Gemeinsame Verantwortung

Schuldenerlass für die ärmsten Länder

In den hochverschuldeten ärmsten Ländern der Welt ist ein Schuldenerlass zur Bewältigung der Coronakrise notwendig. Die bisher gewährten Finanzmittel und die beschlossene Aussetzung von Schuldendienstzahlungen reichen nicht.
Die Coronakrise stellt eine gemeinsame Verantwortung dar. Graffiti in Kenias Hauptstadt Nairobi. Donwilson Odhiambo/picture-alliance/ZUMA Press Die Coronakrise stellt eine gemeinsame Verantwortung dar. Graffiti in Kenias Hauptstadt Nairobi.

Schon vor der Krise waren laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank etwa die Hälfte der Niedrigeinkommensländer hoch verschuldet. Infolge der Corona-Pandemie werden sich noch mehr arme Länder hoch verschulden. Alleine können sie die Situation nicht bewältigen, denn sie verfügen nur über geringe öffentliche Einnahmen (siehe Stefanie Rauscher im Schwerpunkt von E+Z/D+C ­e-Paper 2018/01).

Die internationale Gemeinschaft hat umfangreiche Finanzmittel bereitgestellt, zum Teil konzessionär, etwa in der Form subventionierter Kredite. Die Weltbank wird in den nächsten 15 Monaten beispielsweise rund 160 Milliarden Dollar für Entwicklungs- und Schwellenländer anbieten (Weltbank 2020). Für die ärmsten Länder stellt der IWF über die Rapid Credit Facility zinslose Kredite in Höhe von rund 10 Milliarden Dollar bereit.

Das reicht aber nicht aus, weil die Länder trotzdem noch über zu wenig Liquidität verfügen und die Kredite – auch konzessionäre – die Verschuldung weiter erhöhen.

Alle bilateralen öffentlichen Gläubiger haben einer Aussetzung von Schuldendienstzahlungen für die ärmsten Länder von Mai bis Dezember 2020 zugestimmt. Während damit kurzfristig zwar mehr Finanzmittel zur Bewältigung der Coronakrise bereitstehen, werden die Rückzahlungen nur in die Zukunft verschoben.

In dieser prekären Lage ist ein Schuldenerlass für Entwicklungsländer die einzige Lösung. Der IWF hat sein Instrument für Schuldendiensterlasse – den Catastrophe Containment and Relief Trust – reformiert, sodass nun mehr Länder kurzfristig und gleichzeitig davon profitieren können. Notwendig ist aber ein umfangreicherer Schuldenerlass. Auch der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller befürwortet in seinem „Corona-Sofortprogramm“ einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder (BMZ 2020).

Damit sich einzelne Gläubiger nicht auf Kosten anderer Gläubiger bereichern, sollten alle öffentlichen und privaten Gläubiger sich gleichermaßen an Schuldenerlassen beteiligen, und sie sollten ihre Kreditverträge öffentlich zugänglich machen (Berensmann 2020). Zudem sollten nur hochverschuldete Länder einen Schuldenerlass bekommen. Dafür könnten Schuldengrenzen vereinbart werden.

Ein Schuldenerlass allein bearbeitet allerdings nur die Symptome, nicht die Ursachen einer hohen Verschuldung. Er sollte daher an Bedingungen geknüpft werden wie die Verwendung der Mittel für armutsreduzierende Maßnahmen, den Aufbau von In­frastruktur oder die Verbesserung des Schuldenmanagements.

Darüber hinaus sollten die Gläubiger eine verantwortliche Kreditvergabe verfolgen. Ein Grund für die hohe Verschuldung waren Kredite zu Markbedingungen an Niedrigeinkommensländer. Zwischen 2007 und 2016 hat sich der Anteil der Verschuldung zu Marktkonditionen an der öffentlichen Gesamtverschuldung verdoppelt. 2016 lag er laut IWF in Niedrigeinkommensländern bei 46 Prozent. Damit tragen die Gläubiger und Schuldner die Verantwortung für die Lösung der Verschuldungskrise gemeinsam.


Links

Berensmann, K., 2020: So reagieren die Internationalen Finanzinstitutionen auf die Pandemie. Bonn, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne vom 30.04.2020.
https://www.die-gdi.de/die-aktuelle-kolumne/article/so-reagieren-die-internationalen-finanzinstitutionen-auf-die-pandemie/

BMZ, 2020: Corona-Sofortprogramm. Corona besiegen wir nur weltweit oder gar nicht. 23.04. 2020, Berlin.
http://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/Presse/bmz_corona_paket.pdf


Kathrin Berensmann ist Senior Researcher und Projektleiterin beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).
kathrin.berensmann@die-gdi.de