Computerspiele
Die Zeit für die Spielebranche in Afrika ist reif
Was genau macht Leti Arts?
Mit zehn Vollzeitmitarbeitenden entwickeln wir Spiele und digitale Comics mit afrikanischem Hintergrund und afrikanischem Storytelling. Wir haben Büros in Ghanas Hauptstadt Accra und in Kenias Hauptstadt Nairobi. In unseren Produkten erwecken wir Superhelden in fantastischen Welten im Afrika der nahen Zukunft zum Leben. Wir haben ein Computerspiel namens „African Legends“ entwickelt, dem bald eine erweiterte Version namens „Africa’s Legends Reawakening“ folgen wird. Wir betreiben auch die Online-Plattform Afrocomix. Das ist eine Anwendung, die wir für den Verkauf von Produkten wie Wallpaper, kurzen Animationen, Comics oder Graphic Novels nutzen. Etwa 60 Kreative stellen ihre Inhalte auf dieser Plattform zur Verfügung. Unser drittes großes Standbein ist Consulting. Wir entwickeln Spiele oder Apps für Kunden. So finanzieren wir im Moment unsere Spieleentwicklung.
Können Sie mir ein Beispiel für eine App nennen, die Sie erstellt haben?
Wir haben mehrere Apps erstellt. Einige werden von UN-Organisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Behörden, der Weltbank und dergleichen finanziert. Die Spiele haben ernste Themen wie Malaria-Prävention oder Aufklärung über reproduktive Gesundheit. Ein Beispiel ist die interaktive Story-Game-Plattform myjorley.com. Die Spieler treffen Entscheidungen über sexuelle und reproduktive Gesundheit. Dieser Geschäftszweig ist sehr wichtig für uns, denn damit generieren wir Einnahmen. Die Spieleindustrie ist in Afrika noch sehr schwach, und es ist sehr schwer, damit Geld zu verdienen.
Was ist Ihr längerfristiger Plan in Bezug auf den Verkauf der Spiele?
Wir sprechen mit Partnern aus der Film- und Verlagsbranche, die einen Teil der Rechte an unseren Superheldenspielen kaufen wollen. Wir haben spannende Geschichten zu erzählen und entwickeln aufregende Spiele. Wir denken, dass unser neues Spiel „Africa’s Legends Reawakening“ Einnahmen bringen wird, sobald es fertig ist. Bis dahin haben wir die Einnahmen aus unseren anderen Produkten.
Warum ist es so schwer, mit Computerspielen Geld zu verdienen? Es ist eine riesige Branche in der westlichen Welt.
Hier in Afrika ist das noch ganz neu, es gibt bislang kaum Spieleentwicklung. Wir machen auf die neuen Möglichkeiten aufmerksam und wollen dazu beitragen, die Denkweise positiv zu verändern. Dazu müssen wir das richtige „Ökosystem“ schaffen, und das braucht Zeit. Es ist wichtig, dass unsere Spiele hier in Afrika entstehen, trotz aller Schwierigkeiten. Am meisten fehlt es uns an Wissen und Können. Es gibt kaum Universitäten oder Schulen, die Spieleentwicklung unterrichten. Afrika muss mehr Leute ausbilden. Wir sind Teil des Wandels und wollen, dass unsere Spiele mit amerikanischen Spielen konkurrieren können. Wir setzen auf lokales Know-how und Talent.
Wie verbessern Sie das Know-how?
Ich bin Vollzeit-Spieleentwickler. Ich versuche, ein Vorbild zu sein, und ich möchte andere Menschen dazu ermutigen, dies ebenfalls zu werden. Als wir 2009 anfingen, Spiele zu entwickeln, waren wir im Grunde die Einzigen. Deshalb erzähle ich meine Geschichte und habe sogar ein Buch darüber geschrieben. Ich möchte ein positives Beispiel setzen und andere ermutigen. Mein eigener Ansatz war Learning by Doing, was sehr effektiv sein kann. Aber wir müssen auch junge Menschen ausbilden. Vor Jahren habe ich eine Nichtregierungsorganisation gegründet, die sich auf Bildung konzentriert. Sie heißt „Steam Africa“, was für „Science, Technology, Engineering, Arts and Mathematics“ steht. Wir nutzen den Prozess der Spieleentwicklung, um Informatik zu unterrichten, weil die Herstellung eines Spiels alle relevanten Fähigkeiten beinhaltet, einschließlich Programmierung und Softwaredesign. Auf der anderen Seite sind auch das Schreiben von Geschichten und künstlerisches Arbeiten relevant. Wir bringen Autoren bei, Geschichten für ein digitales Produkt zu schreiben.
Wie kann man an Ihrem Programm teilnehmen?
Bisher haben wir noch keine formale Struktur. Aber ich arbeite daran, Partnerschaften aufzubauen, um ein formelles Kompetenztraining durchführen zu können. Ich habe die Idee auf Konferenzen vorgestellt und sie in mehreren Ländern erprobt, unter anderem in Simbabwe, Ghana und Belgien. Ich habe verschiedene Zielgruppen unterrichtet –, Erwachsene, Universitätsstudenten, Kinder – und ich glaube, dass mein Ansatz gut ist. Jetzt, in der Covid-19-Zeit, habe ich zum ersten Mal Online-Unterricht gemacht. Außerdem bildet unser Unternehmen Praktikanten aus.
Wie sieht es mit der Formalisierung der Ausbildung aus?
