Demokratieförderung

Unausgereifte Pläne

Für die Europäische Union ist es von riesiger Bedeutung, dass der demokratische Wandel in der arabischen Welt gelingt. Sie war auf den Umbruch dort ebenso wenig vorbereitet wie auf die Proteste gegen Wahlmanipulationen in Russland im Dezember. Ein neues Instrument, die European Endowment for Democracy, soll solche Versäumnisse in Zukunft verhindern. Leider ist die Endowment als Konvent geplant, was dieser Aufgabe nicht angemessen ist.


Von Maria Elisabeth Rotter

Die Idee einer European Endowment for Democracy (EED) zur Förderung von Demokratie und Zivilgesellschaft ist unter den EU-Mitgliedsstaaten momentan sehr beliebt. Die Europäische Kommission nahm diesen Vorschlag des polnischen Außenministers Radoslaw Sikorski in ihrem Kommuniqué „A new response to the changing neighborhood“ vom Mai 2011 auf. Das Konzept ent­wickelte sich unter der polnischen Ratspräsidentschaft im Herbst 2011 weiter und wird vermutlich bis 2013 umgesetzt.

Der Name des geplanten Instruments erinnert an die National Endowment for Democracy der USA, die 1983 nach dem Vorbild der deutschen politischen Stiftungen gegründet wurde. Die derzeit diskutierten Pläne für die Ausgestaltung einer European Endowment haben mit der eta­blierten US-Institution jedoch wenig zu tun.

Der polnische Vorschlag sieht keine neue Institution vor, sondern einen regelmäßigen Konvent in Warschau, auf dem die Mitglieder Erfahrungen austauschen, Prioritäten festlegen und gemeinsam Gelder zusagen. Der Europäische Auswärtige Dienst, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament sollen diesen Konvent „aus respektvollem Abstand“ organisieren. Anfangs sind 20 bis 30 Millionen Euro jährlich für dieses Programm eingeplant, später soll das Jahresbudget auf 100 Millionen Euro anwachsen. Finanziert würde es aus vorhandenen europä­ischen Haushaltsmitteln und zusätzlichen Beiträgen der Mitgliedsstaaten.

Die EED soll sich zunächst auf die ­europäische Nachbarschaft, vor allem den Mittelmeerraum und Osteuropa, konzen­trieren. Nach und nach würde sie ihren Aktionsradius gegebenenfalls erweitern. Da die Programme der EU in der Vergangenheit häufig zu staatsbezogen waren und beispielsweise in der Ukraine, Weißrussland und auf dem Westbalkan zunehmend an Wirkung einzubüßen scheinen, soll sich der Konvent mehr auf die Zivil­gesellschaft konzentrieren.

Gute Absicht, ungeeignete Mittel

So wichtig ein neuer Impetus für eine stärkere Förderung von Demokratie und Menschenrechten durch die Europäische Union auch ist: Das derzeit diskutierte Modell ist hierfür ungeeignet. Die Form als Konvent und das Management durch drei widerstreitende EU-Institutionen bergen die Gefahr einer ineffektiven und ineffi­zenten Zuwendungsmaschinerie.

Ein bloßer Konvent kann keine politische Gesamtstrategie entwickeln, an der sich die Mittelvergabe orientieren könnte. Er wird sich vor allem auf die Länder konzentrieren, die bereits im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Vertretungen und Quellen vor Ort, die Expertise in den Vergabeprozess einspeisen könnten, fehlen ihm. Unter diesen Umständen wird der Konvent viele Entscheidungen ad hoc treffen müssen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass auf diese Weise stimmige Länder- und Regionalkonzepte zustande kommen.

Ein Konvent wird umfangreiche und risikoärmere Programme gegenüber innovativen, kleineren Programmen oder Stipendien- oder Austauschprogrammen bevorzugen, weil sie einfacher zu verwalten sind. Viele solcher Programme sind jedoch nicht ausreichend an die Bedingungen vor Ort angepasst. Die Transformationsländer Mittel- und Osteuropas – allen voran Polen – hatten in den 1990ern genau das kritisiert: Die westlichen Staaten unterstützten ihren Übergang zur Demokratie mit schablonenhaften Programmen und beachteten dabei neue, ortskundige Organisationen kaum. Es wäre daher eine traurige Ironie der Geschichte, wenn der polnische Vorschlag eines europäischen Demokratiekonvents diese Fehler wiederholen würde.

Außerdem scheinen die Kompetenzen nicht klar abgegrenzt zu sein. Rätselhaft bleibt das beabsichtigte Verhältnis zwischen dem EED und dem 2007 gegründeten European Instrument for Democracy and Human Rights (EIDHR). Das EIDHR vergibt Mittel an zivilgesellschaftliche Organisationen und finanziert Wahlbeobachtung. Das EIDHR musste für seinen technokratischen und unflexiblen Ansatz und seine geringen politischen Erwartungen schon viel Kritik einstecken. Dennoch wird das EED das EIDHR wahrscheinlich nicht ablösen, sondern ergänzen – mit unvermeidlichen Dopplungen.

