen, keine überzeugenden – auf die Frage, wie man Energiearmut schnell überwindet. Und Entschuldigung: Energiefragen sind in den allermeisten Entwicklungsländern in erster Linie Fragen nach Zugang zu Energie – billig und sauber“, argumentiert Hirsch. „Wenn wir jetzt hier in Bangladesch oder in Fidschi wären, dann würde das Publikum hier rauslaufen, weil das nicht die Fragen sind, die da wirklich drängend sind.“

Huq weist darauf hin, dass aufstrebende Länder wie Bangladesch und China schon auf Erneuerbaren-Technologien setzen und Einigkeit darüber besteht, „dass die Kohle am besten im Boden bleiben sollte“.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte mit Blick auf die im April geplante Unterzeichnung des Klimavertrags durch die Staatschefs, Ziele seien das eine, aber „wir müssen jetzt vom Wunsch zur Tat schreiten“. Allein die Zusagen zur CO₂-Reduktion zu erfüllen, werde nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Die Ziele müssten im Laufe der Zeit erhöht werden. Schwere Stürme, Überschwemmungen und der steigende Meeresspiegel führten schon heute dazu, dass Menschen ihre Häuser, ihren Besitz und ihr Leben verlören, sagt Ban.

„Der Pariser Vertrag ist ein großer Erfolg, für den wir sehr hart gearbeitet haben, und wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Er gibt die richtige Richtung vor, auch wenn die Ambitionen zum Teil noch nicht ausreichen“, sagt Huq. „Aber wir werden darauf hinwirken, die Ziele zu erreichen.“

Ellen Thalman

 

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