Budgethilfe

Elf Empfehlungen für die Praxis

Angesichts der Risiken der Budgethilfe und erster empirischer Ergebnisse machen Experten der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen. Aus ihrer Sicht sollte die Bundesregierung stärkeren Einfluss auf die internationale Entwicklungsdebatte nehmen. Ziele wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Armutsbekämpfung dürfen nicht wegen finanztechnischer Herausforderungen und pauschalisierten Effizienzvorstellungen in den Hintergrund treten. Die Konzentration auf wenige Partner könnte zudem dazu beitragen, die Verantwortung der einzelnen Akteure stärker zu betonen.


[ Von Andrea Kolb und Peter Molt ]

Von einem neuen Paradigma zu sprechen wäre verfrüht, obwohl sich bei den multilateralen Gebern ein klarer Trend zu mehr Budgethilfe abzeichnet. Dabei gibt es bisher keine ausreichende empirische Entscheidungsgrundlage für oder gegen diese Finanzierungsform. Es ist derzeit noch kaum möglich, die Auswirkungen von Budgethilfe auf die Zielländer wirklich aussagekräftig zu bewerten. Erste Tendenzen zeichnen sich in den bisher durchgeführten Evaluierungen aber bereits ab (Wahlers, 2008).

Budgethilfe ist dazu gedacht, die öffentliche Verwaltung und die staatlichen Sozialleistungen in Entwicklungsländern zu stärken. Es wird angenommen, dass die Konditionierung der Hilfe Anreize für politische Veränderungen setzt und dass sie dazu führt, dass sich die Regierungen von Entwicklungsländern mit Reformprogrammen stärker identifizieren. Budgethilfe soll zu einer Verbesserung der Planungsprozesse führen, zu geringeren Transaktionskosten und einer effizienteren Geberkoordination. Zugleich wird der Dialog von Geber- und Empfängerregierungen aufgewertet.

Ferner wird postuliert, dass Budgethilfe die Rolle von Parlamenten und Rechnungshöfen stärkt und so mehr Transparenz schafft. Von besseren staatlichen Leistungen sollen dann die Legitimität öffentlicher Institutionen und die nationale Kohäsion profitieren.

Auf der Basis solcher Erwägungen sieht die Pariser Erklärung über die Wirksamkeit der Entwick­lungshilfe von 2005 mehrere Ziele vor, die bis 2010 erreicht werden sollen. Dazu gehören, dass
- mindestens 85 Prozent der öffentlichen Entwick­lungshilfe (ODA), die in den staatlichen Sektor fließen, im Staatshaushalt des jeweiligen Empfängerlandes verbucht,
- mindestens 75 Prozent der ODA im Rahmen ein- oder mehrjähriger Zeitpläne vergeben und
- mindestens 66 Prozent der ODA im Rahmen
von programmgestützten Ansätzen (insbesondere durch Budgethilfe) vergeben werden sollen.

Risiken und Nebenwirkungen

Leider kann Budgethilfe aber auch unerwünschte Effekte haben. Zum Beispiel besteht die Gefahr, dass parlamentarische Kompetenzen geschwächt werden (Molt, 2006). Das ist der Fall, wenn die Volksvertretung die Hoheit über den Haushalt verliert, weil wichtige Budgetentscheidungen in Verhandlungsrunden von Regierung und Gebern fallen. Werden Abgeordnete vor vollendete Tatsachen gestellt und die Opposition in ihren Rechten beschnitten, dann konterkariert Budgethilfe jegliche Bemühungen zur Demokratieförderung.

In jedem Fall aber werden Regierungen versuchen, Auflagen der Geber zu erfüllen, von denen sie Geld bekommen. Zumindest ein Stück weit werden sie sich dabei ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber Parlament und Öffentlichkeit enthoben fühlen.

