Banken
,, Viel zu hohe Zinsen“
Manchmal heißt es heute, in den USA zeichne sich der Aufschwung ab und Europa müsse nicht mehr um den Euro fürchten, also sei die globale Finanzkrise ausgestanden. Stimmt das?
Nein, denn die Probleme in Nordamerika und Europa sind noch nicht gelöst, und das hat auch Folgen für die Entwicklungsländer – zum Beispiel, wenn Banken aus dem EU-Mitglied Spanien sich aus Lateinamerika zurückziehen. Die Sorge, dass plötzlich in großem Umfang Kapital abgezogen wird, ist weit verbreitet.
Aber die Entwicklungs- und Schwellenländer sind doch eigentlich recht gut durch die Krise gekommen.
Ja, und viele waren auch gut vorbereitet. Lateinamerika hat aus früheren Finanzkrisen gelernt. Das gilt auch für Asien. In Afrika ist die Lage etwas anders, denn der Kontinent ist noch nicht so stark in die Weltwirtschaft integriert, dass internationale Finanzkrisen ihn stark betreffen würden. Aber in vielen lateinamerikanischen Ländern ist die Bankengesetzgebung und -aufsicht strenger als bei uns. Davon sollten wir uns ruhig etwas abschauen.
Woran denken Sie?
Im Kern geht es darum, dass wir uns in Europa und Nordamerika vor Ausbruch der Krise von dem entfernt haben, worum es bei verantwortungsvollem Banking eigentlich geht, nämlich der Versorgung der Realwirtschaft mit Geld. Es wurden Dinge gemacht, die damit nicht mehr viel zu tun hatten, sondern darum kreisten, mit hohen Spekulationsgewinnen für hohe Bonuszahlungen an Bankmanager zu sorgen. Das war in Lateinamerika und Asien nicht im selben Maße der Fall.
In Asien sind Staatsbanken oft sehr einflussreich. Spielt das eine Rolle?
Jede Volkswirtschaft braucht einen gesunden Mix aus verschiedenen Finanzinstituten. Dazu gehören kommunale Sparkassen, Genossenschaftsbanken, große Geschäftsbanken und sicherlich auch staatliche Förderbanken. Es ist bezeichnend, dass die Franzosen und Briten sich kürzlich Banken nach dem KfW-Modell geschaffen haben. Auch US-Präsident Barack Obama hegt Pläne für eine Infrastrukturbank. Viele Regierungen von Entwicklungs- und Schwellenländern haben ähnliche Institute oder denken darüber nach, sie zu schaffen.
Aber verhindern staatliche Förderbanken nicht, dass der Privatsektor sich frei entfaltet?
Das ist eine alte Diskussion. Im Kern geht es darum, dass Förderbanken nötig sind, um Märkte zu entwickeln. Nehmen wir das Beispiel Mikrofinanzierung. Die KfW und andere Entwicklungsbanken haben beispielsweise den Aufbau der Mikrofinanzierung von Anfang an unterstützt und dann weltweit mit vorangetrieben. Damit haben sie in erheblichem Umfang Armen den Zugang zu Finanzdienstleistungen geschaffen – und zwar mit großem Erfolg, so dass heute auch die Geschäftsbanken die Armen als Zielgruppen im Auge haben.
Damit fairer Wettbewerb herrscht, brauchen aber doch alle Banken dieselben Regeln?
Ja, natürlich. Es hat aber keinen Sinn, einer kleinen ländlichen Genossenschaftsbank in einem Entwicklungsland dieselben Berichterstattungspflichten aufzubürden wie einer großen, weltweit aktiven Geschäftsbank aus einem großen Industrieland. Das würde die Kosten der kleinen Bank unglaublich in die Höhe treiben – und zahlen müssten das deren Kunden, die ohnehin schon recht arm sind. Das kann niemand wollen. Es geht meiner Meinung auch nicht darum, die verschiedenen Institute jeweils nach ihrer Rechtsform unterschiedlich zu regulieren. Es kommt vielmehr auf die Größe und die Geschäftsmodelle an. Es gibt einfache und solide Geschäftsmodelle, die schon lang erprobt sind. Sie erfordern weniger Aufsicht als hochkomplexe und entsprechend riskante Praktiken. Es ist auch klar, dass große Banken, wenn sie scheitern, die ganze Weltwirtschaft mit in den Abgrund reißen können, während kleine Banken sich ohne derartige Auswirkungen abwickeln lassen.
