Film
„The Woman King“: Emanzipation und Blutvergießen
Afrikanische Soldatinnen, bewaffnet mit Macheten und Speeren, überfallen im Schutz der Dunkelheit brutal das Dorf ihrer Feinde: Die actionreiche Anfangsszene von „The Woman King“ erinnert an Historiendramen wie „Braveheart“ oder „Gladiator“. Aber es sind keine weißen Männer, die hier ihre Kampfkünste zeigen, sondern die „Agojie“, eine rein weibliche Elitegarde des – im Film fiktiven – westafrikanischen Königreichs Dahomey.
Angeführt von ihrer Generalin Nanisca kämpfen die Kriegerinnen gegen eine vermeintlich übermächtige Allianz benachbarter Völker, die die Dahomey unterdrückt und einen Teil von ihnen bereits an weiße Sklavenhändler verkauft hat. Der Film verortet die Geschehnisse im Jahr 1823.
Nanisca, vielschichtig gespielt von Oscar-Gewinnerin Viola Davis, ist einerseits taffe Anführerin, andererseits schwer traumatisiert: Sie wurde nach einer Vergewaltigung durch ihre Feinde schwanger und musste ihr Kind direkt nach der Geburt weggeben. Ihr autoritärer Führungsstil wird herausgefordert durch die junge Nawi, Aspirantin auf einen Platz in der Garde, gespielt von Thuso Mbedu.
Beide Figuren machen eine Entwicklung durch: Nanisca stellt sich ihrer Vergangenheit und gerät in den Konkurrenzkampf, welche Frau als „Woman King“ an der Seite des neuen Königs Ghezo (Golden-Globe-Preisträger John Boyega) herrschen darf. Und für Nawi, die sich einer arrangierten Ehe verweigert, ist die Ausbildung zur Elitesoldatin ein Prozess der Emanzipation und Selbstfindung. Es sind vor allem diese beiden starken Frauenfiguren, die dem Film emotionale Tiefe geben.
Gegen die Sklaverei
Emanzipieren sollen sich auch die Dahomey, so will es der stolze Ghezo. In „The Woman King“ gibt es dafür nur einen Weg: den Kampf. Er führt durch weitere rasante Actionsequenzen, bei denen es teils recht brutal zugeht. Blut fließt in diesem Film reichlich, entsprechend ist er erst ab 16 Jahren freigegeben.
Auch wenn die Dahomey gegen benachbarte afrikanische Völker in die Schlacht ziehen, macht Nanisca unmissverständlich klar, wer die eigentlichen Gegner sind: „Der weiße Mann hat die Immoralität zu uns gebracht“, sagt sie. „Er wird damit nicht aufhören, bis ganz Afrika versklavt ist.“
Für seine Darstellung der Dahomey und der Sklaverei wurde „The Woman King“ scharf kritisiert. Ein Argument: Die Heldinnen kämen zu gut weg, und der Film habe die Chance vertan, der nuancierten Geschichte der Sklaverei angemessen Rechnung zu tragen – denn er verschleiere, wie sehr das historische Königreich Dahomey selbst vom Sklavenhandel profitierte. Es existierte vom 17. bis zum 19. Jahrhundert im heutigen Benin und brachte tatsächlich außergewöhnliche Soldatinnen hervor.
Inspiration statt historische Korrektheit
Das in Südafrika gedrehte Drama zitiert zwar das historische Vorbild, beruft sich aber letztlich auf die eigene Fiktionalität. Wichtiger, als historisch korrekt zu sein, ist ihm, die Zuschauer*innen zu inspirieren, etwa mit der Rede König Ghezos: „Die Europäer und die Amerikaner haben erkannt, dass, wenn man ein Volk in Ketten legen will, es davon überzeugt werden muss, dass dies seine Bestimmung ist. So wurden wir unsere eigenen Unterdrücker. Das ist jetzt vorbei. Endgültig. Wir sind ein Volk von Kriegern! Es liegt Macht in unserem Geist. Unserer Einigkeit. Unserer Kultur. Wenn wir diese Macht begreifen, gibt es keine Grenzen für uns.“
Angesichts von fortbestehendem Rassismus und fortbestehender Unterdrückung dürften sich viele Menschen in Afrika und anderen Teilen der Welt von solchen Botschaften angesprochen fühlen. Nicht umsonst hat die African-American Film Critics Association (AAFCA), eine Vereinigung afroamerikanischer Filmkritiker, „The Woman King“ als besten Film des Jahres 2023 ausgezeichnet. Gina Prince-Bythewood erhielt die Auszeichnung als beste Regisseurin.
Film
The Woman King, 2022, USA, 2 h 14 min, FSK 16, director: Gina Prince-Bythewood.
Jörg Döbereiner ist Redakteur bei E+Z/D+C.
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