Weitere Risiken der Budgethilfe werden vor allem im administrativen und finanztechnischen Bereich erkannt. Zu befürchten sind Fehlverwendungen, mangelnde Durchführungskapazität und Veruntreuung der gewährten Mittel. Diese Risiken sollen Maßnahmen zur Stärkung der Finanzverwaltung in den Zielländern verringern.

Allerdings ist das Capacity Building in der Finanzverwaltung eine riesige Herausforderung (Hoff, 2008). Es geht nicht nur um zentralstaatliche Behörden, sondern auch um Fach-, Regional- und Lokalverwaltungen. Alle müssen korruptionsresistent gemacht sowie in die Lage versetzt werden, politische Programme effizienter zu implementieren. Allerdings dürfen die eigentlichen Entwicklungsziele – Demokratie und stimmige Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik – nicht aus dem Blick geraten.

Sorgen bereitet überdies, dass Budgethilfe die Eigeninitiative der Regierungen armer Länder untergraben kann. Das gilt besonders hinsichtlich der Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität oder mittel- oder langfristig ausgewogenen Staatsfinanzierung. Kein noch so intensiver Politikdialog kann die Kraft entfalten, die ökonomischer Zwang ausübt.

Bei unzureichender Kontrolle über den Staatshaushalt besteht ferner die Gefahr, dass Budgethilfe interne Finanzmittel freisetzt, die dann für fragwürdige Zwecke genutzt werden. Zu nennen wären militärische Ausrüstung oder große Infrastrukturprojekte, die nicht dem Gemeinwohl dienen.

Demokratische Kontrolle

Angesichts solcher Fragen ist klar, dass Budgethilfe vor allem dort positiv wirken kann, wo es eine starke, legitime, reformwillige und demokratisch gefestigte Regierung gibt. Zu den Erfolgsvoraussetzungen gehören ferner Transparenz, Rechenschaftspflicht, Kontrolle durch demokratische Institutionen und unabhängige Evaluierung.

Nur wenn all das erfüllt ist, kann Budgethilfe die Qualität und Kapazität der öffentlichen Finanzverwaltung im Partnerland stärken, nationale wirtschaftspolitische und soziale Reformprozesse unterstützen und zu einer vorläufigen Stabilisierung öffentlicher Einnahmen und Ausgaben in sozialen Sektoren beitragen. Entsprechend muss zusätzlich zur Budgethilfe etwas für den Auf- und Ausbau institutioneller Kapazitäten auf allen relevanten Ebenen getan werden.

Die meisten Länder, die Budgethilfe bekommen oder bekommen sollen, weisen jedoch in der einen oder anderen Hinsicht Defizite auf. Im Einzelnen muss deshalb geprüft werden,
- wie gravierend die Defizite sind,
- welche Verbesserungschancen bestehen und
- ob die Risiken wegen der Vorteile der Budgethilfe akzeptiert werden können.

Für den Wiederaufbau fragiler Staaten ist Budgethilfe kein geeignetes Instrument, auch nicht in Kombination mit anderen Hilfen. Auch für Staaten, die inzwischen nicht mehr von internationaler Hilfe abhängig sind wie beispielsweise die Schwellenländer, bedarf es gesonderter Strategien und Instrumente. Die Pariser Erklärung ist für diese Länder nur bedingt anwendbar.

Schritte in die richtige Richtung

Es liegt sicherlich nicht im deutschen Interesse, Budgethilfe generell abzulehnen. An der allgemeinen Budgethilfe hat sich Deutschland ohnehin bisher nur in geringem Umfang beteiligt und stattdessen der sektoralen Programmhilfe den Vorzug gegeben. Allerdings hat die Bundesregierung angekündigt, die Beteiligung an der allgemeinen Budgethilfe in den nächsten Jahren auszubauen.

