Katastrophenvorsorge
Katastrophenvorsorge im Gangesdelta verbessern
Wegen seiner geografischen Lage und der hohen Bevölkerungsdichte ist das ganze Land ein Klima-Hotspot. Es kommt oft zu Hitzewellen, unregelmäßigen Regenfällen, Überschwemmungen, Dürren, Wirbelstürmen, Erosion der Flussufer und – durch den steigenden Meeresspiegel – zur Versalzung des Grundwassers. Besonders gefährdet sind Menschen, die nahe an Flussufern oder dem Indischen Ozean leben.
Das Land muss langsam und schnell eintretende Krisen bewältigen. Der Klimawandel beeinträchtigt Verfügbarkeit von Wasser, Lebensmittelsicherheit, Ernährung, Gesundheit sowie Existenzgrundlagen. Flächenverlust und Missernten treiben die Menschen oft unter die Armutsgrenze. Folgen sind Vertreibung und soziale Krisen.
Enorme Fortschritte
Glücklicherweise gibt es echte Fortschritte. Die Zahl der Toten durch große Wirbelstürme ist massiv gesunken. 2020 forderte Zyklon Amphan 26 Menschenleben – 1991 starben durch den Sturm Gorki, der die gleiche Stärke hatte, fast 140 000 Menschen. Zwanzig Jahre zuvor kostete Bhola sogar mehr als 500 000 Menschen das Leben.
Wie diese Zahlen zeigen, waren die Maßnahmen von Regierungsbehörden und Zivilgesellschaft erfolgreich. Heute verfügt Bangladesch über ein effektives Frühwarnsystem, das unter anderem über Mobilfunk funktioniert.
Vor einer drohenden Katastrophe werden Textnachrichten an alle Handys im betroffenen Gebiet gesendet. Freiwillige wurden darin geschult, Evakuierungsmaßnahmen zu leiten und dabei besonders auf Bedürftige zu achten. An den Küsten gibt es ein weites Netz von Zyklonschutzbauten, viele davon dienen in normalen Zeiten anderen Zwecken, etwa als Grundschulen.
Zur Katastrophenvorsorge gehört auch, dass Schulkinder lernen, was bei einem Wirbelsturm zu tun ist. Das gehört inzwischen zum landesweiten Lehrplan. Im Notfall können die Schutzräume ganze Dörfer aufnehmen. Tatsächlich fliehen die meisten Menschen bei einer Katastrophe in diese – einige, die das nicht tun, kommen ums Leben.
Zivilgesellschaftliche Organisationen
Die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen kann nicht genug betont werden. In Bangladesch bemüht sich ein weites Netzwerk dieser Organisationen darum, das Bewusstsein für den Klimawandel und seine Folgen zu schärfen, Wissen unter lokalen Gemeinschaften zu verbreiten und Kapazitäten zur Bewältigung sozioökonomischer Gefahren aufzubauen.
Ein Beispiel ist die Rothalbmond-Gesellschaft von Bangladesch. Diese errichtete 1972 nach der tödlichen Verwüstung durch Bhola (1970) und dem Unabhängigkeitskrieg (1971) ihr Zyklonvorbereitungsprogramm. Heute dienen 70 000 Freiwillige den Gemeinden an der Basis.
Wirbelstürme schädigen nicht nur Menschen; noch schwerer zu verhindern sind die wirtschaftliche Schäden: Häuser werden zerstört, Felder unbrauchbar, Vieh stirbt. Viele Familien, die von kleinen Farmen oder der Fischerei abhängen, sind so arm, dass sie sich keine private Versicherung leisten können. Was sie verlieren – ein Boot, eine Kuh oder Werkzeuge – mögen nicht teuer sein, aber für die Betroffenen sind sie enorm wertvoll. Ihr Lebensunterhalt hängt davon ab.
Es gibt diverse Dinge, die Menschen nach Katastrophen wieder auf die Beine helfen – etwa verlässliche soziale Sicherheitsnetze und eine starke extremwetter-resistente Infrastruktur. Auch wirtschaftliche Hilfen sind wichtig. Naturbasierte Lösungen sind am effektivsten, denn sie sind relativ günstig und stärken die Resilienz des lokalen Ökosystems. Wiederaufforstung von Mangrovenwäldern an der Küste mindert die Folgen von Wirbelstürmen, da die Bäume als erste Barriere dienen. Zudem sind Maßnahmen auf lokaler Ebene besser, da sie meist effizient und wirksam sind (zu naturbasierten und lokal verwalteten Lösungen siehe auch David Mfitumukiza auf www.dandc.eu).
