Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Interview mit Trevor Manuel und Heidemarie…

„Doha ist eine Frage der Prävention“

Auf einer UN-Konferenz in Doha Ende November wird die internationale Gemeinschaft Bilanz der Fortschritte seit dem Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung in Monterrey ziehen. Der „Monterrey-Konsens“ vom März 2002 beinhaltet verschiedene Elemente, um Geld für diesen Zweck aufzubringen – darunter die erneute Verpflichtung der reichen Nationen, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für offizielle Entwicklungshilfe (ODA) auszugeben. Südafrikas Finanzminister Trevor Manuel und die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sind UN-General­sekretär Ban Ki-Moons Sondergesandte für die Konferenz. Im Interview mit Hans Dembowski sprechen sie über ihre Erwartungen.

Der Monterrey-Gipfel fand kurz nach den Terrorattacken vom 11. September statt. Damals hatte man das Gefühl, die Welt strebe nach Einigkeit. Das ist allerdings durch den Irakkrieg wieder verloren gegangen. Wird es in Doha ein Bestreben nach Gemeinsamkeit geben?
Trevor Manuel (TM): Ich glaube, es gibt ein solches Bestreben, und es wird sich noch deutlicher nach dem Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA zeigen. Bestimmt eröffnen sich dann Chancen, auch globale Fragen anders zu diskutieren. Derzeit sind Ungerechtigkeiten noch offensichtlich, genauso wie das Versagen in Irak.

Noch weiß man nicht, wer die Wahlen gewinnt. Glauben Sie, dass eine Präsidentschaft Obamas oder McCains den Ansatz der USA verändern wird?
TM: Die kurze Antwort ist „ja“ – aus einem interessanten Grund: Der konservative Republikaner Newt Gingrich, der in den 1990er Jahren großen Einfluss hatte, war einer der besten Freunde, die Afrika in Washington je hatte. Gingrich hat seine Doktorarbeit über Afrika geschrieben, er versteht die Entwicklungsdynamiken des Kontinents. Und Barack Obama hat natürlich persönliche Verbindungen zu Afrika.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (HWZ): Jüngste Trends wie höhere Rohstoff-, Lebensmittel- und Treibstoffpreise tragen dazu bei, dass man sich auf das Wesentliche konzentrieren wird. Der Klimawandel schreitet voran. Außerdem ist in vielen Ländern die Stabilität ernsthaft gefährdet. Durch Konfrontation kann man die Probleme aber nicht lösen – das hat sich gerade in Georgien gezeigt. Wir brauchen deshalb Kooperation und Dialog. Wir in Europa wissen, dass wir unsere Versprechen halten müssen. Schaffen wir es nicht, die Globalisierung mitzugestalten, führt das nur zu einer neuen weltweiten Unordnung. Auf dem High-Level-Forum zur Effektivität von Entwicklungshilfe vor kurzem in Accra war deutlich zu spüren: Niemand wollte, dass der Gipfel scheiterte, so wie im Sommer die WTO-Gespräche.

Den westlichen Medien nach zu urteilen, ist der Hauptpunkt der Entwicklungsfinanzierung das alte 0,7-Prozent-Versprechen der reichen Nationen. Ist das wirklich der zentrale Aspekt?
TM: Man darf nicht vergessen, dass der Millenniumsgipfel im September 2000 und der Finanzierungsgipfel in Monterrey Anfang 2002 eng zusammenhängen. Die Ereignisse vom 11. September trugen sicherlich zum Erfolg von Monterrey bei, aber auch davor war schon Bewegung in der Sache – dank der Millenniumsentwick­lungsziele. Nun haben wir zwei Alternativen: Entweder wir machen deutliche Fortschritte bei den Entwicklungszielen oder wir versinken in Mittelmäßigkeit. Das ist die Herausforderung, der sich die politischen Führer der Welt stellen müssen.

Wie wichtig sind innovative Finanzierungsinstrumente?
HWZ: Zusammen mit der 0,7-Prozent-Zusage und anderen ODA-Verpflichtungen sind sie die zentralen Elemente des Monterrey-Konsenses, genau wie ausländische Direktinvestitionen und die Mobilisierung von Geldern in den Entwicklungsländern. Im Bereich innovative Finanzierung gibt es bisher wenig Fortschritte. In Monterrey wurde die Besteuerung von grenzüberschreitenden Finanztransaktionen diskutiert. Debattiert wurde auch die Besteuerung von Flugtickets. Und die Versteigerung von CO2-Emissionszertifikaten verbindet Entwicklungsfinanzierung mit dem Klimawandel. In Deutschland nutzen wir das schon: Wir finanzieren mit diesem Instrument Projekte zur Abschwächung des Klimawandels und zur Anpassung. Andere Nationen sollten das ebenfalls tun.

Diese Themen hängen eng zusammen. Natürlich braucht ein Land wie Bangladesch eine Entwicklungsstrategie, die den Klimawandel berücksichtigt. Andernfalls wäre sie nicht sinnvoll.
HWZ: Und neben der Strategie ist auch die Finanzierung wichtig. Wenn wir unsere Entwicklungsversprechen nicht einlösen, wird das zu großem Unmut führen. Wir brauchen einen Erfolg in Doha, um bei den Klimagesprächen Fortschritte zu machen.