Die deutsche Beteiligung am Dialog in den multilateralen Organisationen über die allgemeine Budgethilfe ist bisher unzureichend. Sie sollte intensiviert werden. Besonderes im Rahmen von Weltbank und Europäischer Union sollte Deutschland sein Mitspracherecht stärker nutzen. Aus den bisher durchgeführten Evaluierungen verschiedener Institutionen leiten wir elf Empfehlungen für eine erfolgreichere Budgethilfepraxis ab.

(1) Länderspezifisch entscheiden: Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass die internationale Debatte nicht einseitig auf die Paris-Kriterien abstellt. Es wäre falsch, diese Kriterien zur verbindlichen Richtschnur zu machen. Dafür sind sie zu pauschal. Die Bundesregierung sollte vielmehr auf eine differenzierte Diskussion drängen, insbesondere im Hinblick auf die politischen Prozesse in den Partnerländern und die Frage der Ownership der Bürger – und besonders der armen Bevölkerung. Deutschland sollte einfordern, dass die Wirkung von Budgethilfe (und der Paris-Agenda überhaupt) detailliert untersucht wird.

(2) Demokratie und Rechtsstaat: Wenn für ein Land die Vergabe von Budgethilfe beschlossen wurde, müssen die dortigen Verantwortlichen und die Geber dafür sorgen, dass die nötigen Finanzkontrollinstanzen greifen. Das Parlament und eine unabhängige Rechnungskontrollbehörde müssen sowohl externe als auch nationale Mittelflüsse kontrollieren können. Dabei sollte die Bundesregierung aber darauf achten, dass die Finanzkontrolle nicht zu Lasten anderer wichtiger Ziele gestärkt wird.

(3) Exitstrategie: Szenarien für die Zeit nach dem Ende der Budgethilfe müssen von Anfang an bedacht werden. Budgethilfe ist ihrem Wesen nach befristet. Wenn dieses Instrument – wie intendiert – zur Stabilisierung von Staaten beitragen soll, muss den Problemen, die beim Auslaufen absehbar sind, frühzeitig vorgebeugt werden. Zu prüfen wäre auch, ob Budgethilfe nicht als eine Art Prämie für demokratische und gute Regierungsführung gehandhabt werden könnte. Das könnte allzu große Abhängigkeit verhindern.

(4) Auswahl der Empfänger: Budgethilfe ist nur für wenige Länder geeignet. Diese Länder müssen sich auf einem positiven Weg befinden und in vielfältige internationale Kooperationen eingebunden sein. Der deutsche Kontakt zu ihnen darf nicht nur über die Budgethilfe bestehen.

(5) Transparente Entscheidungen: Die Kriterien zur Auswahl der Budgethilfe-Empfängerländer und ihre Gewichtung sollten nicht nur transparenter dargestellt, sondern auch konsequent überprüft werden. Die Praxis zeigt, dass sie in manchen Fällen nicht den Vorstellungen deutscher Durchführungsorganisationen entsprechen. Es ist gut, dass in Deutschland die Vergabekriterien des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick­lung (BMZ) für Budgethilfe bekannt sind, ihre Gewichtung bei der Länderauswahl bleibt im Einzelfall bisher jedoch unklar.

(6) Klare Konditionen: Im Fall schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte oder andere internationale Standards und Vereinbarungen sollten die Geber konsequenter und schneller als bisher zu Sanktionen greifen. Sie sollten dann Zahlungen unterbrechen oder Mittel kürzen. Wird in solchen Situationen die Zusammenarbeit mit der jeweiligen Regierung bruchlos fortgeführt, weckt das den Eindruck, deren Verhalten werde befürwortet. Um in diesen Fällen die Bevölkerung zu erreichen, sind nicht­staatliche Organisationen die geeigneten Partner. Auf keinen Fall dürfen „Mittelabflussprobleme“ zur Finanzierung von Politik führen, die nicht im Interesse Deutschlands ist. Auch geringere Verstöße gegen Vereinbarungen mit Blick auf Entwicklungsziele oder Mitteladministration sollten sofort Thema des Politikdialogs werden. Deutschland sollte auf die Erfüllung der Vereinbarungen drängen.