Was muss geschehen, um zu verhindern, dass Banken der Kategorie „too big to fail“ aufwendig vom Steuerzahler gerettet werden müssen?
Die internationalen Regeln, die allmählich greifen, laufen darauf hinaus, von systemrelevanten Banken mehr Eigenkapital zu fordern. Das heißt, sie können nur in geringerem Maße als andere mit geliehenem Geld Geschäfte machen und entsprechend auch nur geringere Risiken eingehen. Ein Effekt davon ist nun, dass viele Banken daran arbeiten, ihre Bilanzsummen zu verkleinern, um nicht mehr Eigenkapital aufbringen zu müssen. Zugleich ist deutlich zu sehen, dass Spitzenmanager wieder mehr Wert auf das traditionelle Banking legen, das in den vergangenen Jahrzehnten oft belächelt wurde, weil es im Vergleich zum spekulativen Investmentbanking wenig renditestark war. In reichen Ländern wie Deutschland ist es gut, wenn die Banken sich wieder mehr für Privatkunden und kleine Unternehmen interessieren.
Wie können sich Entwicklungsländer vor plötzlichem Kapitalabfluss schützen?
Den besten Schutz bieten gute Wirtschaftspolitik und gute Regierungsführung. Derzeit sucht viel Liquidität weltweit nach Anlagemöglichkeiten. Staaten, die eine solide und verlässliche Politik betreiben, können davon profitieren, wenn sie ein Umfeld schaffen, in dem Investoren sich sicher fühlen. Abrupte Wechsel verunsichern nur. Und eine ganze Reihe von Entwicklungsländern registriert ja auch starke Kapitalzuflüsse. Bewusst und zu Recht schränken viele von ihnen rein spekulative Zuflüsse dabei ein.
Worauf muss eine Regierung achten, wenn sie den Finanzsektor ihres Landes weiterentwickeln will – kluge Gesetzgebung und gute Amtsführung?
Natürlich, das ist immer wichtig. In der Finanzwirtschaft kommt es darüber hinaus aber besonders auf Diversifizierung an. Sie brauchen einen Markt, der alle Dienstleistungen anbietet, die Unternehmen und Verbraucher benötigen. Dazu gehören zum Beispiel auch Zahlungsverkehr und Devisenhandel. Dazu gehören auch Möglichkeiten, zu sparen und Geld anzulegen. Das Einlagengeschäft ist für Banken ja auch eine relativ zuverlässige Basis für die Kreditvergabe, weil es viel kostengünstiger ist, als sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Letztlich muss aber selbstverständlich auch der Kapitalmarkt funktionieren. Sonst kommt es vor, dass Banken, anstatt kleine und mittlere Unternehmen zu finanzieren, einfach nur Staatsanleihen ihrer Regierung kaufen – und dann kann der Privatsektor in der Tat nicht gedeihen.
Aber kleine und mittlere Unternehmen sind für Banken vergleichsweise schwierige Kunden, unter anderem, weil die Geschäftsvolumina gering sind.
Und weil viele Banken in weniger fortgeschrittenen Ländern auch gar nicht so genau wissen, wie solche Unternehmen funktionieren. Sie tun sich schwer, Stärken und Schwächen zu erkennen, und können Risiken oft gar nicht präzise einschätzen. Im Zweifel fordern sie dann viel zu hohe Zinsen. Die DEG arbeitet bei der Finanzierung von Privatinvestitionen und der direkten Beteiligung an neuen Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern mit den dortigen Finanzinstituten zusammen. Wir vermitteln den Partnern die richtige Kredittechnologie und helfen beim Aufbau eines geeigneten Risikomanagements, damit sie es künftig selbst auch ohne unser Zutun betreiben können. Und das geschieht auch, wenn sie merken, dass das Geschäft mit überschaubaren Risiken läuft.
Ist das Mikrofinanzwesen mittlerweile so stark, dass es als Selbstläufer nicht mehr viel entwicklungspolitische Aufmerksamkeit braucht?
Es stimmt, dass Mikrofinanzierungen in den vergangenen Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erlebt haben. Aber es bleibt noch sehr viel zu tun, damit die breite Bevölkerungsmehrheit Zugang zu allen relevanten Finanzdienstleistungen vom Sparbuch übers Girokonto bis hin zum Verbraucherkredit hätte. Das gilt besonders, aber nicht nur, für den ländlichen Raum.
Bruno Wenn ist Sprecher der Geschäftsführung der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH. Die DEG finanziert privatwirtschaftliche Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern mit Krediten und Beteiligungen. Sie gehört zur KfW Bankengruppe.
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