Auch die europäische Nachbarschaftspolitik dürfte sich mit dem neuen Instrument überschneiden: Offiziell soll die EED zwar eine von sechs Säulen einer reformierten Nachbarschaftspolitik werden – was dies für andere Träger von Projekten zur Demokratieförderung bedeutet, ist aber unklar. Die EU hat längst 1,2 Milliarden Euro für solche Zwecke in Nachbarländern in diesem Jahr vorgesehen. Vermutlich werden EED-Mittel zunächst parallel dazu ausgeschüttet werden, bis dann für künftige Haushaltsperioden die Verantwortlichkeit neu geregelt wird.

Auch das Verhältnis des EED zu nationalen Instrumenten der Demokratieförderung wie den deutschen politischen Stiftungen, der Westminster Foundation und dem Netherlands Institute for Multi-Party Democracy ist noch unklar. Zwar könnten Vertreter dieser Institutionen an Sitzungen des Konvents teilnehmen und dabei Informationen austauschen oder eine informelle Arbeitsteilung ausmachen. Effektiver wäre jedoch eine grundsätzliche Klärung der Frage, welches Alleinstellungsmerkmal eine europäische Endowment for Democracy gegenüber bestehenden nationalen Institutionen der Demokratieförderung haben soll.

Eine weitere Hürde lauert schließlich bei der Umsetzung: Selbst wenn der Konvent es schafft, einen strategischen Prozess zu installieren, sinnvolle Projekte zu fördern und Dopplungen zu vermeiden, wird er die von ihm finanzierten Programme kaum kontinuierlich beaufsichtigen und evaluieren können. Mit der Struktur eines Konventes läuft die geplante EED daher Gefahr, gleichermaßen ineffektiv und ineffizient zu werden.

Zwei Alternativen

Die Europäische Union sollte daher zwei Alternativen in Betracht ziehen, anstatt vorschnell ein neues Instrument zu ent­wickeln: entweder die gründliche Reform des EIDHR mit höheren politischen ­Ansprüchen, weniger Bürokratie und ­einfachen Antragsverfahren für zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Europäische Kommission plant derzeit, das EIDHR durch eine neue Verordnung auf eine bessere Rechtsgrundlage zu stellen. Der bisherige Entwurf konkretisiert die Zuständigkeiten des Instrumentes, sieht aber weder vereinfachte Antragsverfahren noch sonstige Flexibilisierung vor.

Die Alternative ist der Ausbau der – bereits in Ansätzen vorhandenen – politischen Stiftungen auf europäischer Ebene zu Institutionen der Demokratieförderung nach deutschem Vorbild. Letztere könnten eine vertrauensvolle, wertegebundene und langfristige Zusammen­arbeit mit lokalen Partnerorganisa­tionen aufbauen.

Dass das funktionieren kann, beweisen die deutschen Stiftungen seit langem. Welt­anschaulich an Parteien gebundene ­Stiftungen aus EU-Mitgliedsländern sind besonders gut dazu geeignet, in Transformationsländern mit Parteien, Parlamenten und politisch aktiven zivilgesellschaftlichen Organisa­tionen zu kooperieren. Die Koordination könnte das European Network of Political Foundations übernehmen.

Da sich die EU-Mitgliedsstaaten am 15. Dezember 2011 jedoch auf vorbereitende Maßnahmen zur Gründung einer solchen Institu­tion geeinigt haben, ist ein Umschwenken unwahrscheinlich. Aller Voraussicht nach wird das Instrument daher 2012 eingeführt. In diesem Fall sollte die Bundesregierung einige Veränderungen anregen, um das Instrument so effi­zient und effektiv wie möglich zu machen:
– Der Konvent sollte die Gelder an Institutionen vergeben, die über Länderexpertise sowie eingespielte Planungsprozesse verfügen.
– Er sollte die Evaluierung der durchgeführten Projekte nicht den geförderten Institutionen überlassen. Stattdessen sind Personal und Expertise des Europä­ischen Auswärtigen Dienstes oder externe Vertragspartner gefragt.
– Das geplante Instrument sollte einen anderen Namen erhalten. Der Begriff „European Endowment for Democracy“ ist zum einen irreführend, weil es nicht um eine eigenständige Institution geht. Zum anderen erinnert die Bezeichnung zu stark an die oben genannte US-Institution, deren Aktivität vor allem im arabischen Raum umstritten ist. Solche Vor­behalte würden das neue Instrument unnötig belasten.

Ein neues europäisches Instrument braucht die kontinuierliche politische Aufmerksamkeit seiner Träger. Sie müssen dafür sorgen, dass es nicht nur Gelder vergibt, sondern Strategien entwickelt, Programme abstimmt und Ergebnisse kritisch überprüft. Ein regelmäßiger Konvent kann diese Aufmerksamkeit immer wieder erregen, das ist einer der wenigen Vorteile einer solchen Einrichtung. Es bleibt daher trotz aller Vorbehalte zu hoffen, dass die European Endowment for Democracy zu einer strategisch ausgerichteten europäischen Demokratieförderung beitragen wird.