Müsste angesichts des Klimawandels das 0,7-Prozent-Versprechen nicht auf 1,0 Prozent oder sogar 1,2 Prozent angehoben werden? Schließlich kommen Kosten für die Anpassung an den Klimawandel hinzu, ohne dass der Bedarf für Entwicklung geringer wird.
HWZ: Genau so argumentieren einige Entwicklungs- wie auch Industrieländer. Für Deutschland kann ich nur sagen, dass wir unser Bestes tun, um bis 2015 0,7 Prozent zu erreichen – und 0,51 Prozent bis 2010. Das sind die Ziele, die sich die alten EU-Mitglieder gesetzt haben. Lassen Sie uns das erreichen, bevor wir über weitere Zielsetzungen reden.

TM: Angesichts des Klimawandels muss sich die Welt etwas ganz Neues ausdenken. Es gibt noch keine Lösung, aber der Druck ist groß. Vergessen Sie nicht, dass die Erhebung einer CO2-Steuer auf Treibstoffverbrauch eine Reaktion auf den Klimawandel war. Die jetzigen Preisanstiege sind deutlich höher, als eine solche Steuer es gewesen wäre. Dieses Geld wird nicht unbedingt in nützliche Programme fließen, aber es zeigt, dass Geld da ist.

HWZ: In Accra habe ich bei den Delegierten der Entwicklungsländer Ungeduld gespürt. Viele Menschen merken den Druck der Lebensmittel- und Treibstoffpreise. Ihre Frustration kann leicht von populistischen Politikern ausgenutzt werden, die sich zum Beispiel auf religiöse Glaubenssysteme oder ethnische Identitäten stützen. Wenn es der internationalen Gemeinschaft nicht gelingt, die sehr realen Probleme wie Armut und Klimawandel anzugehen, müssen wir nicht nur den Schaden reparieren. Wir werden auch mit Extremismus und Terrorismus zu tun haben. Doha ist wirklich eine Frage der Prävention.

Seit den frühen 1980ern gibt es einen internationalen Trend, Steuern zu senken. Politiker wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher verbreiteten die Vorstellung, dass an Steuern grundsätzlich etwas nicht stimmt. Ändert sich das?
TM: Selbst wenn John McCain in den USA gewinnt: Es wird ihm sehr schwerfallen, ein System zu erhalten, das den Reichen Steuererleichterungen gewährt, während öffentliche Dienstleistungen den Bach hinuntergehen. Die Menschen wollen weder zu stark besteuert noch unfair behandelt werden. Angesichts von Liechtenstein und anderen Fällen von Steuerhinterziehung fragen sie sich: „Wieso lässt man die Schuldigen davonkommen? Wir alle haben unsere Verpflichtungen, wir alle zahlen Steuern. Niemand sollte davon ausgenommen sein.“ So denken rechtschaffene Leute weltweit. Daher müssen wir uns mit Steueroasen und damit zusammenhängenden Themen auseinandersetzen.

HWZ: Genau, und dieses Thema verdient in Doha mehr Aufmerksamkeit als in Monterrey. Es wäre sinnvoll, einen globalen Vertrag gegen Steuerhinterziehung zu entwerfen. Ein solcher Vertrag würde nicht nur Regierungen, sondern auch Unternehmen aus dem privaten Sektor einbeziehen. Steuerhinterziehung und Steuerflucht schaden Entwicklungs- genau wie Industrieländern. Nach einer von unserem Ministerium beauftragten Studie betragen die Verluste für die Entwicklungsländer jährlich 500 Milliarden US-Dollar. Und die gleiche Summe geht den reichen Nationen verloren; zusammen also zehnmal so viel wie die gesamte ODA. Stünde das Geld den nationalen Haushalten zur Verfügung, würde das viele Probleme lösen …

… nicht zuletzt bei der Mobilisierung eigener Mittel in den Entwicklungsländern.
HWZ: Ganz genau. Als wir mit Mitarbeitern der internen Steuerverwaltung in Ghana sprachen, sagte einer von ihnen: „Wenn wir wollen, dass sich unsere Regierung gegenüber uns Bürgern verantwortlich verhält, muss sie unabhängiger von ausländischer Hilfe werden.“ Diese Idee ist nicht neu, aber es war beeindruckend, sie so deutlich von einem Regierungsbeamten in Afrika zu hören.

Der historische Slogan der amerikanischen Revolution „Keine Steuern ohne Repräsentation“ lässt sich sinnvoll umdrehen. Wo keine Steuern gezahlt werden, gibt es normalerweise auch keine Repräsentation.

TM: Das ist ein sehr wichtiges Thema, und das ist den Regierungen in ganz Afrika bewusst. Wir wissen, dass die Steuererhebung vorangetrieben und verbessert werden muss. Dazu wurde bereits beschlossen, ein afrikanisches Steuerinstitut zu gründen, das von der OECD finanziert wird.

HWZ: Der Punkt ist der: Wenn sich ein Land aus eigener Kraft finanziert, ist das ein Beweis für Good Governance und Ownership. Das ist ein langfristiges Ziel. Wir müssen international zusammenarbeiten, um es überall zu erreichen.