In den vergangenen Jahrzehnten hat Bangladesch eine Reihe von Plänen zur Bewältigung des Klimawandels verabschiedet. Zu den wichtigsten gehören
- das Nationale Aktionsprogramm zur Anpassung an den Klimawandel von 2005 (NAPA) (2009 aktualisiert),
- der Strategie- und Aktionsplan zum Klimawandel in Bangladesch (BCCSAP) von 2009,
- die Geschäftsordnung zu Katastrophen (SOD) von 2010 (2019 aktualisiert),
- der Aktionsplan Klimawandel und Gender (ccGAP) von 2013,
- die Nationale Katastrophenschutzpolitik von 2015, und
- der Nationale Katastrophenmanagementplan für die Jahre 2021 bis 2025,
- der Achte Fünfjahresplan 2021-2025,
- der Bangladesch Delta-Plan 2100 von 2018,
- der Mujib-Klima-Wohlstandsplan (MCPP) von 2021.
Im Zusammenhang mit der UN-Klimarahmenkonvention hat die Regierung Bangladeschs einen nationalen Anpassungsplan ausgearbeitet und die national festgelegten Beiträge zu den multilateralen Klimaschutzmaßnahmen dargelegt.
Ganzheitliche Vision
Die Politik hat sich von der anfänglichen Identifizierung und Bewältigung akuter Probleme immer mehr zu ganzheitlichen Ansätzen hin entwickelt, die die Resilienz von Individuen, lokalen Gemeinschaften und letztlich der gesamten Gesellschaft stärken. Die Vision: Armut beseitigen und sozioökonomischen Wohlstand erreichen. Die Regierung hat einen armuts- und geschlechtsspezifisch ausgerichteten Ansatz von Klimaresilienz. Sie aktualisiert ihre Politik angesichts neuer Erkenntnisse und Einsichten stetig.
Bisher sind zwei Ministerien zentral: das Ministerium für Umwelt, Forst und Klimawandel und das Ministerium für Katastrophenmanagement und Katastrophenhilfe. Von den anderen Ministerien wird jedoch erwartet, ihre Programme im Einklang mit der übergeordneten Politik zu gestalten. Natürlich sind auch die subnationalen Regierungsinstitutionen – inklusive Bezirksverwaltungen und Gemeindebehörden – relevant. Alle Ministerien sollen zudem ihre eigenen detaillierten Arbeitspläne im Einklang mit den SOD-Leitlinien erstellen. Zudem gibt es Katastrophenschutzausschüsse (DMC) auf allen subnationalen Ebenen.
Bei der Umsetzung hat sich Bangladesch weitgehend auf eigene finanzielle Mittel verlassen. Die nationale Regierung nutzt den 2010 eingerichteten Bangladesh Climate Change Trust Fund (BCCTF) zur Verteilung von Finanzmitteln. Bisher hat der BCCTF umgerechnet rund 450 Millionen Dollar ausgezahlt.
Die meisten diesbezüglichen Projekte konzentrierten sich auf Themen wie Wasserinfrastruktur, Ernährungssicherheit und Katastrophenvorsorge. Neben Mehrzweckunterkünften sind auch andere bauliche Infrastrukturen hilfreich, wie etwa Entwässerungs- und Bewässerungskanäle. Auch Flussregulierung und hydraulische Systeme sind wichtig, starke Dämme schützen Menschen und Felder vor Überschwemmungen. Auch Anpassung der Landwirtschaft, Aufforstung und Wiederbewaldung mindern das Katastrophenrisiko.
Internationale Förderung
Das Land hat in den letzten Jahrzehnten auch finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Öffentliche Entwicklungshilfe (ODA – official development assistance) und verschiedene Formen von Klimafinanzierung haben Bangladesch geholfen, seine Schwachstellen in Resilienz umzuwandeln. Leider haben Länder mit hohem Einkommen nicht alle Zusagen zur Klimafinanzierung eingehalten (siehe Saleemul Huq auf www.dandc.eu).
Bangladesch ist auf dem Weg zur Resilienz weit gekommen, aber es gibt Verbesserungsmöglichkeiten. Der jüngste Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) (siehe hierzu Roli Mahajan on www.dandc.eu) benennt als Problem für Bangladesch, dass die Wirbelstürme künftig häufiger und stärker werden.
Dem IPCC zufolge sind auch Fehlanpassungen an eine veränderte Umwelt bedenklich. Ein Beispiel ist die Garnelenzucht in Bangladesch. Die Umwandlung landwirtschaftlicher Flächen in Aquakulturteiche brachte kurzfristig Vorteile, doch die Langzeitfolgen wiegen schwerer. Das Geschäft gilt nun als nicht nachhaltig. Künftige Entwicklungspläne müssen besser auf umweltfreundlichen und breit angelegten Wohlstand ausgerichtet sein.
Link
Government of Bangladesh, 2021: Mujib Climate Prosperity Plan – Decade 2030
https://mujibplan.com/wp-content/uploads/2021/12/Mujib-Climate-Prosperity-Plan_ao-21Dec2021_small.pdf
Md Bodrud-Doza arbeitet für das Internationale Zentrum für Klimawandel und Entwicklung (ICCCAD) an der Independent Universität in Bangladesch (IUB).
bodruddoza.env12@gmail.com