(7) Konzentration auf wenige Länder: Deutschland sollte erwägen, seine Beteiligung an Budgethilfen auf die wenigen Länder, die wirklich die Voraussetzungen für eine effiziente Anwendung des Instruments bieten, zu konzentrieren. Das böte die Chance, eine stärkere Moderatorenrolle im politischen Dialog zu übernehmen. Das wäre vor allem der Fall, wenn parallel dazu mit der jeweiligen Regierung ergänzende Programme in politisch wichtigen Bereichen vereinbart werden, etwa die Stärkung des Parlaments und anderer demokratisch gewählter Körperschaften, der Sicherheitsorgane, des Gerichtswesens und der örtlichen Selbstverwaltung.

(8) Zivilgesellschaft einbinden: Der Erfolg der Budgethilfe hängt von einem Mindestmaß demokratischer Kontrolle ab. Die Förderung von Parlamenten und Parteien durch multilaterale Geber beschränkt sich allerdings häufig auf die technische Unterstützung der Verwaltungen und Ausschüsse auf der nationalen Ebene. Damit Bürgern echte Partizipation ermöglicht wird, ist auch eine handlungsfähige und ausdifferenzierte Zivilgesellschaft nötig. Die deutsche Entwicklungspolitik verfügt dank der politischen Stiftungen, die jeweils den im Bundestag vertretenen politischen Parteien nahestehen, über ein international anerkanntes und bewährtes Instrumentarium, um hier unterstützend tätig zu werden. Die gezielte Einbindung der politischen Stiftungen in Budgethilfeprogramme könnte auch dazu dienen, in den Entwicklungsländern die öffentliche Auseinandersetzung über Haushaltsführung und Finanzkontrolle zu fördern.

(9) Instrumenten-Mix: Die im Rahmen von Budgethilfe vereinbarten Politikreformen sollten immer durch Beratungsleistungen unterstützt werden. Deutschland sollte nur in den Ländern Budgethilfe leisten, in denen es auch mit Programmen und Projekten tätig ist. Die aus langjähriger Projekterfahrung vorhandene sektorale Expertise der deutschen Entwicklungsinstitutionen könnte noch systematischer für Finanzierungsentscheidungen sowie Politikdialog genutzt werden. Dass die Verzahnung der verschiedenen entwicklungspolitischen Instrumente besonders effektiv erscheint, bestätigt auch der 2008 erschienene Bericht des Bundesrechnungshofs.

(10) Klare Verantwortung: Bislang sind die Entscheidungsprozesse, in denen die Höhe der Budgethilfe, ihre Konditionen und die Methode der Ergebnisbewertung festgelegt werden, noch nicht transparent genug. Das Prinzip der Eigenverantwortung darf aber nicht zugunsten einer nicht fassbaren Kollektivverantwortung geschwächt werden. Derzeit kann niemand für Entscheidungen, die in komplizierten Verhandlungsrunden fallen, und ihre Konsequenzen wirklich zur Rechenschaft gezogen werden – weder das Zielland noch eine einzelne Geberinstitution. Auch das spricht für eine Konzentration auf wenige Partner. Deutschland würde dann in einigen ausgewählten Ländern eine besondere Verantwortung übernehmen – und zwar auch im politischen Dialog.

(11) Europäische Kohärenz. Eine der wichtigsten Forderungen der Pariser Erklärung ist die nach besserer Koordinierung und Arbeitsteilung der Geber. Zwar sprechen sich die Geber grundsätzlich für dieses Ziel aus, zugleich ist aber auch ihr Widerstand dagegen zu spüren. Es wäre schon viel gewonnen, wenn es zumindest innerhalb der EU zu engerer Abstimmung käme. Ihre Mitglieder bringen 55 Prozent der weltweiten ODA auf, und sie sind besonders südlich der Sahara engagiert, wo sich die meisten Niedriglohnländer befinden.

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