Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Wirkungsvolle Zusammenarbeit

Knapp daneben

Entwicklungsmaßnahmen, die nicht in der Eigenverantwortung der Zielländer ­liegen, scheitern. Die internationale Gemeinschaft hat das erkannt, bisher aber nicht die richtigen Konsequenzen daraus gezogen. Anstatt viel Geld in Länder ohne kompetente Regierung zu stecken, sollten Geber mehr in globale Gemeingüter investieren. Wenn sie in Entwicklungsländern Eigenverantwortung stärken wollen, können sie auch vermittelnd dort eingreifen, wo Armutsbekämpfung nicht vorankommt, weil kollektives Handeln nicht gelingt.

Von David Booth

Die Paris Declaration on Aid Effectiveness von 2005 beruhte auf der Einsicht, dass der Erfolg von Entwicklungsbemühungen von der sogenannten Ownership, der Eigenverantwortung des jeweiligen Landes, abhängt. Hilfe wirkt nur dort, wo die Regierung eines Landes tatsächlich Entwicklungsziele anstrebt. Die zentrale Herausforderung ist, so verstandene Ownership zu entwickeln. Um diese Frage hätte die internationale Entwicklungsdebatte kreisen sollen. Tatsächlich konzentrierte sie sich aber auf etwas anderes. Das habe ich bereits in einer längeren Publikation erörtert (Booth 2011); hier wiederhole ich nur die Kernthesen. Wie ich ausführen werde, behandelt die internationale Gemeinschaft Ownership als gegebene Tatsache, obwohl sie eigentlich als wünschenswertes Ergebnis angestrebt werden müsste.

Neopatrimoniale Zwänge

Die Pariser Agenda läuft darauf hinaus, dass wirksame Entwicklungshilfe nicht durch Übergehen landeseigener Strukturen Ownership untergraben darf, wo diese bereits besteht. Leider ist die Existenz der Ownership aber nicht selbstverständlich. Im Gegenteil – in sehr armen Entwicklungsländern ist sie eher die Ausnahme als die Regel. Die Elfenbeinküste, Kenia und Nigeria sind drei afrikanische Länder mit besonders großem wirtschaftlichem Potenzial. Dennoch bewiesen Gewaltausbrüche im Umfeld von Wahlen in den vergangenen Jahren, wie sehr selbst in diesen Ländern Parteien auf kurzfristigen Erfolg, Identitätspolitik und Klientelismus abzielen.

Die Regierungen dieser Länder unterliegen neopatrimonialen Zwängen. Sie dienen eher einseitigen Interessen als dem Gemeinwohl. Vermutlich würden einige politische Akteure gerne konstruktiver handeln, doch die Institutionen ihres Landes lassen das kaum zu. In einem solchen Umfeld lohnt sich die ­Orientierung am langfristigen Gemeinwohl einfach nicht.

Die Forschung hat immer wieder gezeigt, dass Entwicklungshilfe auf die Regierungsführung in solchen Systemen kaum Einfluss hat. Vermutlich behindert sie im Schnitt sogar das Institution-Building in armen Entwicklungsländern. Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex. Im Kern geht es darum, dass die politische Führung von den Konsequenzen ihres unverantwortlichen oder kurzfristigen Handelns verschont bleibt, weil sie sich – zumindest teilweise – auf Gebergeld stützt. In der Geschichte der reichen Welt entstand öffentliche Verantwortung typischerweise aus der Auseinandersetzung von Steuerzahlern mit Regierungen. Solch eine Entwicklung wird unterbunden, wo Entwicklungshilfe Steuermittel ersetzt.

Der internationale Entwicklungsdiskurs ging in den vergangenen zehn Jahren davon aus, dass es den Entwicklungsländern an Finanzmitteln fehlt, so dass die Gebernationen einspringen müssten. Diese Sicht ist verzerrt. Sicherlich gibt es einige Regierungen armer Länder, die langfristige Entwicklung wollen und entsprechende Policies verfolgen. In allen anderen Fällen wird Entwicklungshilfe aber vermutlich nicht viel mehr erreichen, als unverantwortlich ausgeübte Macht zu festigen.

Unbedeutender Papierkram

Leider macht es kaum einen Unterschied, ob die Regierung eines Entwicklungslandes auf dem Papier gute Policies unterschreibt oder nicht. Wichtig ist, was sie im Amt tatsächlich umsetzt – und das ist für Geber schwer einzuschätzen. Die gemeinsamen Strategien, die auf Betreiben der Geber verfasst werden, sind in der Praxis kaum relevant, weil politisch korrekte Konzepte gar nicht implementiert werden.
Da hilft es auch nicht, wenn die Geber auf Monitoring und sorgfältigen Statistiken bestehen. Fühlt sich die Regierung des jeweiligen Entwicklungslandes den Zielen nicht verpflichtet, wird das die schwachen staatlichen Kapazitäten nur weiter überlasten. Nimmt die Regierung die Ziele dagegen ernst, ist der Evaluierungsdruck vermutlich überflüssig.