Soweit ich weiß, haben nur sehr wenige Universitäten Studiengänge für Spieleentwicklung im Angebot. Ich weiß von einer Uni in Kenia und einer in Südafrika. Ich glaube, dass viel mehr Universitäten Informatik und Spieledesign unterrichten sollten. An meiner Universität, der Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST), war ich, soweit ich weiß, der Erste, der ein Spiel entwickelt hat. Ich wollte beweisen, dass das auch in Afrika möglich ist. Nach mir haben weitere Studenten ähnliche Projekte gestartet. Außerdem sollten die Regierungen einen Fonds für Spielefirmen einrichten, so wie es die finnische Regierung tut. Finnland ist ein Gigant in der Spieleindustrie und verdient eine Menge Geld damit. Afrika sollte das auch tun. Afrikanische Unternehmen könnten zu großen Playern auf der Welt werden. Wir haben enormes Potenzial, wir haben eine Milliarde Menschen und die jüngste Bevölkerung der Welt. In den USA ist die Spieleindustrie größer als die Film- und Musikindustrie zusammen. Wenn das dort möglich ist, warum sollte es in Afrika nicht auch möglich sein? Die Gelegenheit ist genau jetzt da.
Haben Sie keine Angst, dass ausländische Firmen kommen und den Markt übernehmen?
Nein, davor habe ich keine Angst. Wir denken, dass sie uns als Partner brauchen. Ausländische Unternehmen können ohne uns nicht erfolgreich sein. Wir kennen unsere Leute und verstehen unsere Märkte. Aber wir müssen geduldig sein. Wir werden vielleicht zehn Jahre oder länger brauchen, um den Anschluss an den Weltmarkt zu finden. Aber es wird sicherlich passieren. Wir haben es mit der Fintech- und anderen Tech-Industrien gesehen. Sie sind in den vergangenen Jahren auf dem Kontinent schnell gewachsen. M-Pesa hat beispielsweise 2007 in Kenia begonnen, Finanztransaktionen per Mobiltelefon möglich zu machen. Heute ist es Standard.
Ist die Infrastruktur in Afrika gut genug?
Nein, aber sie wird immer besser. In manchen Gegenden ist Infrastruktur noch ein großes Problem, vor allem auf dem Land. Aber Geräte wie Handys sind vorhanden. Wir haben jetzt einen besseren Zugang zu Technologien dank 3G/4G-Internet und eine viel bessere Abdeckung als vor vier oder fünf Jahren. Die Geschwindigkeit ist an bestimmten Stellen immer noch eine Herausforderung, aber auch das wird sich bessern. Die Preise für Datenvolumen sind leider noch sehr teuer. Aber wir müssen jetzt aufhören zu jammern und handeln.
Sind Sie zufrieden damit, wie sich die afrikanische Tech-Industrie entwickelt hat?
Ich bin nicht nur zufrieden, ich bin erstaunt, wie sich Innovationen trotz der vielen Hindernisse ausbreiten. Ich habe Kollegen, die die Landwirtschaft durch Agritech-Initiativen attraktiver gemacht haben. Zum Beispiel können Bauern in abgelegenen Gebieten das Wetter abfragen. Ich habe Kollegen, die die Gesundheitsversorgung durch Online-Apps zugänglich gemacht haben. Das Interessante an der Spieleindustrie ist, dass sie andere Branchen ermöglicht und inspiriert. Ich bin der Überzeugung, dass wir bald mit Online-Spielen Geld verdienen werden. Wir befinden uns auf einem vielversprechenden Weg, und es ist sehr spannend. Wir haben über 40 Entwicklerstudios in ganz Afrika, zum Beispiel in Ghana, Südafrika, Kenia, Senegal, Ägypten, Tunesien, Nigeria, Uganda und Äthiopien. Und wir sind miteinander vernetzt. Leti Arts ist an einem Projekt beteiligt, das wir mit drei anderen Unternehmen mit Mitteln der GIZ durchführen. Es zeigt, wie Studios zusammenarbeiten und hochwertige Inhalte produzieren können. Es ist eine Revolution, dass Afrikaner afrikanische Geschichten produzieren.
Dennoch ist die Finanzierung noch ein Problem, oder?
Ja, das stimmt. Anfangs haben wir versucht, eine Finanzierung zu bekommen, aber es hat nicht geklappt, weil es den traditionellen Banken und Finanziers zu riskant erschien, in eine Spielefirma zu investieren. Zum Glück gab es Finanzierungseinrichtungen wie MEST, die uns anfangs unterstützt haben, aber seitdem haben wir keine weitere Finanzierung mehr erhalten. Aber von diesem Jahr an wollen wir Finanzinvestoren gewinnen, um unser Geschäft zu vergrößern. Das ergibt jetzt Sinn, da wir entsprechende Produkte haben und Umsätze generieren. Bislang hatten wir kein klares Geschäftsmodell, aber wir brauchen eines, um schneller zu expandieren.
Sind Sie also zuversichtlich, dass sich Ihre afrikanischen Superhelden verkaufen werden?
Ja, das bin ich. Leider mussten wir den Start von „Africa’s Legends Reawakening“ um fast ein Jahr verschieben, unter anderem wegen Finanzierungsproblemen. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir bald die erste Version auf den Markt bringen können. Und wir haben eine echte Erfolgsgeschichte zu verzeichnen. In Zusammenarbeit mit einem der größten Telekommunikationsunternehmen Ghanas haben wir eine Trivia-Version des Spiels herausgebracht. Sie heißt „Hottseat“ und läuft sehr gut. Ich denke, es wird sich als eines der bahnbrechenden und umsatzsteigernden Spiele im Afrika-Geschäft erweisen.
Buch
Tawia, E., 2016: Uncompromising passion. The humble beginnings of an African video game industry. North Legon, BKC Consulting.
Eyram Tawia is CEO and Mitgründer von Leti Arts.
info@letiarts.com