Wenn Geberregierungen wirklich die Entwicklung armer Länder fördern wollen, dürfen sie nicht mehr so viel Geld in Länder stecken, die es vermutlich nicht gut nutzen. Stattdessen sollten sie ihre Politik, die Entwicklungschancen in anderen Feldern wie etwa dem Handel behindert, korrigieren. Zum Beispiel könnten sie manche internationale Finanzpraktiken unterbinden. Es spricht auch viel dafür, gegen internationale Korruption härter vorzugehen. Auch für unterfinanzierte globale Gemeingüter, wie zum Beispiel öffentliche Agrarforschung, sollte die reiche Welt mehr ausgeben.

Wie das Thema Ownership in der Aid-Effective­ness-Debatte bisher behandelt wurde, bringt für Entwicklung zwar kaum etwas, ist für die Geber jedoch in mehrerlei Hinsicht bequem. Zum Beispiel können sie sich demonstrativ um arme Länder kümmern und zugleich von ihren Policies ablenken, die Entwicklung behindern. In der Ownership-Debatte bedienen sie sich weltanschaulich korrekter Rhetorik mit Schlagworten wie gute Regierungsführung, Demokratie und Menschenrechte. Das kommt bei Wählern an.

Die wohlklingenden Worte führen aber in die Irre. Die politischen Systeme armer Länder sind nicht wie die, die heute in der reichen Welt vorherrschen. Typischerweise fehlt es an zivilgesellschaftlichen Organisa-tionen, die sich in den fortgeschrittenen Ökonomien im Zuge der Entstehung des wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus herausgebildet haben. Die politischen Parteien können die Macht der Regierung nicht im Zaum halten oder einen Konsens im Sinne des Allgemeinwohls bilden. Entsprächen die politischen Systeme der betroffenen Länder den heute in westlichen Nationen üblichen repräsentativen Demokratien, bräuchten sie vermutlich viel weniger Hilfe. Die Vorstellung, dass sich solche politischen Systeme mit etwas finanziellem Druck schnell in Paradebeispiele für Good Governance verwandeln ließen, ist illusorisch.

Wirksamere Hilfe

Geberinstitutionen können dennoch einen positiven Beitrag zu verantwortlicher Ownership in armen Ländern leisten und sollten das auch tun. Wären ihre Institutionen etwas leistungsfähiger, könnten viele arme Länder der Verantwortung für ihre Entwicklung besser gerecht werden. Dysfunktionale Institutionen sind häufig die Folge von ungelösten, aber lösbaren Problemen kollektiven Handelns. Dort, wo soziale Kräfte nicht in der Lage sind, einen Konsens für das Allgemeinwohl hervorzubringen, können Außenseiter durchaus etwas bewegen. Zumindest theoretisch können sie Allianzen vermitteln, die den Wandel voranbringen.

Die Idee, Fälle von blockierter Kooperation zu identifizieren und zur Lösung beizutragen, ist auf Mi­kro-, Meso- und Makroebene und selbst in der internationalen Arena relevant. Staatliche und nichtstaatliche Entwicklungshilfeorganisationen kennen sich damit aus. Sie können helfen, Blockaden zu überwinden. Die besten Beispiele dafür gibt es auf der Mikro- und Mesoebene.

Das britische Entwicklungsministerium (DFID – Department for International Development) und andere staatliche Geber haben bereits viel Erfahrung mit Projekten des Typus „Making Markets Work for the Poor“ gesammelt. Es kommt dabei darauf an, fehlende Geschäftsbeziehungen zu vermitteln und versteckte Potenziale aufzuzeigen, um die Interaktion von wirtschaftlichen und sozialen Akteuren auf dem Markt effizient und profitabel zu machen. Ein laufendes Projekt in Nigeria (http://www.propcom.org) erreichte zum Beispiel, dass sich mehr Bauern indische Traktoren kaufen konnten, weil die Zulieferbeziehungen neu verhandelt wurden. Bei der Steuerung von Dienstleistungssektoren und der Förderung von Multi-Stakeholder-Kooperation verfügt auch die deutsche GIZ, die Nachfolgerin der GTZ, über viel Erfahrung.

Natürlich ist es eine große Herausforderung, so etwas auf nationaler Ebene zu erreichen – doch Ownership als Problem kollektiven Handelns im Nationalstaat zu betrachten ist ein Ansatz, der auf der internationalen Entwicklungsagenda einen höheren Rang verdient.